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„Wer weiterliest, wird erschossen …“ Die Bücherverbrennung vor 80 Jahren

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Bücherverbrennung auf dem Opernplatz in Berlin (Quelle: Bundesarchiv)

Am 10. Mai 1933 loderten in 30 deutschen Städten die Scheiterhaufen: Begleitet von Applaus und Jubelrufen fielen die Werke von Autoren wie Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Bertolt Brecht oder Franz Kafka den Flammen zum Opfer. Die Bücherverbrennungen vom 10. Mai 1933 waren der Höhepunkt einer sorgfältig geplanten Kampagne „Wider den undeutschen Geist“, vorbereitet von der Deutschen Studentenschaft.

Dass in der deutschen „Kulturnation“ an diesem Tag abertausende Bücher verbrannt wurden, rief damals nicht etwa Erschrecken und Bestürzung hervor: Große Teile des deutschen Bürgertums sahen in der Aktion einen „studentischen Bierulk“, auch im Ausland wurde amüsiert auf diesen „Ausdruck studentischen Übereifers“ reagiert. Und das, obwohl die Kampagne dramatische Konsequenzen für die verfemten Autoren hatten: Einige gingen ins Exil, andere wurden verhaftet und ermordet.

So mancher mag angesichts der Fülle von Gedenktagen und Mahnmalen meinen, dass der Bücherverbrennungen nicht unbedingt „auch noch“ gedacht werden muss: Warum an ein paar verbrannte Bücher erinnern, wenn ihnen Millionen ermordete Menschen folgten? Doch Gedenken können nicht gegeneinander abgewogen oder gar zusammengefasst werden: Der Holocaust hatte viele grausame Facetten – Zwangsarbeit, Vernichtungslager, Judenverfolgung – und die Bücherverbrennungen waren eine Vorstufe dazu. Schon 1821 schrieb Heinrich Heine in seiner Tragödie „Almansor“: „Das war nur ein Vorspiel. Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“.“ Er sollte auf unfassbare Weise Recht behalten.

Die  Bücherverbrennungen zeigen uns die möglichen Konsequenzen des Verharmlosens, Wegschauens und Ignorierens. Wie schon erwähnt sah der Großteil des Bürgertums einen „studentischen Bierulk“ in den brennenden Scheiterhaufen – eine bittere Verkennung der Lage, die uns mahnt, heute wachsamer zu sein.

Einen wachsamen Blick auf die Bücherverbrennungen, ihre Voraussetzungen, Wirkungen und Folgen, wirft die Ausstellung „Wer weiterliest, wird erschossen …“ Sie ist im Foyer der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin, direkt am Bebelplatz zu sehen – also jenem Ort, an dem am 10. Mai 1933 eine der zentralen Bücherverbrennungen stattfand. So wird gleich auf doppelte Weise ein Zirkelschluss gezogen: Nicht nur durch den Ort der Ausstellung, sondern auch dadurch, dass sie von der Humboldt Initiative und der Historischen Kommission der Verfassten Studierendenschaft in Berlin organisiert wurde.

Auf großen Schautafeln wird deutlich gemacht, wie sich die Studierenden und Universitäten in jener Zeit selbst gleichschalteten und aktiv darin mitwirkten, die Machtkonsolidierung der Nationalsozialisten öffentlichkeitswirksam zu inszenieren. Doch die Bücherverbrennungen waren mehr als ein symbolischer Akt: Sie drückten den „Memorizid“ aus, den breit angelegten Eifer der Nationalsozialisten und ihres Anhangs zur systematischen Tilgung des Andenkens, der Versuch einer Beseitigung des Gedächtnisses zur zu Unpersonen erklärten Menschen und ihrer Ideen.

„Die Ausstellung ist eine Form des Gedenkens“, betonte Reinhard Singer, Dekan der Juristischen Fakultät anlässlich der Eröffnung. „Sie zeigt nicht zuletzt die Perversion des Rechts, ein entsetzliches Verbrechen, an dem sich auch Berliner Universitäten beteiligten.“ Bei der Betrachtung mische sich Scham mit Entsetzen – „über das Versagen des politischen Systems, der Großeltern- und Eltern-Generation und nicht zuletzt des Rechts“.

Text: Alice Lanzke

Video: Dennis Wellmann

Mehr bei netz-gegen-nazis.de:

„Verbrannte Orte“: Ein Fotoprojekt zu Bücherverbrennungen von 1933

Weitere Informationen im Netz:

Bücherverbrennung 1933: Konkrete Vernichtungsdrohung (Publikative.org)“Wer weiterliest, wird erschossen …“ (Website zur Ausstellung)Der Vergessene: Bücherverbrennung vor 80 Jahren (taz)Erich Kästner und die Bücherverbrennung: „Es war widerlich“ (Spiegel Online)

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