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Kommerz mit faschistischen Symbolen

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Screenshot der Facebook-Seite von "Boy London" (Quelle: ngn)

Das Bild kommt einem bekannt vor: Ein aufrechter Adler steht auf einem Kreis, seine Flügel sind gespreizt, der Kopf blickt nach rechts. Es sind keine großen assoziativen Fähigkeiten nötig, um darin das Bild des Reichsadlers zu sehen. Doch während der Reichsadler auf einem Hakenkreuz thronte, sitzt dieser Vogel auf einem „O“, das Teil des Schriftzugs „Boy“ ist – „Boy London“ ist das Modelabel, welches sich als Logo diesen Adler ausgesucht hat.

Schaut man genauer hin, sieht man, dass das Logo eine Mischung als Reichsadler und NSDAP-Parteiadler ist: Während der Kopf des Reichsadlers nach links blickt, schaut der NSDAP-Adler nach rechts.

Logo von „Boy London“, Gegenüberstellung Reichsadler und NSDAP-PArteiadler (Quelle: Wikimedia Commons)

Bewusster Tabubruch oder Gedankenlosigkeit?

„Boy London“ wurde 1977 in London gegründet und bezeichnet sich selbst als „britische Kultmarke“, die „international erkannt und oft imitiert“ werde. Tatsächlich wird das Label oft als „Underground“-Marke bezeichnet, die nun allerdings ein Revival erlebt und auf zahlreichen Mode-Blogs gefeiert wird. Auch in Deutschland sollen die Klamotten nun Verbreitung finden. So berichtet der Blog „Bürgerinnen und Bürger gegen extreme Rechte“ darüber, dass der Düsseldorfer Fashionstore „Clubkid“ das Label nun im Angebot hat. Kritische Nachfragen blockt das Geschäft ab: Ein entsprechender Kommentar des Blogs auf ihrer Facebook-Seite wurde gelöscht. Am 21. Januar gab es dann doch eine Erklärung: “ Wir möchten uns hiermit ganz stark von den Gerüchten um Rechtsextremismus distanzieren, gleichzeitig aber auch klarstellen, dass wir nicht linksextrem sind.“

Wahrscheinlich ist nur wenigen Käuferinnen und Käufern der Klamotten bewusst, was für ein Symbol sie damit spaziertragen. Über die Motive der Labeldesigner von „Boy London“ oder der Shopbetreiber in Düsseldorf kann nur spekuliert werden: Entweder ist auch ihnen nicht klar, welche Vorlage ihr Logo bedient – oder das Spiel mit faschistischen Symbolen ist ein bewusster Tabubruch im Dienste des Kommerz.

In den Mainstream

Anders als das Hakenkreuz ist der Reichsadler nicht verboten – allerdings führten ihn die Nationalsozialismus im Wappen und verbanden ihn eben oft mit dem Hakenkreuz. Kein Wunder also, dass er noch heute ein beliebtes Symbol der rechtsextremen Szene ist. Und das beschreibt auch die Gefahr, die davon ausgeht, faschistische Symbole „ohne Hintergedanken“ bzw. in vermeintlich unpolitischen Kontexten zu nutzen. Denn so werden sie nach und nach akzeptierter Teil des Mainstreams – eine Gefahr, auf die etwa ein Artikel von „Indymedia“ hinweist.

Während über die Beweggründe bei „Boy London“ nur spekuliert werden kann, sieht die Sache bei „Fourth Time“ schon viel klarer aus. Die Brandenburger Marke wirbt auf ihrer Website mit dem Spruch „Die Welt ist im Wandel, das dunkle Zeitalter geht zu Ende. Erkenne und erscheine in neuem Gewand! … und es begann das Vierte Zeitalter!“ Ähnlich der bereits etablierten Marken „Thor Steinar“, „Erik & Sons“ und „Ansgar Aryan“ nutzt auch „Fourth Time“ Symbole der nordischen Mythologie bzw. Motive mit eindeutig zweideutigem Inhalt.

Ein Neonazi als Werbegesicht

Die Stoßrichtung von „Fourth Time“ ist klar, wie „blick nach rechts“ berichtet: „Mit einem T-Shirt mit der Aufschrift ‚Neuschwabenland‘ und so genannten ‚Reichsflugscheiben‘ als Motiv spielt die Marke bewusst auf die vor allem bei den selbst ernannten ‚Reichsbürgern‘ beliebte Verschwörungstheorie an, wonach sich einige Nazis nach dem Krieg in einem geheimen Stützpunkt in der Antarktis zurückgezogen hätten.“ Nur ein Beispiel für die textilen Botschaften, die das Label da verkauft. Noch konsequenter ist das Werbegesicht, mit dem sich „Fourth Time“ schmückt: Laut „blick nach rechts“ handele es sich dabei um den stadtbekannten Potsdamer Neonazi Gabor G., der von Szenekennern den „Freien Kräften Potsdam“ zugerechnet wird und regelmäßig an rechten Aufmärschen teilnimmt.

Screenshot der Website von „Fourth Time“ (Quelle: ngn)

Es kann nicht oft genug betont werden, wie wichtig rechtsextreme oder rechtsnahe Kleidungsmarken für die Szene sind und das gleich im doppelten Sinne: Zum einen haben die Klamotten die Funktion des Erkennungszeichens – viele von ihnen sind nur Insidern ein Begriff. Daneben stellen rechtsextreme Labels bzw. der Versand entsprechender Marken eine nicht zu verachtende Einnahmequelle für die Naziszene dar.

Hintergrund: Beliebte Marken

Zu den beliebtesten Labels gehört dabei „Thor Steinar“: Die Marke zieht schnell vor Gericht, wird sie als rechts bezeichnet. Tatsächlich scheint sie unter Neonazis an Popularität zu verlieren, je mehr sie auf die breite Masse zielt. Dennoch sind „Thor-Steinar“-Klamotten im Bundestag, dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und einigen Fußball-Stadien verboten. Andere Marken wenden sich offen an die rechte Szene und sind oft nur in einschlägigen (Online-) Shops zu finden, so etwa „Ansgar Aryan“, „Consdaple“ und „Masterrace Europe“. Wieder andere Labels werden von Rechtsextremen gerne getragen, obwohl sie sich klar von entsprechendem Gedankengut distanzieren. Dazu gehören zum Beispiel „Fred Perry“ oder „Ben Sherman“.

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„Nationale“ Marken sind Marken, die sich bewusst an die rechtsextreme Szene wenden; sie sind in der Regel nur in Neonazi-Geschäften oder -Versänden zu erwerben. Oft fließen Erlöse auch in die rechtsextreme Szene zurück. So sind „nationale“ Marken auch eine Finanzierungsmöglichkeit für die Neonazi-Szene.

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