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09.10.2012 … Presseschau

Nach den Rechten sehen: Dortmunder und Aachener Kameradschaften klagen gegen Verbot – Razzia im August legte Waffenhort offen +++ Nach Nazi-Demo in Göppingen: Behörden weisen Kritik zurück +++ Zossen: Staatsschutz ermittelt nach Anschlag.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Dortmunder und Aachener Kameradschaften klagen gegen Verbot – Razzia im August legte Waffenhort offen

Die beiden rechtsextremen Kameradschaften „Nationaler Widerstand Dortmund“ und die „Kameradschaft Aachener Land“ gehen vor Gericht gegen ihre Auflösung vor. Sie klagen gegen die Vereinsverbote, teilte das Oberverwaltungsgericht Münster am Montag mit. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte die beiden Vereinigungen sowie die „Kameradschaft Hamm“ Ende August verboten. Mehrere hundert Polizisten*innen hatten damals die Vereinsräume sowie Wohnungen von Mitgliedern durchsucht und dabei unter anderem dutzende Waffen entdeckt. Wie nun bekannt wurde, fanden die Ermittler damals 147 Waffen, darunter 30 verbotene Gegenstände wie Totschläger, Springmesser und Schlagringe. Eine weitere erschreckende Zahl: In NRW führen 99 Nazis ganz legal Schusswaffen, da sie eine waffenrechtliche Erlaubnis besitzen. Allein die Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Kameradschaft reiche nach bislang gültiger Rechtslage nicht aus, um die waffenrechtliche Genehmigung zu entziehen. Im Falle der klagenden Kameradschaften teilte das Gericht in Münster mit, dass auch Einzelpersonen gegen ihre Einbeziehung in das Verbot geklagt. Sie hätten im Wesentlichen geltend gemacht, nicht Mitglied der entsprechenden Kameradschaft zu sein. Wann über die Klagen entschieden wird, ist den Angaben zufolge noch nicht absehbar. (Welt Online, Aachener Nachrichten, Der Westen, Kölner Stadtanzeiger)

Nach Nazi-Demo in Göppingen: Behörden weisen Kritik zurück

Nach dem Nazi-Aufmarsch am Samstag in Göppingen haben Stadt und Polizei Kritik zurückgewiesen. Filmaufnahmen eines Polizeiteams, die der Göppinger Polizeichef Martin Feigl am Montag präsentierte, zeigten, dass gewaltbereite Linksautonome immer wieder Polizeibeamte*innen attackiert hätten. „Es war ein extremes Gewaltpotenzial vorhanden“, erklärte Feigl. Die Ausschreitungen hatten den mehrheitlich friedlichen Anti-Nazi-Protest überschattet. Nach der Demo war Kritik am Polizeieinsatz und dem Verhalten der Stadt laut  geworden. (Südwest Presse, blick nach rechts) Unterdessen widersprach Göppingens Oberbürgermeister Guido Till (parteilos) der Darstellung, die Stadt habe sich nicht an der Kundgebung des Aktionsbündnisses „Kreis Göppingen Nazifrei“ beteiligen wollen. Noch vor der Sommerpause, so Till, habe die Stadtverwaltung dem Bündnis eine gemeinsame Protestveranstaltung vorgeschlagen. Dies sei vom Bündnis erst begrüßt, dann aber abgelehnt worden. (Südwest Presse) Im Zuge der Aufarbeitung der Ereignisse vom Samstag sprach sich Till für ein NPD-Verbot aus: Gebe die große Politik hier nicht endlich ihre zögerliche Haltung auf, werde man auch in Zukunft gezwungen sein, Naziaufmärsche wie den vom Wochenende dulden zu müssen. Außerdem übte der Oberbürgermeister Kritik an den Richtern des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim (VGH), die das städtische Verbot der Demonstration im Vorfeldaufgehoben hatten. „Wir haben eine konkrete Gefahr für die Sicherheit gesehen“, führte die Erste Beigeordnete Gabriele Zull aus. Das habe sich bei der Demo bestätigt. (Stuttgarter Zeitung)

Zossen: Staatsschutz ermittelt nach Anschlag

Der Anschlag auf Jörg Wanke, Sprecher der Initiative „Zossen zeigt Gesicht“, entspricht dem Muster von Attacken auf SPD-Politiker*innen und Neonazi-Gegner*innen in den Berliner Stadtteilen Treptow und Neukölln. Zugleich wurden weitere Taten mit rechtsextremem Hintergrund bekannt. So wurde das Mahnmal für die Opfer des Faschismus im Zossener Stadtpark mit Hakenkreuzen beschmiert, als Schriftzug hinterließen die Täter*innen die Internetadresse der rechtsextremen Seite „NW Berlin“. Auf der Seite führen Nazis eine Feindesliste mit Namen von Politikern*innen, Antifa-Aktivisten*innen und linken Einrichtungen, aber auch Journalisten*innen. Neben weiteren Hakenkreuzschmierereien entdeckten Passanten*innen zwei mit schwarzer Farbe übermalte Stolpersteine, darunter den drei Meter breiten Schriftzug „Schweine“. Im Fall des Anschlags auf Wanke geht die Polizei im Landkreis Teltow-Fläming zwar bislang nur von Sachbeschädigung aus. Vorsorglich hat aber der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen. (Tagesspiegel, Störungsmelder, Welt Online, Endstation Rechts)

NSU-Untersuchungsausschüsse: Bund distanziert sich von Thüringer Aktenpraxis

Das Bundesinnenministerium hat sich von der Thüringer Praxis distanziert, Geheimdienstakten ungeschwärzt an die NSU-Untersuchungsausschüsse zu geben. Wie ein Sprecher erklärte, werfe die Auslieferung an den Untersuchungsausschuss des Bundestages aus Sicht des Ministeriums Fragen auf. Es gebe aus guten Gründen Regeln für eine solche Datenweitergabe. (MDR Online) Unterdessen verteidigte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) die Weitergabe: „Wer nicht aufklärt, fliegt auf“, sagte sie auf ihrem Flug zu einem Russland-Besuch. Es dürfe keinen „parlamentarisch kontrollfreien Raum“ geben. Auch die Abgeordneten in den Gremien unterlägen der Geheimhaltungspflicht. Maßstab für Thüringen seien für Lieberknecht die Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die bei der Trauerfeier für die NSU-Opfer lückenlose Aufklärung versprochen hatte. „Diesen Auftrag haben wir im Interesse der Opfer zu erfüllen, schonungslos und lückenlos, unabhängig von Personen oder Instituten.“ (ZEIT Online)

Sachsen: Ministerpräsident Tillich will NPD-Verbot durchsetzen – Grüne wollen neue Strukturen im Kampf gegen Rechtsextremismus

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) geht davon aus, dass es bei der Auseinandersetzung mit dem NPD-Verbot auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember zu „einer positiven Entscheidung“ kommen werde. Es gehe darum, die Organisationsstrukturen der NPD zu zerschlagen. (Deutschlandfunk, Märkische Allgemeine) Notfalls wolle Sachsen auch mit einer Mehrheitsentscheidung aus dem Bundesrat heraus den Weg zum Bundesverfassungsgericht öffnen. (Welt Online) Unterdessen forderten Sachsens Grüne, die rechtsextremen Tendenzen im Freistaat besser zu erforschen. Der Landesverfassungsschutz sei mit deren Überwachung überfordert. Grünen-Landtagsabgeordneter Miro Jennerjahn erklärte, anstelle des Landesamtes solle sich künftig eine „eigenständige wissenschaftliche Einrichtung“ mit dem Problem befassen. (MDR-Online, Freie Presse) Bestätigung für ihre Kritik sehen Sachsens Grüne in dem Bericht des sächsischen Innenministers Markus Ulbig (CDU) über die rechtsextreme Szene im Freistaat. Auf 138 Seiten hatten sie ihm Angaben zum Rechtsextremismus abverlangt. Dem Bericht zufolge sind derzeit 2.600 Rechtsextremisten*innen in Sachsen aktiv. Hierzu gehören laut Ulbig 760 NPD-Mitglieder, 1.000 Neonationalsozialisten*innen und etwa 850 „subkulturell geprägte“ Rechtsextremisteninnen. 800 Rechtsextremisten*innen werden momentan als gewaltbereit eingestuft. Acht Personen (Stand Ende Juli), gegen die ein Haftbefehl wegen allgemeiner Straftaten vorliegt, gelten als untergetaucht. (Döbelner Allgemeine)

kreuz.net: Strafanzeige wegen Volksverhetzung

Der Lesben- und Schwulenverband hat Strafanzeige gegen die Betreiber und Autoren des Internetportals „kreuz.net“ erstattet. Wie der Verband am Montag mitteilte, erstattete er wegen eines Artikels über den verstorbenen Schauspieler Dirk Bach bei der Staatsanwaltschaft Berlin Anzeige gegen Unbekannt wegen Volksverhetzung. Gleichzeitig forderte der Verband die deutschen Bischöfe auf, mehr Verantwortung zu übernehmen. (taz) Unterdessen erhöht ein Berliner Verlag den Druck: Der Verlag Bruno Gmünder, bei dem es sich nach Eigenangaben um den weltweiten Marktführern im Bereich schwuler Medien handelt, setzt 15.000 Euro Kopfgeld für Informationen über die Macher*innen von „kreuz.net“ aus. Auch der Bruno Gmünder Verlag hat Anzeige erstattet. (Endstation Rechts)

Strehla: NPD hetzt gegen Flüchtlinge

Unter dem Motto „Heimat bewahren – Asylmissbrauch stoppen – Schluss mit den Standortdebatten“ ruft der NPD-Kreisverband Meißen zu einer Demonstration am kommenden Donnerstag in Oppitzsch (Landkreis Riesa-Großenhain), einem Ortsteil von Strehla, auf. Die Kundgebung der rechtsextremen Partei richtet sich „gegen die Ansiedlung von mindestens 100 nordafrikanischen Asylschwindlern in Gröditz und Riesa“. Aufmarschieren wollen die NPDler unmittelbar vor der Kreistagssitzung, auf der die Kreisräte über die Unterbringung von 100 Asylbewerbern*innen in Riesa und Gröditz entscheiden sollen. (blick nach rechts, Endstation Rechts)

Thüringen: Ex-Verfassungsschützer verteidigt Zahlungen an V-Mann

Der für den Neonazi Tino Brandt zuständige Thüringer Verfassungsschützer Reiner Bode hat die Zahlungen an den früheren V-Mann verteidigt. So erklärte Bode vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages, Informanten seien entsprechend ihres Wertes bezahlt worden, und Brandt sei für das Landesamt ein „Top-Zugang in die rechte Szene von ganz Deutschland“ gewesen. Brandt war zeitweise Parteivize der rechtsextremen NPD und galt als Kopf des Nazi-Netzwerks „Thüringer Heimatschutz“, dem in den 1990er-Jahren auch die späteren NSU-Terroristen*innen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt angehörten. Von 1994 bis zu seiner Enttarnung 2001 war Brandt V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes und hat in dieser Zeit umgerechnet 100.000 Euro Honorar erhalten und damit die rechtsextreme Szene unterstützt. Er steht auch in Verdacht, für den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) Spenden gesammelt zu haben. (MDR Online, Spiegel Online) Unterdessen meldete sich der ehemalige Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Gera, Arndt Köppen, vor der heutigen Sitzung des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses überraschend krank. Köppen war vor den Ausschuss geladen worden, weil die Staatsanwaltschaft Gera während der Ermittlungen gegen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt federführend gewesen war. (Thüringer Allgemeine)

Amadeu Antonio Stiftung: Aktionswochen gegen Antisemitismus 2012 – Beteiligen Sie sich!

Auch in diesem Jahr finden wieder die bundesweiten „Aktionswochen gegen Antisemitismus“ statt – und das bereits zum zehnten Mal. Interessierte Initiativen und Einzelpersonen können wieder Teil der bundesweit größten Kampagne gegen Antisemitismus werden. Angemeldet werden können nahezu alle Veranstaltungen zum Thema Antisemitismus, die im Zeitraum Ende Oktober bis Mitte Dezember stattfinden. (Amadeu Antonio Stiftung)

Berlin: Groß angekündigter „Marsch der Patrioten“ wird kleines Stelldichein

Der groß angekündigte „Marsch der Patrioten“ in Berlin zum 3. Oktober  ist erwartungsgemäß ein kleines Stelldichein von „German Defence League“ und rechtsextremer NPD geworden, die zueinander fanden und sich zugleich voneinander distanzierten. Gemeinsam gegen Moscheen, Euro und EU, dafür aber mit Israelflagge gegen antisemitische Sprüche der NPD – ein Bericht von Publikative.org.

Geteiltes Echo auf Ramelows Vorschlag nach Gedenkort in Thüringen

Der Vorschlag von Linksfraktionschef Bodo Ramelow für einen Thüringer Gedenkort für die NSU-Opfer ist im Freistaat auf ein unterschiedliches Echo gestoßen. Während SPD und FDP Zustimmung signalisierten, reagierten Grüne und CDU skeptisch. Die SPD erklärte auf Anfrage von MDR THÜRINGEN, sie unterstütze die Initiative und sei gesprächsbereit. Ähnlich äußerte sich die FDP. Bedenken kamen dagegen von den Grünen. So sagte Grünen-Sprecher Dirk Adams: „Wir schulden den Opfern des NSU-Terrors unser Gedenken und unsere Achtung“. Jedoch halte er eine öffentliche Diskussion über die Köpfe der Opferfamilien hinweg nicht für empfehlenswert. (MDR Online)

Berlin: Merkel eröffnet Denkmal für Sinti und Roma

Am 24. Oktober wird in Berlin das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma eröffnet. 20 Jahre nach den ersten Überlegungen werden nach der Übergabe durch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU), der Regierende Klaus Wowereit (SPD), der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, der Zeitzeuge Zoni Weisz, und der ausführende Bildhauer Dani Karavan sprechen. (Tagesspiegel)

Buchtipp: Als Nazi-Skin bei „Noie Werte“ und „Race War“

„Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“: Unter diesem Titel hat Thomas Kuban ein Buch geschrieben, in dem er seine jahrelange Recherche im Rechtsrock-Milieu ausbreitet. Kuban schafft nicht nur Einblicke in seine Recherchetechnik, sondern ordnet seine Ergebnisse auch ein. Dabei spart er nicht mit Kritik an Sicherheitsbehörden und Medien, die das rechtsextreme Musiknetzwerk lange Jahre offenbar nicht interessierte. Publikative.org veröffentlicht exklusiv eine Leseprobe aus dem Buch.

Kröpeliner Einwohner*innen gegen Rechtsextremismus

Nach mehreren Anschlägen auf den jüdischen Friedhof von Kröpelin haben sich die Einwohner*innen der Stadt in Mecklenburg-Vorpommern gegen Rechtsextremismus gewandt. Rund 130 Kröpeliner*innen fanden sich am Montag zu einer Friedensandacht in der evangelischen Kirche ein, wie Bürgermeister Hubertus Wunschik (parteilos) erzählte. Dabei sei erstmals die sogenannte Kröpeliner Erklärung verlesen worden, in der zehn Thesen zum Umgang mit dem Rechtsextremismus formuliert werden. Kröpelin hat knapp 5.000 Einwohner. (Ostsee Zeitung)

Berlin: Spielplatz wird nach Nazi-Opfer benannt

Der Spielplatz Pestalozzistraße Ecke Fritschestraße soll nach Günter Schwannecke benannt werden. Das haben die Verordneten des Bezirks Charlottenburg in Berlin beschlossen. Außerdem soll eine Gedenktafel an den dortigen Überfall im August 1992 erinnern, bei dem der Berliner Kunstmaler Schwannecke Opfer eines tödlichen Angriffs durch Rechtsextreme wurde. Er sei gestorben, weil er Zivilcourage bewiesen habe. (Berliner Morgenpost)

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