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Was tun, wenn die Kollegin einen Hass-Kommentar auf Facebook schreibt?

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Wenn Arbeitnehmer_innen rassistisches oder demokratiefeindliches auf ihrem Facebook-Profil posten und der Arbeitgeber genannt ist, wird eine private Aktivität zur beruflichen Rufschädigung. (Quelle: pexels.com)

 

 

Die Frage ist nun also: Was tun, wenn menschenverachtende Äußerungen auf den privaten Profilen der Kolleginnen bei Facebook, Twitter etc. auftauchen?

 

Der Umgang mit rechtsextremen, rassistischen, sexistischen und menschenverachtenden Kommentaren am Arbeitsplatz selbst ist schwierig und sensibel. Es fällt schwer, gegen Kolleg_innen vorzugehen. Zusätzlich kann Furcht um den eigenen Job dazukommen, wenn Arbeitgeber_innen das Recht auf Neutralität und freie Meinungsäußerung betonen. Dazu zitiert das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus Hamburg den Politikwissenschaftler Roland Roth:

 

„Politische Neutralität, die im betrieblichen Alltag und in Betriebsverfassungen ein hohes Gut darstellt, kann gegenüber Rechtsextremismus nicht gelten. Denn hier geht es nicht um eine beliebige politische Meinung, sondern um Einstellungen und Verhaltensweisen, die das friedliche Zusammenleben und -arbeiten gefährden.“ (Rechtsextremen nicht auf den Leim gehen. Ein Ratgeber für den betrieblichen Alltag, pdf)

 

Äußern sich Mitarbeiter_innen in menschenfeindlicher Weise gegenüber ihren Kolleg_innen, verstoßen sie nicht nur gegen menschlichen Anstand, sondern auch gegen arbeitsvertragliche Pflichten. 

„Die Basis dazu bilden zunächst Grundgesetz, Strafgesetzbuch und das Bürgerliche Gesetzbuch, wenn zum Beispiel Beleidigungen oder gewaltsame Übergriffe im Spiel sind. Aber auch in der Arbeitswelt gibt es im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – auch Antidiskriminierungsgesetz genannt – und dem Betriebsverfassungsgesetz Paragraphen, die vor Benachteiligungen schützen. Darüber hinaus ist es möglich, freiwillige Betriebsvereinbarungen zu schließen, die dann für alle Beschäftigten und den Arbeitgeber in einem Unternehmen gelten.“ (Aufdecken – Rechtsextreme Gefährdung am Arbeitsplatz, pdf zum Download)

 

Mit dem Schritt aus der Tür des Betriebes hört die Gültigkeit für betriebliche und arbeitsrechtliche Vereinbarungen auf. Was die Angestellten in ihrer Freizeit tun, hat die Arbeitgeber erstmal nicht zu interessieren. Wo hier die Grenzen des Privaten aufhören und die arbeitsrechtlichen Handlungsspielräume anfangen verdeutlicht der Rechtsanwalt Dieter Magsam am Beispiel: 

“Die bloße Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Organisation oder Partei stellt für sich keinen Kündigungsgrund dar. Das wurde vor dem Arbeitsgericht zuletzt immer wieder so entschieden. Wenn der- oder diejenige allerdings rechtes Propagandamaterial auslegt, zu einer Demonstration aufruft, oder Parolen an Wände schreibt, gibt es sehr wohl Gründe für eine Abmahnung oder für eine fristlose Kündigung, denn dann ist der Betriebsfrieden gestört. Man sollte also genau schauen, wie sich so jemand verhält. Das gilt im Übrigen in der Privatwirtschaft, genau wie im öffentlichen Dienst. Nur bei BeamtInnen wird eine klare Distanzierung zu verfassungsfeindlichen Organisationen vorausgesetzt.“ (Aufdecken – Rechtsextreme Gefährdung am Arbeitsplatz, pdf zum Download)

Grundsätzlich zählen Social Media Aktivitäten in den Bereich Freizeitgestaltung und berechtigen den oder die Chef_in erstmal nicht dazu, auch arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten. (Eine allgemeine Hilfestellung zum Handeln gegen Rechtsextremismus im Internet gibt es hier .)

 

Ist Social Media grundsätzlich Freizeit? 

 

Dass Arbeitgeber_innen aber auch menschenverachtende Posts und Likes auf privaten Profilen nicht völlig tolerieren müssen, zeigt beispielsweise das Urteil über die Kündigungsschutzklage eines Angestellten in Gelsenkirchen. Diesem wurde wegen rassistischer Posts und dem Aufruf zur Gewalt auf seinem frei zugänglichen Facebook-Profil durch den Arbeitgeber gekündigt. Die daraufhin gestellte Kündigungsschutzklage wurde insbesondere wegen der öffentlich zugängliche Angabe zum Arbeitgeber abgewiesen und sei aufgrund des stark diffamierenden Charakters auch nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung zu rechtfertigen.  (vgl. ArbG Gelsenkirchen, 24.11.2015 – 5 Ca 1444/15)

Das Urteil zeigt: mit dem Bezug zum Arbeitsplatz auf dem persönlichen Profil, endet die rein private Äußerung und damit die scharfe Trennung von Arbeits- und Privatleben. Zusätzlich dazu sieht die Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche Bezüge auch unter Gesichtspunkten, in denen „…der Arbeitnehmer repräsentative Aufgaben wahrnimmt, oder als Vorgesetzter Führungsverantwortung hat, oder im Bereich der Meinungsbildung tätig ist, z.B. als Journalist oder Gewerkschaftssekretär, oder für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen verantwortlich ist, z.B. als Lehrer oder Horterzieher. Betätigen sich solche Arbeitnehmer als „Freizeit-Nazis“, besteht ein Bezug zum Arbeitsverhältnis, weil ihre extremistischen Haltungen die Arbeit und/oder den Betriebsfrieden stören und/oder weil sie das öffentliche Ansehen ihres Arbeitgebers beschädigen.“ (Kanzlei Hensche)

 

Erste Schritte

 

Wenn Kolleg_innen rassistische Sprüche, Diskriminierungen oder Rechtsextremes posten, ist es hoffentlich nicht gleich ein strafrechtlich relevanter Inhalt. Insofern ist der erste vernünftige Schritt ein Gespräch. Sollte mehr nötig sein, kommen Workshops im Betrieb in Frage, aber auch übergreifender allgemeine Betriebsvereinbarungen oder fest vereinbarte Social Media Guidelines, die Beleidigung und Diskriminierung mit Bezug auf Nationalität, Geschlecht, Sexualität oder Religion verbieten.

Insbesondere Richtlinien für soziale Netzwerke eignen sich dabei für eine klare Reaktion. Klassisch verstanden richtet sich eine Social Media Policy an alle Mitarbeiter_innen und Äußerungen im Namen des Unternehmens und während der Arbeitszeit. Zulässige und unzulässige Inhalte und nicht geduldetes Verhalten im Social Web können dabei konkret und individuell benannt werden. Dies kann nicht nur helfen, klare Handlungsrahmen und Konsequenzen festzusetzen, sondern auch im Bedarfsfall Grundlage für ein schnelleres und deutlicheres Handeln zu bilden. Eine Orientierungshilfe für das Erstellen hat der Bundesverband für Digitale Wirtschaft als PDF herausgegeben Leitfaden Social Media Guidelines Bundesverband für Digitale Wirtschaft

 

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