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05.10.2012 … Presseschau

Nach den Rechten sehen: Helmut Roewers Buch: Von Selbstkritik keine Spur +++ Nazi-Demo darf stattfinden: Göppingen vor dem Ausnahmezustand +++ NPD-Demo gegen „Refugee Protest March“: Potsdam ruft zur Solidarität mit Flüchtlingen auf.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Helmut Roewers Buch: Von Selbstkritik keine Spur

Er war mal Chef des Thüringer Verfassungsschutzes und machte dann im Zuge der NSU-Ermittlungen mit zum Teil bizarren Auftritten vor diversen Untersuchungsausschüssen von sich reden: Helmut Roewer. Nun hat der Ex-Verfassungsschützer sein neues Buch vorgestellt, in „Nur für den Dienstgebrauch – als Verfassungsschutz-Chef im Osten Deutschlands“ geht es um die Zeit zwischen 1994 und 2000. Zusammengefasst schreibt er: Die Anfänge damals waren schwierig, überall Intrigen, Unfähigkeit und Korruption. Mit einer Ausnahme: Er selbst hatte natürlich alles im Griff. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Buches offenbarte Roewer dann auch gleich tiefe Einblicke in seine strategische Kompetenz: Natürlich habe er herausfinden wollen, wo das NSU-Trio stecke, das untergetaucht war. Weil nämlich diejenigen, die „einen so wichtigen Schritt in ihrem Leben machen, nämlich in den Untergrund abzutauchen, als gefährlich einzuschätzen sind“, so Roewer. Weiter machte er indirekt die Eltern des Trios indirekt mit für die Mordserie verantwortlich. Von Selbstkritik in der Rückschau auf seine Amtsführung keine Spur. Hinzu kommt: Für seine Publikation hat sich Roewer ausgerechnet den österreichischen Ares-Verlag ausgesucht, der als Plattform für Rechtsextreme, Antisemiten und krude Geschichtsrevisionisten gilt. Entsprechend bilanziert die Süddeutsche Zeitung nach der Pressekonferenz: „Vielleicht war nicht sein Umgang mit dem Zwickauer Trio skandalös. Vielleicht ist einfach nur der ganze Mann Roewer ein einziger großer Skandal.“ (Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online, Berliner Zeitung, Tagesspiegel, Sächsische Zeitung)

Nazi-Demo darf stattfinden: Göppingen vor dem Ausnahmezustand

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat entschieden: Die Demonstration der „Autonomen Nationalisten Göppingen“ morgen in Göppingen darf stattfinden. (Stuttgarter Zeitung) Zu dem Aufmarsch unter dem Motto „Ausbeutung stoppen – Kapitalismus zerschlagen“ werden rund 400 Rechtsextremisten aus ganz Deutschland erwartet. Mehere demokratische Bündnisse haben Gegendemonstrationen angekündigt. Die Stadt hatte den Aufmarsch ursprünglich verboten, die Entscheidung wurde vom Verwaltungsgericht Stuttgart bestätigt. Der Anmelder der Demo legte daraufhin beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde ein, der nun die Entscheidung aus Stuttgart für rechtswidrig erklärte. Immer wieder haben Rechtsextreme dieses Jahr in kleineren Aufmärschen in der baden-württembergischen Stadt demonstriert. Trotz wachsenden Protests – so gründete sich nach dem ersten Aufmarsch im Frühjahr das Bündnis „Kreis Göppingen nazifrei“ – haben die Nazis anscheinend Gefallen an Göppingen gefunden. Sie störten die Gründungsversammlung des Bündnisses, bedrohten einen Stadtrat der Linken mit dem Tod und lieferten sich mit ihm eine nächtliche Verfolgungsjagd. (Südwest Presse)

NPD-Demo gegen „Refugee Protest March“: Potsdam ruft zur Solidarität mit Flüchtlingen auf

Die Stadt Potsdam ruft zur Solidarität mit den Flüchtlingen auf, die mit einem Marsch von Bayern nach Berlin gegen die Residenzpflicht protestieren und dabei heute in der brandenburgischen Landeshauptstadt ankommen. Unterdessen bereitet sich die Polizei auf die angekündigte NPD-Gegendemonstration vor. „Wir wollen keine Ewiggestrigen in unserer Stadt“, sagte der SPD-Fraktions- und Parteivorsitzende Mike Schubert mit Blick auf die NPD, „und wir lassen es nicht zu, dass sie sich auf Kosten von Flüchtlingen politisch zu profilieren versuchen.“ Schon vor drei Wochen hatten rund 3.000 Potsdamer*innen gegen einen Aufmarsch von rund 80 Nazis demonstriert. Für die heutige Kundgebung der rechtsextremen Partei sind 20 Teilnehmer*innen angemeldet. (Potsdamer Neueste Nachrichten) Dazu erklärte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD): „Wir werden am Freitag wieder deutlich machen, dass Neonazis in unseren Städten und Gemeinden nicht erwünscht sind. Die Landeshauptstadt wird versuchen, den braunen Spuk auch dieses Mal wieder aus Potsdam zu vertreiben.“ (Märkische Allgemeine)

Heidelberg: Deutliches Signal gegen Rechtsextreme

Tausende Gegendemonstranten*innen haben in Heidelberg einen Aufmarsch der rechtsextremen NPD verhindert. Die NPD wollte am Mittwoch zum Tag der Deutschen Einheit mit rund 100 Teilnehmern*innen durch die Innenstadt ziehen. Nach Angaben der Stadt standen ihnen jedoch bereits zum Start ihrer Route am Hauptbahnhof rund 2.000 Gegendemonstranten*innen gegenüber, so dass sie ihren Weg stundenlang nicht fortsetzen konnten. Den Angaben zufolge löste die NPD die Demonstration dann auf – ohne wie geplant zum Bismarckplatz zu marschieren oder eine einzige Rede zu halten. Ein breites Bündnis (Gewerkschaften, Kirchen, SPD, Grüne, Linke, Piraten) hatte zum Protest aufgerufen. Als das kleine Häufchen NPD-Demonstranten*innen – die Polizei zählte 76 – die Stadt verließ, zeigte sich Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) erleichtert. „Liebe Heidelberger, wir haben es geschafft!“ rief er den jubelnden Gegendemonstranten*innen zu. (Rhein-Neckar-Zeitung, SWR Online) Ganz geschlagen geben wollten sich die Rechtsextremen allerdings nicht: Etwa 70 fuhren daraufhin nach Ludwigshafen und protestierten dort gegen Repressalien in beiden Städten, wie eine Polizeisprecherin berichtete. (Stuttgarter Zeitung)

Der rechte Rand: Die CDU und der Rechtsextremismus

Für kaum eine andere Partei ist das, was dieser Tage über den Zustand der Sicherheitsbehörden und den Rechtsextremismus zutage tritt, so irritierend wie für die Union. Das liegt auch daran, dass CDU und CSU noch keine eigene Sprache für den neuen Rechtsextremismus gefunden haben. Die Ermittlungen im Zuge der NSU-Mordserie zwingen die Union nun, sich zu entscheiden: Soll sie Rechtsextreme weiterhin als Konkurrenten sehen – oder endlich als Kriminelle? (Die Zeit)

Stadt Dortmund darf Namen von Nazis veröffentlichen

Die Stadt Dortmund darf in ihrer Informationsbroschüre „Rechtsextreme Strukturen in Dortmund“ die führenden Mitglieder der rechtsextremen Szene in Dortmund namentlich nennen. Dies entschied das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen – und lehnte damit die Beschwerde eines Betroffenen ab. Er hatte sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt gefühlt. Das Gericht argumentierte, dies sei zwar tatsächlich ein Eingriff ins Persönlichkeitsrecht der Betroffenen – die Stadt bewege sich aber im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben. (Der Westen)

Homophobe Hetze gegen Dirk Bach: Entsetzen über „kreuz.net“

Hetze der übelsten Sorte: Auf der Internetseite „kreuz.net“, die von Verfassungsschützern beobachtet wird, beschimpfen christliche Fundamentalisten*innen den kürzlich verstorbenen Entertainer Dirk Bach – wegen seiner Homosexualität. Die Hass-Seiten haben nicht nur Empörung im Netz hervorgerufen. Auch die Deutsche Bischofskonferenz distanzierte sich von dem Portal: „Der Begriff ‚katholisch‘ wird hier missbraucht und beschädigt die katholische Kirche.“ Unterdessen schlossen sich entsetzte Menschen auf openpetition.de zu einer Protestaktion gegen kreuz.net zusammen. Auf Facebook wurde von mehreren Usern*innen berichtet, sie hätten Strafanzeige gegen das Portal gestellt. Ob eine Anzeige Erfolg haben wird ist allerdings fraglich: Die Adresse des Herausgebers wird in den USA angegeben, die Website ist auf eine Adresse in Panama registriert und wird, darauf deutet zumindest die IP-Adresse hin, technisch von Rumänien aus betrieben. (Focus Online, Augsburger Allgemeine)

Nazis nutzen Android-Apps für Propaganda

Hakenkreuze als App-Logo, Ballerspiele mit Nazi-Zombies und Hitlers „Mein Kampf“: Auch in Deutschland sind viele Apps mit verfassungsfeindlichem Inhalt teils kostenlos und unkompliziert für Android-Handys verfügbar. Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz beobachten die Entwicklung kritisch und warnen, dass die Selbstregulierung der Anbieter häufig nicht ausreiche. Denn vieles wird von Googles automatischer Überprüfung der Apps nicht erkannt. Anders als beim Shop von Amazon oder dem App-Store von Apple werden Apps bei Google Play aus Zeitgründen nicht einzeln geprüft. Schon seit längerem nutzen Rechtsextreme Smartphone-Apps als Propagandamittel. Beliebt sind dabei QR-Codes, die von Handy-Kameras eingelesen werden. Derzeit verbreitet eine rechte Website Sticker mit solchen Codes, auf denen lediglich „Du kannst es ändern“ oder „Brechen wir das Schweigen steht“. Neugierige Nutzer*innen werden dann auf eine Seite geleitet, die gegen die Demokratie hetzt und vor „Volkstod“ und „Fremden“ warnt. (Tagesspiegel)

Buchvorstellung: Viel Lärm um Buschkowsky

Am Donnerstagabend stellte Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) in der Schöneberger Urania in Berlin sein Buch „Neukölln ist überall“ vor. Das Werk über eine in seinen Augen verfehlte Integrationspolitik und wachsende Dominanz undemokratischer Kulturen im Bezirk ist höchst umstritten. Bei der ausverkauften Veranstaltung gab es auch eine Gegendemonstration. (Berliner Zeitung)

Tagung zum 25-jährigen Bestehen des Forschungsschwerpunktes Rechtsextremismus/Neonazismus an der FH Düsseldorf

In diesem Jahr existiert der auf Initiative von Professor Christiane Rajewsky 1987 gegründete Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/ Neonazismus der FH Düsseldorf (FORENA) seit 25 Jahren. Doch anstatt zu feiern, haben die Wissenschaftler*innen ein umfangreiches Tagungsprogramm auf die Beine gestellt. Dabei geht es vor allem um die gesellschaftlichen Ursachen des Rechtsextremismus. Außerdem wird erstmals der Forena-Nachwuchspreis an junge Wissenschaftler*innen verliegen. (Endstation Rechts, mehr zur Tagung hier) Im Interview zieht unterdes Professor Fabian Virchow zieht im WDR.de-Interview Bilanz über die Arbeit der Einrichtung. Er sagt: „Wir haben häufig als Erste neue Aspekte des Rechtsextremismus aufgegriffen.“ (WDR-Online)

Dessauer Netzwerk ruft zum Protest gegen Rechts auf

Mit einem „Demokratischen Spaziergang“ reagiert das Dessauer Netzwerk „Gelebte Demokratie“ auf einen für den 13. Oktober in der Stadt geplanten Nazi-Aufmarsch. Unter dem Motto „Bunt statt Braun“ soll den Rechtsextremen deutlich gemacht werden, dass sie in Dessau unerwünscht sind. Das Netzwerk schätzt, dass etwa 150 Nazis anreisen werden. Anmelder der rechtsextremen Demo ist Alexander Weinert von der Kameradschaft Anhalt-Bitterfeld. „Diesen Nazi-Aufmarsch können wir nicht widerspruchslos hinnehmen. Ich wünsche mir, dass am 13. Oktober viele Dessau-Roßlauer Flagge zeigen“, sagte Oberbürgermeister Klemens Koschig (parteilos) am Donnerstag und appelliert: „Angst zu schüren, dürfen wir nicht dulden.“ (Mitteldeutsche Zeitung)

Grüner Landtagsabgeordneter fordert Offensive gegen Rechtsextreme

Sepp Dürr, Landtagsabgeordneter der Grünen in Bayern, hat mit Blick auf die NSU-Mordserie zwölf Anträge im bayerischen Landtag eingebracht. Rechtsextremem Gedankengut solle jeder Nährboden entzogen werden. „Auch Mörder wie die Mitglieder der NSU haben klein angefangen“, erklärte Dürr. Deshalb müssten Staat, Politik und Gesellschaft selbst vermeintliche Bagatelldelikte konsequent und entschlossen verfolgen. Konkret fordert Dürr, die Staatsregierung solle ein ressortübergreifendes Konzept zur Demokratieförderung erarbeiten. Bürger*innen müssten in ihrem Kampf gegen Rechts stärker unterstützt werden. Initiativen und Einrichtungen seien „chronisch unterfinanziert“. Mehr Geld müsse auch in die Arbeit der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus fließen. Außerdem solle ein Leitfaden für Städte entwickelt werden, die den Zuzug Rechtsextremer verhindern wollen. (Mittelbayerische Zeitung)

Burschenschaften und das Problem mit den Nazis

Dass in manchen Burschenschaften einige Mitglieder klar und öffentlich rechtsnationalistisch portioniert sind, ist nicht neu. Die Versuche der liberalen Mitglieder, dagegen anzugehen, wurden torpediert. Das geht so weit, dass beispielsweise in Eisenach die Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Linke) über ein Ende des traditionellen Burschentages in ihrer Stadt nachdenkt. (Deutschlandfunk)

Sitz-Protest gegen Nazis kostet Landtags-Abgeordneten die Immunität

Gemeinsam mit anderen Politikern*innen und Nazi-Gegnern*innen hatte der Mittweidaer Linke-Landtagsabgeordnete Falk Neubert am 19. Februar 2011 in Dresden gegen den inzwischen jährlich stattfindenden Nazi-Aufmarsch mit einer Sitzblockade demonstriert. Nun hat der sächsische Landtag mit 13 Ja- und 5 Nein-Stimmen die Immunität Neuberts aufgehoben und so den Weg für Ermittlungen der Staatsanwaltschaft frei gemacht. Der 38-Jährige muss sich wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz verantworten, da der Aufmarsch der Rechtsextremen in der sächsischen Landeshauptstadt von den Behörden genehmigt worden war. Neubert will nun vor Gericht und mit aller Entschlossenheit gegen die „Kriminalisierung von Anti-Nazi-Protesten“ kämpfen. (Freie Presse)

Erneut Strafbefehl gegen Holocaust-Leugner Williamson

Das Amtsgericht Regensburg hat erneut einen Strafbefehl wegen Volksverhetzung gegen den Holocaust-Leugner und erzkonservativen Bischof Richard Williamson erlassen. Das Gericht urteilte, der Bischof der ebenfalls ultrakonservativen Piusbruderschaft habe den Mord an Juden während der Nazi-Diktatur verharmlost. Williamsons Anwalt kündigte Widerspruch an. In einem Interview mit einem schwedischen Fernsehsender hatte der heute 72-jährige Williamson 2008 im Priesterseminar der Bruderschaft in Zaitzkofen bei Regensburg den Mord an sechs Millionen Juden durch die Nazis und die Existenz von Gaskammern bestritten. Wörtlich sagte er damals aus dem Englischen übersetzt: „Ich glaube, dass die historischen Beweise gewaltig dagegen sprechen, dass sechs Millionen Juden vorsätzlich in Gaskammern vergast wurden als vorsätzliche Strategie Adolf Hitlers. (…) Ich glaube, es gab keine Gaskammern.“ (Spiegel Online)

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