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Rechtsextremismus in Polen

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?Was ich beschreibe, ist nur ein Teil der politischen Realität in Polen – aber ein gefährlicher!“, sagt Jacek Purski von der Initiative „Nigdy Wiecej“ (Nie Wieder). Bei einer Veranstaltung im Oktober in Berlin gab er einen Überblick über die Extreme Rechte im Nachbarland.

Die polnische Extreme Rechte lässt sich laut Purski in drei Gruppen unterteilen: „Neonazis“, „faschistische Gruppierungen“ und die „polnische Rechte“.

Polnische Neonazis: Im Internet und in den Fußballstadien aktiv

Die polnischen Neonazis haben sich Strukturen gegeben, die denen der deutschen Kameradschaften ähnlich sind, so der Experte. Aktiv sind sie vor allem in zwei Bereichen: In den Fußballstadien und im Internet. Aber auch Konzerte werden von ihnen organisiert. Hier ist vor allem das polnische „Blood and honour“-Netzwerk aktiv.

Die Aktivitäten der Neonazis im Internet konzentrieren sich neben der Verbreitung von rechtsextremer Propaganda auf die sogenannte „Anti-Antifa-Arbeit“: das Sammeln und Veröffentlichen von möglichst vielen Daten und Bildern vermeintlicher oder tatsächlicher politischer Gegner. „Dabei“, so Jacek Purski, kann allerdings „fast jeder, der nicht in das rechtsextreme Weltbild paßt“ in so einer Liste als „Feind der weißen Rasse geoutet“ und von den Neonazis bedroht werden. Was es heißt, in so einer Liste zu stehen, hat Purski selbst erfahren: Er bekam nächtliche Drohanrufe mit mehr als eindeutigem Inhalt.

In den Fußballstadien gelang es den Neonazis lange Zeit, die Fankurven vieler polnischer Fußballigen zu dominieren. Rechtsextreme Symbole und Spruchbänder waren dort fast ständig präsent. Vor allem in Hooligan-Gruppierungen wie der ?White Legion? oder den „Teddy Boys“ ? beide Anhänger des Vereins „Legia Warschau“ – sammelten sich die militanten Neonazis. Auf Gruppenbildern sind die „Teddy Boys“ beispielsweise mit dem Hitlergruß zu sehen. Laut Purski hat allerdings der Verein „Lechia Gdansk“ den größten Anteil an Neonazi-Hools. Aber auch im Umfeld der polnischen Nationalmannschaft sammeln sich rechtsextreme Skinheads und gewaltbereite Neonazis. Offen antirassistische bzw. antifaschistische Fußballfans wie in Deutschland beispielsweise bei St. Pauli oder Babelsberg gibt es laut Purski dagegen in Polen fast gar nicht.

Allerdings: Heute sind offen rechtsextreme Symbole zumindest aus den Stadien der ersten drei polnischen Ligen so gut wie verschwunden. Dazu beigetragen hat wohl auch eine von „Nie wieder!“ herausgegebene Broschüre, die über rechtsextreme Symbole aufklärt und von der Organisation an die Vereine und Stadienordner verteilt wurde. Denn: Viele Ordner, so Purski, hätten die rechtsextremen Symbole gar nicht erkannt. Dies sei aber die Grundvorraussetzung, um die Gesetze gegen diese Art von Aktivitäten anwenden zu können. Denn eigentlich sei die Gesetzeslage gegen rechtsextreme Umtriebe in Polen recht gut, so Purski. Die Gesetze würden nur zu wenig angewendet. In den unteren Ligen gibt es allerdings immer wieder rechtsextreme Vorfälle.

„Faschistische Gruppierungen“: stark antisemitisch und homophob

Die „faschistischen Gruppierungen“ knüpfen teilweise ideologisch an die polnische faschistische Bewegung vor dem Zweiten Weltkrieg an. Einige dieser Gruppierungen existieren bereits seit den 1920er Jahren. Andere gründeten sich neu. Bei den „faschistischen Organisationen“ sind ein aggressiver Antisemitismus und eine aggressive Homophobie stark ausgeprägt. Aktiv sind diese Gruppen vor allem durch Demonstrationen und bei der Herausgabe von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern.

Da einige Organisationen aber auch als Parteien zugelassen sind, ist für sie der Wahlkampf eines ihrer wichtigsten Betätigungsfelder. Zu den „faschistischen Organisationen“ gehören laut Purski die „Nationale Wiedergeburt Polen“ (NOP), die „Polnische Nationale Partei“ (PPN), die „Nationale Partei“ (SN) und das „Radikale Nationale Lager“ (ONR). Die „Nationale Wiedergeburt Polens“ (NOP) beispielsweise war von 1981 bis 1989 als illegale antikommunistische Organisation aktiv und agiert seit 1992 als Partei. Zu ihren Mitgliedern gehören rechtsextreme Skinheads ebenso wie Arbeiter und Studenten. Wie die neonazistischen Gruppierungen rekrutiert die NOP auch im Stadion einen Teil ihres Anhangs. Auch die Symbole dieser Partei sind deshalb in den Fanblocks zu sehen.

Die „Nationale Wiedergeburt Polens“ gilt als eine der gewalttätigsten rechtsextremen Gruppierung in Polen. In den Publikationen der NOP finden sich Texte von Holocaust-Leugnern wie David Irving sowie offen antisemitische und extrem ausländerfeindliche Beiträge. Die „Nationale Wiedergeburt Polen“ betreibt aber auch eine aggressive Kampagne gegen Homosexuelle, die sie als zugelassene Partei im Wahlkampf auch im Fernsehen verbreiten konnte. Außerdem ist die Partei nach wie vor stark antikommunistisch geprägt. Unter den Anhängern gibt es auch solche, die der traditionellen Richtung der katholischen Kirche anhängt, die die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils ablehnt. Organisiert ist die NOP in der „International Third Position“ und besitzt daher gute internationale Kontakte.

„Polnische Rechte?

Zu der dritten Gruppe zählt Purski die christlich-fundamentalistisch geprägten Partei „Liga der Polnischen Familien“ (LPR) und die „Allpolnische Jugend“. Die „Liga der polnischen Familien“ wurde 2001 als Sammelbecken von Gegnern des anstehenden EU-Beitritts Polens gegründet. Im September desselben Jahres erhielt die LPR knapp 8 % der Stimmen und 38 Mandate. Vier Jahre später konnte die Partei dieses Wahlergebnis wiederholen und ging eine Regierungskoalition mit den Parteien „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) und „Selbstverteidigung“ ein.

Bei den vorgezogenen polnischen Parlamentswahlen 2007 erhielt die LPR dann nur noch knapp über 1 % der Stimmen. Es kam zu internen Streitigkeiten und Abspaltungsprozessen. Neben religiös-fundamentalistischen und stark nationalistischen Tönen finden sich bei der ?Liga der polnischen Familien? auch radikal homophobe Aussagen. Daß die Schwulenfeindlichkeit der Partei dabei aber auch recht bizarre Züge annehmen kann, zeigt ein Beispiel: So wollte eine Ministerin der „Liga“ von psychologischen Beratern überprüfen lassen, ob die Figur „Tinky Winky“ der Kinder-Serie „Teletubbies“ homosexuell sei und die Sendung damit den Tatbestand der „homosexuellen Propaganda“ erfülle. Die Ministerin zur Begründung ihres Verdachts: „Ich habe bemerkt, dass Tinky Winky eine Handtasche trägt, aber mir war nicht bewusst, dass er ein Junge ist“.

Neben der radikalen Ablehnung von Homosexuellen ist auch die Ablehnung des EU-Beitritts Polens ein wichtiges Element des Programms der „Liga der Polnischen Familien“. Daß zumindest einige Mitglieder der „Liga“, die mit der Regierungsbeteiligung der LPR auf wichtige Posten gelangten, eine rechtsextreme Vergangenheit haben, zeigen einige Dokumente, die während der Regierungszeit an die polnische Öffentlichkeit gelangten. So zeigen veröffentlichte Bilder den Minister für Meereswirtschaft in seinen Jugendjahren inmitten tobender Fußball-Hooligans aus der rechtsextremen Skinhead-Szene.

Bis 2007 war die „Allpolnische Jugend“ (MW) organisatorisch und personell aufs Engste mit der „Liga der Polnischen Familien“ verbunden. Ihre Mitglieder stammen laut Purski teilweise aus der rechtsextremen Skinheadszene. Wie die „Liga der Polnischen Familien“ ist auch die „Allpolnische Jugend“ nicht nur religiös-fundamentalistisch und homophob eingestellt, sondern auch stark anti-europäisch ausgerichtet – verbunden mit einer ausgeprägten anti-deutschen Stoßrichtung. Mittlerweile distanziert sich die „Liga der polnischen Familien“ von der rechtsextremen Vergangenheit einiger ihrer Mitglieder und von der „Allpolnischen Jugend“.

Im Internet:

| Website der Organisation ?Nie wieder!? (teilweise in deutsch):
| www.nigdywiecej.org

| Interview mit Jacek Purski

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