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Nazi-Großaufmarsch oder „Dresden nazifrei“ – was ist geplant um den 13. Februar in Dresden?

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von Christine Lang

Nachdem 2010 die erfolgreiche Blockade des Aktionsbündnisses ?Nazifrei! Dresden stellt sich quer? zum ersten Mal den größten Neonazi-Aufmarsch in Europa verhindern konnte, sind nun die Erwartungen hoch ? auf beiden Seiten: Das Bündnis der Nazigegner hofft, durch eine noch breitere Mobilisierung an den Erfolg des letzten Jahres anknüpfen zu können. Allerdings stehen die Neonazis unter großem Druck, dieses Jahr auch wirklich zu marschieren, handelt es sich doch um ein zentrales Ereignis mit hoher Bedeutung für den Zusammenhalt der Szene.

Was planen die Neonazis?

Organisiert wird der Dresdner Großaufmarsch von verschiedenen extrem rechten Gruppen, sowohl aus der Kameradschaftsszene als auch aus dem Umfeld der NPD. Nach der Blockade der Demonstration im vergangenen Jahr suchte die rechtsextreme Aktivistenszene in den letzten Monaten nach neuen, dezentraleren Aktionskonzepten. Ein Test solcher Konzepte konnte am 16. Oktober 2010 in Leipzig beobachtet werden, wo sich Neonazis an verschiedenen Orten zu Spontandemonstrationen versammelten. Allerdings war diese mögliche Generalprobe für Dresden eher ein Desaster: die nur wenigen hundert Teilnehmer stießen auf massiven Widerstand der Leipziger Bevölkerung und konnten nicht die erhoffte Außenwirkung erzielen.

Für den Jahrestag der Luftangriffe auf Dresden planen die Neonazis in diesem Jahr mehrere Veranstaltungen, um Blockaden zu erschweren. Am Abend des 13. Februar veranstaltet die ?Junge Landsmannschaft Ostdeutschland? einen Gedenkmarsch, für den vor allem regionale Neonazi-Gruppen mobilisiert werden sollen.

In der Folge soll eine ?Aktionswoche? stattfinden, die vorgibt, zur ?inhaltlichen und geistigen Auseinandersetzung mit dem Thema? anzuregen. Bisher wurde von den Organisatoren ? dem kameradschaftsnahen ?Aktionsbündnis gegen das Vergessen? ? eine Aktion ankündigt: 5.000 Postkarten mit der Forderung nach einem Mahnmal für die Toten der Luftangriffe sollen an die Dresdner Stadtverwaltung geschickt werden. Mit 45 Cent Porto pro versandter Karte kann der Nazi damit seinen Obolus für die ?Ehrenrettung der Toten unseres Volkes? leisten. Darüber hinaus werden verschiedene Propagandamaterialien angeboten, von Aufklebern, Postkarten und Plakaten bis hin zu einer 56-seitigen Broschüre mit dem pathetischen Titel ?Dresden ? der Menschlichkeit entgegen?, die ?einen Blick hinter die verzerrte Darstellung der öffentlichen Medien? geben möchte. Bereits in den vergangenen Jahren gab es um den 13. Februar mehrere kurzfristig angemeldete oder spontane Aktionen in verschiedenen deutschen Städten. Ein ähnliches Vorgehen der rechtsextremen Aktivisten kann man daher auch in diesem Jahr vermuten.

Der eigentliche Großaufmarsch der rechtsextremen Szene folgt erst am 19. Februar, wie die ?offizielle Seite zum Trauermarsch? der ?Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland? ankündigt. Es sind dafür mehrere Veranstaltungen von verschiedenen Gruppen angemeldet und eine ?neue Veranstaltungsstrategie? vorgesehen. Zusätzlich zum üblichen Geschichtsrevisionismus soll dabei auch für das ?Recht auf Gedenken und Versammlungsfreiheit? marschiert werden, wie die Organisatoren betonen. Die erfolgreiche Blockade des Großaufmarsches 2010 wird somit entsprechend eines typischen Argumentationsmusters von Neonazis umgedeutet: Nazigegnern wird vorgeworfen, Rechtsextremen die Ausübung demokratischer Freiheitsrechte ? in diesem Falle der Versammlungsfreiheit ? zu versagen.

Die rechtsextreme Szene versucht inzwischen, mit Infoveranstaltungen in verschiedenen Bundesländern ihre Anhänger zu mobilisieren. Anfang Januar fand in Baden-Württemberg die erste Veranstaltung des ?Aktionsbündnisses gegen das Vergessen? statt, mit Demonstrationstraining und Debatten verschiedener ?möglicher Szenarien? für den 19. Februar. Auch die NPD bereitet sich auf den Trauermarsch vor und schult ihre Anhängerschaft zu Versammlungsrecht und Demonstrationstaktik, wie am 8. Januar bei einem Seminar des ?Bundesordnungsdienstes? der NPD in Anklam (Mecklenburg-Vorpommern).

?Nazifrei! Dresden stellt sich quer?

Gegen den Aufmarsch der Neonazis mobilisiert in erster Linie wieder das Aktionsbündnis ?Nazifrei! Dresden stellt sich quer?, zu dem sich zivilgesellschaftliche Initiativen, Antifa-Gruppen, Parteien, Gewerkschaften und Jugendverbände zusammengeschlossen haben. Ziel ist wie im letzten Jahr, die Blockade des Großaufmarsches zu erreichen.

Anfang November eröffnete das Bündnis ein Infobüro in Dresden und am 9. Dezember wurde mit einem Flashmob in der Dresdner Innenstadt öffentlichkeitswirksam die Kampagne gestartet. Der Aufruf zur Blockade des zentralen Neonazi-Ereignisses wurde bisher von über 700 Personen und um die 200 Organisationen unterzeichnet. Unter den prominenten ErstunterzeichnerInnen sind Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wissenschaft, wie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, Grünen-Chefin Claudia Roth, der Fraktionsvorsitzende der Linken Gregor Gysi, Liedermacher Konstantin Wecker, ?Ärzte?-Sänger Bela B. und die Bands Tocotronic und die Toten Hosen.

Nachdem sich inzwischen herausgestellt hat, dass das Hauptevent der Neonazis am 19. Februar stattfinden wird, konzentriert auch das Bündnis ?Dresden nazifrei? seine bundesweite Mobilisierung auf diesen Termin. Es wird ?auf jeden Fall anders als letztes Jahr? betont Pressesprecherin Judith Förstler in einem Gespräch mit netz-gegen-nazis.de. Man bereite sich auf dezentrale und mobile Aktionskonzepte der Nazis vor und berücksichtige daher in den Planungen verstärkt den Schutz von Personen und antifaschistischen Einrichtungen. Die konkrete Vorgehensweise für den 19. Februar stehe aber noch nicht fest.

Gegen den ?Gedenkmarsch? der ?Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland? am 13. Februar werden vor allem die Menschen aus Dresden und Umgebung zu Protestaktionen aufgerufen. ?Wir hoffen auf eine bunte Mischung von vielen kleineren Aktionen? berichtet Judith Förstler. An diesem Tag möchte man auch den Gedenkdiskurs aufgreifen und sich deutlich gegen den Geschichtsrevisionismus stellen.

Seit einigen Wochen läuft die bundesweite Mobilisierung des Aktionsbündnisses auf Hochtouren. Bereits im Dezember fanden regionale Vorbereitungstreffen in Frankfurt und Dortmund statt. Auch in weiteren Städten treffen sich im Laufe der nächsten Wochen Mitglieder und Unterstützergruppen von ?Dresden nazifrei? zu Koordinations- und Mobilisierungsveranstaltungen. Für den 15. Januar hat das Bündnis einen bundesweiten Aktionstag mit Infoveranstaltungen und Blockadetrainings angekündigt und am 18. Januar soll in einer großen Plakataktion auf die Kampagne gegen den Naziaufmarsch aufmerksam gemacht werden. Die Mobilisierung laufe bisher sehr gut, so Judith Förstler. Das Bündnis habe sich im Vergleich zum Vorjahr sehr verbreitert, auch durch die Präsenz im Web 2.0. Es gebe allein bei Facebook über 5000 Unterstützer. Insbesondere in Dresden stößt das Aktionsbündnis auf positive Resonanz: ?Wir sind überrascht, wie viele Mobilisierungsaktionen es hier gibt? sagt Judith Förstler. Auch die Plakate für die Blockade würden in vielen Cafés, Bars und Läden gerne aufgehängt.

Im rechtsextremen Milieu scheint die Mobilisierung von ?Nazifrei! ? Dresden stellt sich quer? eine gewisse Beunruhigung hervorzurufen. Das Aktionsbündnis berichtet von vermehrten neonazistischen Übergriffen in Dresden. Betroffen war auch das Infobüro in der Dresdner Innenstadt, das Ende Dezember mit rechten Parolen beschmiert wurde.

Im vorigen Jahr hatte das Aktionsbündnis ?Nazifrei! Dresden stellt sich quer? wegen des Aufrufs zur Blockade des Nazi-Aufmarsches mit Repressionen zu kämpfen. Begründet mit dem Vorwurf, der Aufruf stelle eine ?öffentliche Aufforderung zu Straftaten? dar, ließ die Staatsanwaltschaft Dresden die Internetseite sperren sowie Plakate und Flyer beschlagnahmen. Durch den Erfolg der Blockade nimmt diese Form der Kriminalisierung ab, meint die Pressesprecherin des Aktionsbündnisses. Doch sind in diesem Jahr neue Kriminalisierungsstrategien denkbar ? im Zusammenhang mit der bundesweit aufgeflammten Extremismusdebatte. Bereits im Aufruf zur Blockade geht das Aktionsbündnis darauf ein und betont: ?Wir stellen uns gegen jeden Versuch, antifaschistischen Protest als ?extremistisch? zu bezeichnen.?

Die Menschenkette der Stadt

Unabhängig vom Bündnis ?Dresden nazifrei? findet in Dresden noch eine großangelegte Aktion der Stadt gegen den Naziaufmarsch statt. Die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) ruft wie bereits im vorigen Jahr zu einer Menschenkette um die Dresdner Innenstadt auf, unterstützt von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und zivilgesellschaftlichen Gruppen. In diesem Jahr soll die Aktion noch sichtbarer werden als 2010 und es ist geplant, auch zwei Elbbrücken zu überspannen. Allerdings ist die Menschenkette für den 13. Februar geplant und soll auch nicht verschoben werden, wie die Pressesprecherin der Stadt Dresden, Heike Großmann, mitteilte. Die Aktion sei ja nicht allein ein Schutz gegen Rechts sondern ein ?Symbol für das Erinnern und Mahnen? und das finde nun mal am Jahrestag der Bombenangriffe auf Dresden statt. Ob die Stadt auch am 19. Februar aktiv werde, dem Termin des Großaufmarsches der Neonazis, sei noch in Abstimmung.

Judith Förstler vom Bündnis ?Dresden nazifrei? begrüßt die Ausweitung des symbolischen Protestes durch die Menschenkette, trotz unterschiedlicher Vorstellungen von Aktionen gegen das Neonazi-Großereignis: ?Hauptsache ist, die Leute sind auf der Straße, damit der Naziaufmarsch endlich Geschichte ist.?

Mehr im Internet:

| Bündnis „Nazifrei! Dresden stellt sich quer“
| Aufruf der Stadt Dresden zum 13. Februar

So lief’s im letzten Jahr

| Bildergalerie zu den Gegenaktivitäten am 13. Februar 2010 in Dresden
| Miniaturen aus Dresden – Was vom 13. Februar in Erinnerung blieb
| Engagierte Blockierer verhindern Naziaufmarsch in Dresden – wie war es bei den Nazis?

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2017-05-10-anetta-1

Erstmal vor den Füßen kehren üben, als direkt den Dreck der ganzen Stadt nehmen

Zu den wohl ansteckendsten Übeln dieser Welt gehört die schlechte Laune. Sie braucht eigentlich keine Anlässe, weil es immer Dinge gibt, die einen grummeln lassen oder schlimmeres. Schauen wir uns um: Unsere Welt ist voller Ereignisse, die schlechte Laune provozieren. Terror, Feindseligkeiten, himmelschreiende Ignoranz, Rassismus und allenthalben Leid und Unglück. Wenn es mir schlecht geht und ich in eine Stimmung gerate, in der mir angesichts all dessen die Welt hoffnungslos erscheint, dann schaue ich auf einen Brief, den ich mir selbst geschrieben habe. Darin steht an erster Stelle: "Bitte, mach keine Haufen aus ungelösten Problemen. Schichte sie nicht so hoch auf, dass sie wie ein unerklimmbares Gebirge erscheinen." Nun ist es das Wesen der schlechten Laune, dass sie unbeeindruckt bleibt von solchen Tricks. Also kommt der zweite Punkt: "Schau näher hin. Viel näher. Wenn man sich schwach fühlt und die Straße kehren will, dann ist es besser vor den Füßen zu fegen, als an den Dreck der ganzen Stadt zu denken. Das kannst du machen, wenn du ungefähr weißt, wie es geht."
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