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16.06.2014 … Presseschau

Nach den Rechten sehen: Neonazis verletzen erneut Gäste in Dortmunder Kneipe „Hirsch Q“ +++ Berlin-Neukölln: Vier Rechtsextreme randalieren in linkem Szene-Café +++ Schleswig-Holstein: Militante Neonazis kopieren Rocker-Strukturen.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Neonazis verletzen erneut Gäste in Dortmunder Kneipe „Hirsch Q“

Samstagmorgen kurz vor 4 Uhr im „Leeds Pub“ auf der Reinoldistraße: Die Polizei erteilte drei 24 bis 29 Jahre alten Männern Platzverweise, weil sie in der Kneipe mit Nazi-Propaganda aufgefallen waren. Die drei Männer verließen dann das Lokal und betraten die nahe gelegene Kneipe „Hirsch Q“ in der Brückstraße. Dort hatten Rechtsextreme im Jahr 2010 zum wiederholten Mal Gäste angegriffen — vor wenigen Wochen wurden sie wegen des Überfalls verurteilt. Kurz nach vier Uhr bestellten die drei Neonazis diverse Getränke. Weil sie als Nazis erkannt und ihnen die Bewirtung verweigert wurde, reagierten die Männer aggressiv. Die Polizei berichtet von Gewalt gegen Hirsch-Q-Besucher, die bereits auf dem Boden gelegen hätten. Bei der Auseinandersetzung soll auch Pfefferspray eingesetzt worden sein. Die Polizei stellte die Männer später. Dabei wurde noch ein Polizist verletzt (DerWesten)

Berlin-Neukölln: Vier Rechtsextreme randalieren in linkem Szene-Café

Der Polizeiliche Staatschutz beim Landeskriminalamt Berlin hat nach einer Sachbeschädigung und einer Beleidigung am Sonnabendvormittag in Neukölln die Ermittlungen übernommen. Nach derzeitigen Erkenntnissen erschienen vier mutmaßlich alkoholisierte Männer gegen 9.20 Uhr an einem linken Szene-Café in der Wildenbruchstraße, traten gegen die verschlossene Eingangstür, schütteten Bier gegen die Fensterscheiben und rissen zwei Plakate von der Hauswand. Dem äußeren Erscheinungsbild nach sollen die Randalierer der rechtsradikalen Szene zuzuordnen gewesen sein. Anschließend pöbelte das Quartett Passanten, darunter eine unbekannt gebliebene Asiatin, an und entfernte sich dann unerkannt vom Ort. Kurz darauf beleidigten vier Männer in der Schandauer Straße eine 27-jährige Frau homophob, Beschreibungen nach die gleichen (Berliner MorgenpostTagesspiegel).

Schleswig-Holstein: Militante Neonazis kopieren Rocker-Strukturen

Es gibt keine großen Aufmärsche mehr, keine regelmäßigen Kundgebungen: In Schleswig-Holstein ist die rechtsextreme Szene kaum noch zu sehen oder zu hören. Nach Ansicht von Experten ist der starke Druck antifaschistischer Gruppen dafür verantwortlich. „Die linke Szene weiß genau, wer was in der rechten Szene macht“, sagt Nils Raupach vom Kieler Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus. „Sie veröffentlicht Fotos und Adressen in ihren Netzwerken, informiert Nachbarn oder Arbeitgeber über die rechtsextreme Gesinnung von Personen.“ Letztere reagieren oft prompt. So hat ein Halstenbeker Speditionsunternehmer fünf Neonazis in seinem Betrieb gekündigt. In Schleswig-Holstein gibt es laut Verfassungsschutz 230?Mitglieder in Aktionsgruppen, doch nur einen harten Kern von 60?Neonazis, der sich tatsächlich engagiert. Sie seien jedoch weit davon entfernt, die Szene zu steuern oder politische Kampagnen zu initiieren. Mit 600 Anhängern recht groß bleibt in Schleswig-Holstein die rechtsextremistische Subkulturszene. Sie ist zwar seit Jahren kaum noch für politische Aktivitäten zu mobilisieren, wandelt sich jedoch beständig: Die neueste Strömung sind rechtsextreme Bruderschaften. Raupach: „Sie orientieren sich am Habitus und der Hierachie von Rockerclubs, ihre Mitglieder tragen schwarze Lederkutten.“ Auch die Strukturen von Rockerclubs werden von militanten Neonazis kopiert. In Schleswig-Holstein gibt es laut Verfassungsschutz bereits zwei solcher Gruppen: die „Brigade?acht“ und die „Wächter Midgards“ (Shz).

Neues Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus ab nächstem Jahr

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat ein Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus angekündigt. Es solle am 1. Juli vorgestellt werden und kommendes Jahr anlaufen, sagte Schwesig am Montag im Südwestrundfunk (Rheinische Post).

Neue Studie: Politik verharmloste Hetzjagd auf Inder in Mügeln

Sieben Jahre nach dem Übergriff auf mehrere Inder in Mügeln gibt es eine neue Studie zum Umgang der Ermittler und Politiker in Sachsen mit dem Fall. Wie das Magazin „Der Spiegel“ vorab berichtet, weist die Rechtsextremismusforscherin Britta Schellenberg darin nach, dass der Fall nie zielführend aufgeklärt und bearbeitet worden sei. In ihrer Studie kommt die Rechtsextremismusforscherin zu dem Schluss, dass die Politik die Attacke von Anfang an verharmloste und die Öffentlichkeit in eine andere Richtung zu lenken versuchte. Bei MDR INFO erklärte der damalige Mügelner Bürgermeister Gottfried Deuse, in seiner Stadt gebe es keine Rechtsextremen, die Täter seien möglicherweise Auswärtige. Sachsens damaliger Innenminister Albrecht Buttolo sprach von einer Rangelei, die sich hochgeschaukelt habe, Ministerpräsident Georg Milbradt bezeichnete die nationale und internationale Berichterstattung als Hetzjagd auf Mügeln, mit der ein ganzer Landstrich stigmatisiert würde. Entsprechend hätten sich auch die Ermittlungen verändert, einige Tatverdächtige nicht mehr verfolgt und ein spezifischer fremdenfeindlicher Hintergrund ausgeschlossen worden (mdr.de).

Juristisches Tauziehen um Protest vor NPD-Verlag am 21.06.2014

 Ein Riesaer Aktionsbündnis gegen Rechts will sich juristisch gegen Auflagen für einen Protestmarsch zum Verlagsgebäude der rechtsextremen NPD wehren. Das kündigten Vertreter des Bündnisses „Deutsche Stimme abschalten!“ am Freitag in Riesa an. Am 21. Juni möchten die Neonazi-Gegner vor dem Gebäude des NPD-Verlages „Deutsche Stimme“ ziehen. Den Organisatoren zufolge hat das Landratsamt Meißen als Versammlungsbehörde die Kundgebung aber mit Einschränkungen versehen. So soll das Abschlussmeeting einen Kilometer vom Verlag entfernt stattfinden (SZ-online).

Wien: Rechtsextreme Übergriffe bei Regenbogen-Parade

Am 14. Juni wurde in Wien der Christopher-Street-Day mit einer Parade gefeiert. Erstmals jedoch wurde auf die Regenbogenparade eine Attacke versucht und laut Augenzeugenberichten zogen Rechtsextreme durch die Straßen Wiens und griffen (vermeintliche) TeilnehmerInnen an. Auf den Wagen der Grünen wurde ein Buttersäure-Attacke verübt, bei der auch die lesbische Politikerin Ulrike Lunacek getroffen wurde. Auf Twitter gab es zahlreiche Meldungen über in der Stadt herumstreunende Neonazis und Übergriffe auf Regenbogenparaden-TeilnehmerInnen. Die Neonazis nahmen zum Teil an einer Demonstration unter dem Titel “Marsch für die Familie” von religiösen FundamentalistInnen statt, die Homosexualität und Sexualkundeunterricht ablehnen, die zeitgleich in der Wiener Innenstadt stattfand (thinkoutsideyourbox).

„Mit Verboten allein kommen wir nicht weiter“

Mit dem bekannten Rechtsextremen Siegfried Borchardt sitzt erstmals ein Vertreter der Partei Die Rechte im Dortmunder Stadtrat. NRW-Sozialminister Guntram Schneider fordert eine Auseinandersetzung mit Neonazis auch jenseits der Parlamente (deutschlandradiokultur.de).

Die konservative Alternative

Die AfD sei weder rechts noch links, weder konservativ noch liberal – mantraartig haben Funktionäre und Anhänger der eurokritischen Partei diese Behauptungen vorgetragen. Nun koaliert die “Partei des gesunden Menschenverstands” im Europaparlament mit Nationalkonservativen und Rechtspopulisten. Durch die EKR-Fraktion verlaufen aber ideologisch tiefe Gräben (Publikative.org).

Mehr Knast für Rassisten?

Der Kampf gegen Rassismus und andere Hassideologien ist nötig. Doch er kann nicht nur mit ein paar zusätzlichen Wörtern im StGB gewonnen werden. Erhellender Kommentar auf Theeuropean.de

V-Mann Trinkaus beharrt darauf: „Ich war kein Stasi-Spitzel“

Sie haben alles versucht. Diese Gewissheit bleibt den Abgeordneten des Untersuchungsausschusses zu der früheren V-Mann-Tätigkeit des ehemaligen NPD-Funktionärs Kai-Uwe Trinkaus. Dieser beharrte aucham Freitag vor dem Landtagsgremium als Zeuge darauf, nicht für die Stasi gearbeitet zu haben. Gegenteilige Beweise wurden nicht gefunden. Zwar existieren offenbar zwei Karteikarten. Diese legen aber nur den Verdacht nahe, dass Trinkaus in jungen Jahren – wahrscheinlich noch als Schüler – angeworben werden sollte. Dass er einmal angesprochen wurde, bestätigte er auch (Thüringer Allgemeine).

Burschenschafter: „Rechte Szene braucht Führungspersonal“

Inzwischen treten sogar Burschenschafter auf CSU-Linie aus dem Dachverband aus, berichtet Christian Becker, Gründer der Initiative „Burschenschafter gegen Neonazis“. Tonangebend seien nun rechts stehende Sympathisanten und Aktivisten von AfD und NPD (Deutschlandradio Kultur).

Interview mit Stefan Aust und Dirk Laabs zu ihrem Buch über die NSU-Mordserie

„Heimatschutz“ – hinter diesem Titel verbirgt sich das Buch von Stefan Aust und Dirk Laabs. Es ist eine akribische Bestandsaufnahme der Geschehnisse um die rechtextremistische Terrorzelle NSU, die jahrelang ungehindert mordete (BR).

JVA München gestattet Zschäpe Nachtbesuch in der Zelle

Seit November 2011 sitzt sie in Untersuchungshaft – jetzt durfte die mutmaßliche Terroristin Beate Zschäpe erstmals eine Nacht mit einer Zellen-Nachbarin verbringen. Zschäpe gab als Begründung an, dass sie „jemanden zum Reden“ brauche (focus.de).

Prozess in Augsburg: 32-Jähriger soll Shirts mit Nazi-Parolen im Internet verkauft haben

Die T-Shirts, die der Staatsschutz im November 2013 in zwei Wohnungen im Raum Donauwörth und im südlichen Kreis Augsburg fand, sprachen eine eindeutige Sprache: die der Neonazi-Szene „Nazisupermensch“, „Nichtjude“, „Bündnis33 – Die Braunen“ oder „Adolf Hitler Europatour 1939 bis 1945“ stand darauf geschrieben. Ohne Zweifel rechtes Gedankengut. Die Kleidung mit den Parolen bot ein 32-Jähriger, der in beiden Regionen gemeldet war, über einen Online-Shop im Internet an. Die Staatsanwaltschaft stufte die Aufdrucke als verfassungsfeindlich und volksverhetzend ein. Seit Freitag muss sich der ehemalige Betreiber einer kleinen Textildruck-Werkstatt vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Ralf Hirmer verantworten. Dass der auf drei Tage angesetzte Prozess unter starker Polizeipräsenz begann, hat seinen Grund: Mitinitiator des Online-Versands war den Ermittlungen zufolge der bekannte Neonazi Martin Wiese, 38 (Augsburger Allgemeine).

Marine Le Pen: Des Teufels Generalin

Die Angst geht um in Frankreich. Von einem Erdbeben, einem Tsunami, einem Vulkanausbruch schrieben die Zeitungen nach der Europawahl. Wie konnte es sein, dass im Lande der Menschenrechte, in dem seit 200 Jahren über jedem Rathaus die Worte „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ eingemeißelt sind, der Front National des Demagogen Jean-Marie Le Pen, der „die Ungleichheit der Rassen“ propagiert, 25 Prozent der französischen Wähler auf seine Seite gezogen hat? Wie konnte es sein, dass seine Tochter Marine Le Pen, eine Todfeindin der Europäischen Union, über Nacht zu einem Star der Medien wurde? Was ist mit Frankreich los? Und wieso will die Tochter die von ihrem Vater gegründete Partei „dediabolisieren“, was doch heißt: den Teufel austreiben? (PNN) Einen weiteren Hintergrundbericht gibt es bei ZEIT online.

Finnland: Neue Kulturzeitschrift gegen Fremdenfeindlichkeit

„Plir“ – das bedeutet so viel wie „scharfer Blick“ und ist der Name einer neuen Zeitschrift, die in Finnland auf den Markt kommt. Sie wurde von den Autorinnen Malin Kivelä und Stella Parland ins Leben gerufen, die damit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus bekämpfen wollen. Parland sagte im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender „YLE“, die Idee für das Magazin sei ihr im Wahlkampf 2011 gekommen, als die rechtspopulistischen „Wahren Finnen“ ins Parlament eingezogen seien. Seitdem habe die Stimmung in der Gesellschaft erschreckende Wendungen genommen. In „Plir“ sollten Künstler zu Wort kommen, die anders dächten. Die erste Ausgabe enthält unter anderem eine Novelle des arabischen Schriftstellers Hassan Blasim, eine Rezension von Åsne Seierstads Buch über Anders Behring Breivik und eine Comicserie (Deutschlandradio Kultur).

Guten Tag und willkommen in Gera

Interkultureller Verein Gera sorgt seit 20 Jahren für freundliche Aufnahme von Migranten und gegenseitiges Verständnis. Fremdenfreundlichkeit oder Fremdenfeindlichkeit lassen sich nicht messen. Aber Gera gilt unter Migranten als eine positive Stadt.“ Olga Lange sagt das nicht ohne Stolz und Kenntnis. Als Aussiedlerin kam sie bereits 1972 mit ihren Eltern von Nowosibirsk in die DDR. Sie baute mit anderen „Pionieren der Integration“ wie Evelyn Fichtelmann oder Wladimir Bogdanov 1994 den Interkulturellen Verein Gera auf. „Nach 1990 kehrten sehr viele Aussiedler nach Deutschland zurück, auch nach Gera, bezogen Heime, waren unsicher. Wir halfen ihnen, sich hier einzuleben. Gleichzeitig galt es, die Geraer aufzuklären über diese neuen Mitbürger und sie fremdenfreundlich zu stimmen.“ Dieses Ziel verfolgt der Interkulturelle Verein seit 20 Jahren beharrlich und erfolgreich (TLZ).

Niemand außer Nazis will das Liebesnest von Hitlers Propaganda-Minister

Die Liegenschaft am Bogensee, ehemaliges Liebesnest von Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels, ist wie ein Klumpfuß am Bein des Berliner Abgeordnetenhauses. Niemand will das vorbelastete Grundstück kaufen – niemand, außer Neonazis. Und die dürfen nicht. Seit mehr als 20 Jahren steht das Haus bei Wandlitz (Brandenburg) leer. Der Unterhalt des zum Teil denkmalgeschützten Areals verschlingt jährlich mehr als 225 000 Euro  (BILD.de).

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Kommentar Vorpommern zeigt wie’s geht

Der Rechtsextremismus wird weder durch ein NPD-Verbot, noch durch die Reform des Verfassungsschutzes zurückgedrängt werden. Sondern mit gesellschaftspolitischem und wachem…

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