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Baden-Württemberg 2017 TDDZ und Footballarmy, AfD und rechte Betriebsratsliste

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Unschöne Bilder aus 2017: Die „Footballarmy Dynamo Dresden“ im Stadion in Karlsruhe. (Quelle: Screenshot YouTube, 12.12.2017)

Die größte eindeutig extrem rechte Demonstration 2017 in Baden-Württemberg war unzweifelhaft der 9. „Tag der Deutschen Zukunft“ (TDDZ), der aus dem Umfeld der Partei „Die Rechte“ organisiert wird und an wechselnden Orten stattfindet. Gemessen an den Zahlen der Vorjahre war der diesjährige TDDZ am 3. Juni 2017 in Durlach, einem Vorort von Karlsruhe, ein Flop. Es kamen nur etwa 300 Personen, im Vorjahr waren es bis zu 900. Diese zogen dann umgeben von einem zahlenmäßig vielfach stärkeren Gegenprotest durch leere Straßen. Viele der Teilnehmer_innen waren von außerhalb angereist.

Neben dem TDDZ gab es im Raum Karlsruhe einen weiteren rechten Aufmarsch. Am 14. Mai 2017 kam es in Karlsruhe vor einem Spiel der Männer-Fußballteams von Karlsruher SC und der SG Dynamo Dresden zu einem martialischen Marsch von 1.500 bis 2.000 Dynamo-Anhängern im Einheits-Tarnfleck, die unter dem Label „Footballarmy Dynamo Dresden“ auftraten. Auf dem Fronttransparent wurde die Botschaft „Krieg dem DFB“ angekündigt. Dazu kam es zum Einsatz von Rauchtöpfen und rhythmischen Trommeln. Auch wenn es sich nicht explizit um eine Demonstration mit rechter Thematik handelte, so war doch ein paramilitärischer und protofaschistische Charakter ebenso unverkennbar wie die starke Teilnahme rechter Fußball-Fans. Vorneweg fuhr ein Trabi mit dem Kennzeichen „DD – VP 88“. 88 steht in der Neonaziszene für die Buchstaben HH, was wiederum „Heil Hitler“ bedeutet. Sowohl Polizeibeamt_innen als auch die Ordner_innen wurden attackiert und zum Teil verletzt (vgl. Tagesspiegel, BTN).

In Karlsruhe wurde aber auch eine regelmäßige rechte Demonstration beendet, die dort unter wechselnden Namen stattfand. Zuletzt firmierte sie unter „Karlsruhe wehrt sich”. Zur 50. und letzten Demonstration am 22. Juli 2017 fanden sich in Karlsruhe noch einmal knapp 60 Personen ein. Danach warfen Esther Seitz und ihr Team das Handtuch.

Insgesamt ist die Neonazi-Szene in Baden-Württemberg verhältnismäßig schwach. Andere Strömungen der extremen Rechten, wie die Reichsbürger_innen oder die neurechten Identitären haben dagegen Zulauf, allerdings auf niedrigem Niveau. In Baden-Württemberg sollen inzwischen etwa 15 Ortsgruppen aktiv sein, deren Mitgliederstamm meist 10-15 Personen umfasst. Besonders Gymnasiast_innen und Studierende scheinen von ihrem elitären Gehabe angesprochen zu werden.

Die Reichsbürger_innen scheinen sich dagegen wie andernorts auch vor allem aus älteren Männern zusammenzusetzen. Waffen- und Munitionsfunde wie etwa bei einer Gruppe um eine selbsternannten Druiden aus Schwetzingen (Rhein-Neckar-Kreis) am 25. Januar 2017 bestätigen die Gefährlichkeit dieser Strömung (vgl. SWRPZ-News).

Auch bei einer Hausdurchsuchung bei einem 43-Jährigen mutmaßlichen Reichsbürger am 27. Januar 2017 in Pforzheim fand das SEK zahlreiche Waffen, darunter eine Pumpgun, sowie etwa 150 Schuss scharfe Munition (vgl. Spiegel)

 

Der Wahlkampf der AfD

Bis zum 24. September 2017 lief auch im Südwesten der Bundestagswahlkampf auf vollen Touren. Während andere rechte Parteien nur punktuell wahrnehmbar waren, stemmte die rechtspopulistische AfD in der Hochphase bis zu drei Veranstaltungen täglich.

Diese Vortragsveranstaltungen waren unterschiedlich groß. Die größte fand am 6. September 2017 im Congress-Centrum in Pforzheim statt. „Stargast“ war neben Alice Weidel und Alexander Gauland, die parteilose, ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach,

Über 1.200 Besucher_innen nahmen an der Veranstaltung teil (vgl. Stuttgarter Zeitung).

Der Aufwand im Wahlkampf lohnte sich, die AfD hatte mit über 12% der Stimmen eines der höchsten Ergebnisse in Westdeutschland und erhielt damit 11 Bundestagsmandate.

Der Wahlkampf der AfD wurde u.a. von dem „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ unterstützt, dessen offizielle Anschrift sich in Stuttgart befindet. Allerdings handelt es sich nur um einen Briefkasten, die Spur führt von da weiter zu einer Werbeagentur in die Schweiz (BTN, FAZ, Zeit).

Der Verein veranstaltete am 25. März 2017 auf der Burg Lichtenberg in Oberstenfeld (Kreis Ludwigsburg) einen Vortrag von Thilo Sarrazin. Mitveranstalter war das „Studienzentrum Weikersheim“ (SZW), ursprünglich eine Gründung am rechten Rand der Union. Es kamen etwa 150 Gäste, darunter u.a. Barbara Rosenkranz (FPÖ), Rolf Schlierer (Ex-REPs-Bundesvorsitzender), Karl-Albrecht Schachtschneider (SZW), Jost Bauch (SZW), Malte Kaufmann (AfD), Alice Weidel (AfD) und Nicolaus Fest (AfD). Solche Treffen sind kaum zu unterschätzende Punkte zur Vernetzung und Absprache.

Der ebenfalls teilnehmende Professor Karl-Albrecht Schachtschneider ist ein beliebter Referent in der AfD Baden-Württemberg. Er veröffentlichte auch im Kopp-Verlag mit Sitz in Rottenburg am Neckar. Dieser Verlag bietet auch rechtspopulistischen Autor_innen aus der AfD und ihrem Umfeld eine publizistische Heimat.

Das neueste Projekt aus dem Umfeld der AfD ist eine bundesweite rechte Betriebsratswahlliste. Kern dieser ist die 2009 gegründete Betriebsratsliste „Zentrum Automobil e.V.“, die 2014 knapp 10% der Stimmen bei den Wahlen in Stuttgart-Untertürkheim holten. In dem Vorstand dieser Liste finden sich Personen mit einer Neonazi-Vergangenheit bzw. entsprechenden Kontakten. Bei ihrer geplanten Expansion kooperiert die Liste mit der neurechten Vernetzung „Ein Prozent“ und dem rechtspopulistischen Magazin COMPACT. Angepeilt ist der Antritt zu den Betriebsratswahlen in der Metall-Industrie, die zwischen 1. März und 31. Mai 2018 stattfinden werden.

 

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