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Hass gesperrt auf Twitter oder Facebook – und dann?

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Nach Sperrung des Facebook-Accounts folgt die Beschwerde in anderen Sozialen Netzwerken. Hat das trotzdem einen Effekt? (Quelle: Screenshot YouTube, 03.11.2017)

 

 

Es waren nur 11 Minuten, aber die Message  ist deutlich: Ein Mitarbeiter des Sozialen Netzwerks Twitter hat an seinem letzten Arbeitstag in der Nacht vom 02. auf den 03.11.2017 den privaten Twitter-Account von Donald Trump (@realdonaldtrump) gesperrt. Damit setzte er eigentlich nur um, was bereits zahlreiche Online-Petitionen gefordert hatten: Wenn Twitter seine Diskussionsregeln gegen Rassismus, Sexismus und Gewalt ernst meine, müsse der Account schon lange gesperrt sein.

Twitter selbst erklärte in einem ersten Statement, das Konto sei „wegen eines menschlichen Fehlers eines Angestellten“ versehentlich deaktiviert worden, versprach Untersuchungen – und vermeldete zwei Stunden später mit überraschender Offenheit, ein Mitarbeiter aus der Kundenbetreuung habe das Trump-Konto „an seinem letzten Arbeitstag“ abgeschaltet – es würden nun Maßnahmen ergriffen, dass das nicht wieder geschehen könnte. Der amerikanische Präsident reagierte bisher auf den Vorfall verhältnismäßig sachlich:  Ein „schurkischer Mitarbeiter“ habe den Account heruntergenommen. Aber schließlich könne sein Wort wieder in die Welt und dort Einfluss nehmen.

Mit Worten auf Social Media-Netzwerken Einfluss zu nehmen, das wollen auch Führungspersonen in der rechtsextremen und rechtspopulistischen Szene. Nach rechtsextremen Ausschreitungen in Charlottesville zeigten zahlreiche amerikanische Social Media- und andere Unternehmen Zivilcourage und verbannten führende Akteure von ihren Diensten (vgl. BTN; einen aktuellen Stand aus dem Oktober 2017 gibt das amerikanische Magazin The Verge). Solche Aktionen setzen Statements und zeigen Werte auf – von Dauer sind die Sperren allerdings nicht. Denn auch wenn gebannte Rechte die Meinungsfreiheit in Gefahr sehen, wenn sie einen Dienst nicht mehr nutzen können,  finden sie in der Regel zurück ins Internet – entweder bei neuen Providern oder unter anderem Namen. Das betrifft nicht nur soziale Medien, sondern unter Umständen auch ganze Websites. Selbst die zutiefst antisemitische und nationalsozialistische Website „The Daily Stormer“ findet immer neue Hosting-Orte, nachdem sie in den USA nach Charlottesville geschlossen wurde. Nach einer Odyssee über das Darknet, Russland, Katalonien und Island fand die Website vor wenigen Tagen eine neue Heimat auf Anguilla in der Karibik– wo sie am 31. Oktober 2017 nach eigener Angabe des Daily Stormer auf dem russischen Netzwerk VK, wenige Tage später wieder geschlossen wurde. Am 02. November 2017 ist sie nun wieder online – gehostet auf Samoa. Zugleich hat in den USA die „Alt-Right“-Bewegung eine eigene „Alt-Tech“-Struktur aufgebaut: So gibt es rechtsextreme Alternativen zu Reddit (Voat), Patreon (Hatreon), Twitter (Gab), GoFundMe (GoyFundMe) und YouTube (BitChute).

Eine erste Studie aus den USA beschäftigte sich übrigens mit der Frage, ob es einen Effekt hat, auf einzelnen Netzwerken gegen Hass-User vorzugehen. Dabei stellten die Wissenschaftler_innen des Georgia Institute of Technology, der Emory University und der University of Michigan fest, dass User aus Hass-Foren auf Reddit, die geschlossen wurden, weiterhin bei Reddit blieben, aber in Zukunft wesentlich weniger hasserfüllte Sprache nutzten. Es habe definitiv einen Effekt gehabt, die Hass-Foren zu schließen (vgl. NYT).

 

Und in Deutschland?

 

In Deutschland hat sich trotz Einführung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG), dass die Sozialen Netzwerke zur Löschung strafrechtlich relevanter Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Meldung verpflichtet, in der Praxis noch wenig spürbar geändert. Dies liegt daran, dass sowohl die Sozialen Netzwerke als auch das Bundesjustizministerium noch mit der konkreten Umsetzung beschäftigt sind. Trotzdem gab und gibt es auch auf Facebook und Twitter ebenfalls Sperren für mehr oder weniger bekannte Hassrede-Accounts, besonders für rassistische und antisemitische Postings. Auf Twitter wurde am 1. November 2017 der Account des früheren Schriftstellers und wegen Volksverhetzung verurteilten „Pegida“-Redners Akif Pirinçi gesperrt – worüber dieser sich wiederum wortreich auf seiner Facebook-Seite beklagte.

Auf der Facebook- und Web-Site „Facebook-Sperre – Wall of Shame“ des Rechtsanwaltes und „Achse des Guten“-Autors Joachim Nikolaus Steinhöfel werden Sperren gesammelt. Viele der Beispiele drehen sich um antisemitische und rassistische Kommentare wie „Zionisten Schweine“ oder „Sexuelle Übergriffe oder auch zu Neudeutsch: ‘Den Nafri machen’“. Letzterer Post ist von der in der rechten Internet-Szene bekannten Autorin Anabel Schunke (u.a. Tichys Einblick). Die wiederum beklagt sich über die 30-tägige Sperrung wortreich auf YouTube – und zeigt damit selbst, dass es ihre Kommunikation kaum behindert, wenn Facebook seine AGBs gegen rassistische Rede umsetzt und Grenzen aufzeigt. Allerdings spricht sie auch von der „Schere im Kopf“, die solche Sperrungen – es ist offenbar ihre zweite – bei ihr auslösen würden. Sie meint dies anklagend, weil sie die Sperre ungerechtfertigt findet. Andererseits bestätigt sie damit zumindest für ihren Fall die Erkenntnisse der amerikanischen Forscher.

 

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