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Gegendarstellung Ja, wir finden den Schutz Engagierter wichtiger als Debatten mit Rechtsaußen

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(Quelle: DHMD)

 

Gegendarstellung der Amadeu Antonio Stiftung

 

Bei der Tagung „Die neue Mitte? Rechte Ideologien und Bewegungen in Europa“ vom 17. bis 19. September 2018 im Deutschen Hygiene-Museum Dresden, war die Amadeu Antonio Stiftung eingeladen, ihr Expert*innen-Wissen in verschiedenen Panels einfließen zu lassen.

Die Tagung wurde veranstaltet von vielen wissenschaftlich renommierten Trägern (s.u.) und war angekündigt als „Angebot aus Vorträgen und Workshops“, die sich „vor allem an jene [richtet], die in ihren beruflichen und privaten Kontexten mit diesen Herausforderungen konfrontiert werden. Auf der Tagung erhalten sie Hintergrundinformationen zu den einzelnen Akteuren und Strukturen und lernen Strategien für ihre tägliche Arbeit kennen.“ In der Einladung war auch eine Ausschlussklausel gegen rechtsextreme Akteur*innen enthalten, die gegebenenfalls der Veranstaltung verwiesen werden könnten.

Allerdings ist es immer eine Ermessensfrage, wer ein rechtsextremer Akteur ist, und die stellt sich offenbar umso mehr in Sachsen. Hier wirkt „Pegida“ seit 2014, und die rechtspopulistische bis rechtsextreme Szene versucht mit zahlreichen Repressionsstrategien, Angst bei zivilgesellschaftlichen Organisationen, Wissenschaftler*innen, Pädagog*innen und Medien zu erzeugen.

Umso wichtiger erscheint uns  der Moment der Stärkung dieser zivilgesellschaftlichen Strukturen, die sich gegen Menschenfeindlichkeit in Sachsen engagieren. Und das heißt konkret, einen geschützten Raum zum Austausch zu bieten. So ein Raum ist nur möglich, wenn keine Vertreter*innen der extremen Rechten anwesend sind. Denn die sind nie anwesend, um zuzuhören und sich auszutauschen, sondern entweder, um sofort den Diskurs der Demokrat*innen zu beeinflussen – oder später das Gehörte gegen die Anwesenden zu verwenden.

 

Durch die Ereignisse in Dresden fühlen wir uns in dieser Einschätzung bestätigt.

 

Zu einem Workshop am Mittwoch, den 19.09.2018, zum Thema „Echokammern und Filterblasen: Vernetzung über Social Media“, hatte sich Susanne Dagen angemeldet, Dresdner Buchhändlerin des „Buch- und Kulturhaus Loschwitz“, der lange Zeit „Pegida“-Nähe nachgesagt wurde und die 2017 nach der Frankfurter Buchmesse mit einer „Charta 2017“ im Namen der Meinungsfreiheit für den rechsextremen Antaios-Verlag in die Bresche sprang. Aufgrund dieser Nähe zu extrem rechten Bewegungen darf angezweifelt werden darf, dass Dagen Rechtspopulismus als „Herausforderung“ definiert hätte, mit der sie „konfrontiert werde“.

Seit 2017 hat Dagen allerdings jedwede Berührungsängste gegenüber der rechtsextremen Szene fallen lassen: Sie lässt sich etwa in rechtsextremen „alternativen“ Medien wie dem Compact-Magazin interviewen und von der rechten Sammlungsbewegung „Ein Prozent“. Inzwischen sind die Verbindungen zur offen rechtsextremen Szene institutionalisiert: Gemeinsam mit dem weiblichen Gesicht  der rechtsextremen, selbst ernannten „Neuen Rechten“, Ellen Kositza (Ehefrau von Götz Kubitschek, u.a. Antaios-Verlag, Institut für Staatspolitik, Sezession), moderiert Susanne Dagen ein Literatur-Magazin auf YouTube namens „Aufgeblättert. Zugeschlagen. Mit Rechten lesen.“

Wer mit rechtsextremen Vordenkern wie Ellen Kositza genug Gemeinsamkeiten sieht, um Kooperationsprojekte umzusetzen, macht damit seine Nähe zur rechtsextremen Gesinnung und seine Verachtung für die Demokratie und Menschenrechte deutlich. Teilnehmende des Workshops, darunter People of Color, äußerten, dass sie die Teilnahme Dagens unter Druck setze und sie Hemmungen hätten, sich dann frei zu äußern. Auf dieser Grundlage wurde Susanne Dagen von Workshop-Leiterin Simone Rafael vor der Tür freundlich und bestimmt gebeten, von einer Teilnahme abzusehen, weil für uns der Schutz von Engagierten auf einer Tagung, die für diese Zielgruppe konzipiert war, Vorrang hat. Susanne Dagen behielt sich daraufhin vor, sich beim Veranstalter zu beschweren, was ihr freigestellt wurde. Der Workshop wurde daraufhin in einer konstruktiven Atmosphäre abgehalten.

Interessant allerdings: Dagen wurde offenbar von einem Mann begleitet, der sofort vom Ausschluss twitterte und kurz darauf einen Artikel darüber im Online-Portal der „Sächsischen Zeitung“ veröffentlichte. Dabei verwendete er in der rechten Sphäre beliebte Formulierungen über die Amadeu Antonio Stiftung wie „für die bis in bürgerliche Kreise umstrittene Amadeu-Antonio-Stiftung“ oder „Stiftungsgründerin Anette Kahane steht seit Jahren in der Kritik, da sie für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hat“.

Das legt die Vermutung nahe, dass Dagen sich der Provokation ihrer Tagungsteilnahme  bewusst war und mit medialer Begleitung auf eine Gelegenheit gewartet hat, dies als angeblichen Angriff auf die Meinungsfreiheit und mangelnde Diskursbereitschaft demokratischer Strukturen zu nutzen. Wie gut das funktioniert, lässt sich derzeit in der rechten Sphäre etwa auf Twitter und Facebook beobachten, wo diverse auch prominente Akteure dieser Szene den Spielball gern aufnehmen, um eine demokratische Institution wie die Amadeu Antonio Stiftung zu verunglimpfen. Dabei bleibt es nicht bei Hasstiraden in Sozialen Netzwerken, es gibt etwa auch Aufrufe, Fördermittelgeber zu bestürmen, nicht mehr mit uns zusammenzuarbeiten. Wir kennen diese Taktiken bereits von früheren Gelegenheiten.

Warum bis zum dritten Tag der Veranstaltung keiner der Referent*innen und Veranstalter*innen einen Grund sah, Susanne Dagen auszuschließen, können wir nicht beantworten. Dass dabei zumindest bei einigen die Angst vor genau so einem Shitstorm mitspielt, lässt sich vermuten. Unsere Solidarität gilt daher den Menschen, die tagtäglich in Sachsen für Demokratie arbeiten!

Zur Motivation der Referentin Simone Rafael sei noch gesagt: Es geht nicht um eine mangelnde Bereitschaft, mit Rechten zu diskutieren – das tut Rafael, wenn es nötig ist, online und offline seit vielen Jahren. Es geht darum, Menschen zu schützen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Sie brauchen Räume, in denen Sie sich vernetzen, austauschen und stärken können für die kräftezehrende Alltagsarbeit für Demokratie, in Sachsen und überall.

Wir nehmen nach der Tagung in Dresden zur Kenntnis, dass dies sogar bei entsprechend ausgelegten Fachtagungen offenbar nicht mehr Konsens ist. Diese Entwicklung empfinden wir als gefährlich für die demokratische Kultur und demokratische Strukturen vor Ort.

 

Veranstalter der Tagung waren das Deutschen Hygiene Museum Dresden in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung, dem Mercator Forum Migration und Demokratie an der TU Dresden, dem Institut für Kommunikationswissenschaft der TU Dresden, dem TRAWOS-Institut der Hochschule Zittau/Görlitz, dem Kulturbüro Sachsen e.V. und der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen.

 

Im Einladungstext heißt es im Wortlaut:

„Mit einem breiten Angebot aus Vorträgen und Workshops richtet sich die Tagung vor allem an jene, die in ihren beruflichen und privaten Kontexten mit diesen Herausforderungen konfrontiert werden. Auf der Tagung erhalten sie Hintergrundinformationen zu den einzelnen Akteuren und Strukturen und lernen Strategien für ihre tägliche Arbeit kennen. Die Tagung ist im sächsischen Fortbildungs-Onlinekatalog für Pädagog*innen unter der Veranstaltungsnummer EXT04294 als Fortbildung ausgewiesen.“

 

Belege für die Angaben im Text

(Wir verlinken ausnahmsweise auf die extrem rechten Originalquellen):

Text: Simone Rafael

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