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10.10.2012 … Presseschau

Nach den Rechten sehen: Nazi-Angriffe in mehreren Berliner Bezirken +++ Nordrhein-Westfalen: Innenminister Jäger will Nazis ihre Waffen wegnehmen +++ NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern: „Ein Thüringer Problem“.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Berlin: Nazi-Angriffe in mehreren Bezirken

In Berlin häufen sich die rechtsextremen Angriffe: Zwei Parteibüros, ein Jugendklub und ein Flüchtlingsheim wurden innerhalb kürzester Zeit attackiert. Zu den Zielen der Nazis gehört das Anton-Schmaus-Haus in Britz, das die Rechtsextremen mit Hakenkreuzen und Morddrohungen beschmierten. Das Haus ist ein Treffpunkt der Falken, eines SPD-nahen Jugendverbandes, und stand immer wieder im Visier von Nazis. 2011 wurde dort innerhalb von fünf Monaten zweimal Feuer gelegt – der am Dienstagmorgen an eine Wand gesprühte Spruch „Ihr interessiert uns brennend“ ist daher sicherlich nicht als leere Drohung zu verstehen. Das Anton-Schmaus-Haus wird nun nachts durchgehend bewacht, bis ein neuer Sicherheitszaun fertig ist. (blick nach rechts, Störungsmelder) Die mutmaßlich gleichen Täter*innen griffen auch ein SPD-Büro in Spandau an. In Tegel wurden die Scheiben eines Büros der Linken zerstört und rechtsradikale Parolen hinterlassen (taz). Außerdem wurde ein Briefkasten einer Nachbarschaftshilfe in Treptow aufgebrochen, wobei die Polizei hier einen rechtsextremen Hintergrund bezweifelt. Ein weiteres Ziel der Rechtsextremen war in der Nacht zu Dienstag das Flüchtlingsheim in Waßmannsdorf bei Schönefeld (Dahme-Spreewald). Hier zerstörte ein Stein ein Fenster und landete neben einer schlafenden Bewohnerin, ein Farbbehälter verfehlte knapp den Kopf einer Afghanin. Die Täter*innen sprühten ein Hakenkreuz und den Spruch „Rostock ist überall“ an die Wand, womit die 1992 weltweit bekannt gewordenen Pogrome in Rostock-Lichtenhagen gemeint sein dürften (Potsdamer Neueste Nachrichten, RBB Online). Noch am Dienstag kündigte Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) Reaktionen an: „Die jüngste Häufung solcher feigen Taten erfüllt mich mit großer Sorge“, sagte Henkel dem „Tagesspiegel“. Und weiter: „Es liegt nahe, dass es sich hier um Einschüchterungsversuche aus dem rechtsextremen Spektrum handelt. Das dürfen wir uns als Demokraten nicht bieten lassen.“ An den Tatorten vom Dienstag hinterließen die Täter*innen die Adresse der bekannten Nazi-Seite „NW-Berlin.net“, was vermuten lässt, dass sie zum Netzwerk um die Homepage des „Nationalen Widerstand Berlins“ gehören. Auf jener Seite ist eine Feindesliste mit Namen von Politikern*innen, Antifa-Aktivisten*innen und Journalisten*innen veröffentlicht. Bei mehreren Anschlägen in Berlin und dem Umland in den vergangene Wochen tauchte der Verweis auf die Seite auf. (Tagesspiegel, Welt Online)

Nordrhein-Westfalen: Innenminister Jäger will Nazis ihre Waffen wegnehmen

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) will den legalen Waffenbesitz von Rechtsextremen unterbinden. Dazu sagte er am Dienstag in Düsseldorf: „Wir wollen keine Waffen in den Händen von Neonazis.“ Wer sich aktiv gegen die Verfassung stelle, dürfe legal keine Schusswaffen besitzen. Wie gestern bekannt wurde führen allein in NRW 99 Nazis ganz legal Schusswaffen, da sie eine waffenrechtliche Erlaubnis besitzen. Allein die Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Kameradschaft reicht nach bislang gültiger Rechtslage nicht aus, um die waffenrechtliche Genehmigung zu entziehen. (Der Westen)

NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern: „Ein Thüringer Problem“

Fünf Menschen hat der Nationalsozialistische Untergrund in Bayern ermordet, ohne entdeckt zu werden. Doch der frühere Verfassungsschützer des Freistaats, Gerhard Forster, kann bei seiner Behörde keine eklatanten Fehler erkennen – die sollen andere begangen haben. Das irritiert manche Mitglieder im Landtags-Untersuchungsausschuss. (Süddeutsche Zeitung, Bayerischer Rundfunk) Unterdessen wurde bekannt, dass der mutmaßliche Unterstützer des NSU, Ralf Wohlleben, Ende vergangener Woche aus der thüringischen Justizvollzugsanstalt Tonna verlegt worden ist. Ein Sprecher des Justizministeriums sagte am Dienstag in Erfurt, der Gefangene habe den Freistaat auf Antrag der Bundesanwaltschaft verlassen. Wie die Zeitung „Thüringer Allgemeine“ berichtet, ist Wohlleben laut seiner Anwältin nach München verlegt worden. (MDR-Online)

Die Hundertschaft der NSU

Die Formel vom „Zwickauer Terrortrio“ des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) hat sich mittlerweile nicht nur in den Medien durchgesetzt. Diese Beschreibung verstellt den Blick darauf, dass das Netzwerk hinter den Rechtsterroristen*innen viel größer ist. Zu diesem zählen Sicherheitsbehörden laut „taz“ genau 100 Personen. Wie die Zeitung berichtet, stehen auf der entsprechenden geheimen Liste neben Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe die zwölf in dem Verfahren von der Karlsruher Bundesanwaltschaft beschuldigten mutmaßlichen Helfer sowie 85 weitere angebliche Kontaktpersonen des Neazitrios oder von dessen engsten Unterstützern. Bisher war die Zahl der „relevanten Personen“ im NSU-Umfeld auf rund 40 beziffert worden. Brisant: Auf der Liste stehen gleich fünf langjährige V-Leute, darunter neben dem ehemaligen Chef des Thüringer Heimatschutzes, Tino Brandt, und dem Ex-Blood-and-Honour-Aktivisten Thomas S. auch der einflussreiche Neonaziaktivist Thomas R. aus Sachsen-Anhalt. (taz, Publikative.org)

Parallelen: Ließ sich der NSU vom „Lasermannen“ inspirieren?

Die fast zehn Jahre andauernde Mordserie des NSU sucht in der Bundesrepublik wohl ihresgleichen. Doch eine Reihe von Morden Anfang der 1990er-Jahre in Schweden weisen eine Vielzahl von Parallelen zu denen des NSU auf. Die Frage ist nun, ob die Zwickauer Zelle ein Vorbild hatte. (Tagesschau.de)

Thüringer Verfassungsschutz soll Eigenständigkeit verlieren

Das Landesamt für Verfassungsschutz in Thüringen soll aufgelöst werden. Wie die „Thüringische Landeszeitung“ berichtet, will Thüringens Innenminister Jörg Geibert (CDU) die Behörde in sein Ressort integrieren. Derzeit würden die Voraussetzungen dafür geprüft. (MDR Online) In der Debatte um die Weitergabe ungeschwärzter Akten durch den Thüringer Verfassungsschutz meldete sich unterdessen Sebastian Edathy (SPD), Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag zu Wort. Edathy sagte, er begrüße zwar das Bemühen um mehr Transparenz, wolle aber letztlich die Informationsflut auf die für den Untersuchungsauftrag relevanten Daten beschränken. (Deutschlandradio Kultur)

„Mitten im Leben“: Das Asylbewerberheim in Wolgast

Ein Fernsehbeitrag des NDR über das Asylbewerberheim in Wolgast hat für Aufregung gesorgt. Viele Einwohner*innen kritisierten den Bericht, Bürgermeister Stefan Weigler (parteilos) nannte ihn diffamierend. Tatsächlich aber kritisieren viele Wolgaster*innen das neue Heim. Nazimusik, Knallkörper, NPD-Flugblätter – die Szenen um die Flüchtlingsunterkunft wecken Erinnerungen an Rostock-Lichtenhagen. Nun ist Wolgast aufgeschreckt. „Vielleicht hätte man schneller reagieren müssen“, so der Bürgermeister. (taz)

Göppingen: Weiter Streit nach Nazi-Demo

Auch nach der Nazi-Demo in Göppingen wird in der Stadt über die Form des Protests und der Zusammenarbeit gestritten. So widersprach das Bündnis „Kreis Göppingen Nazifrei“ in einer Pressemitteilung der Darstellung der Stadtverwaltung, wonach das Bündnis eine gemeinsame Kundgebung mit der Stadt abgelehnt habe. Unterdessen gibt es weiter Kritik an der Polizei. So berichten Jugendliche über ein unverhältnismäßig hartes Vorgehen von einzelnen Polizeibeamten gegenüber friedlichen Gegendemonstranten*innen. Außerdem wird auf der Internetseite „linksunten.indymedia“ der Vorwurf erhoben, ein Zivilpolizist habe in der Friedrichstraße einen Demonstranten angefahren und absichtlich 50 Meter weit mitgeschleift. (Südwest Presse)

Amadeu Antonio Stiftung: Zehn Initiativen für Demokratie-Förderpreis nominiert

2012 wird der Sächsische Förderpreis für Demokratie zum sechsten Mal verliehen. Aus den eingegangenen 56 Bewerbungen wählte eine prominent besetzte Jury zehn Initiativen aus, die sich in herausragender Weise für Menschenrechte und gegen Rechtsextremismus engagieren und die demokratische Kultur in Sachsen täglich bereichern und fördern. Die zehn Nominierten werden im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung am 9. November in Dresden geehrt. Dort wird dann auch das Geheimnis gelüftet, welche beiden Projekte mit dem Hauptpreis von je 5.000 Euro ausgezeichnet werden. (Amadeu Antonio Stiftung, Sächsische Zeitung, Dresdner Nachrichten)

Sprachlosigkeit im Gerichtssaal: Verfahren gegen Anti-Nazi-Demonstrant eingestellt

Ein Mann protestierte gegen einen Neonazi-Marsch – und landete vor Gericht. Der Vorwurf: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Nun ist das Verfahren eingestellt worden wegen geringer Schuld. (Süddeutsche Zeitung)

„Schlitzer“ von Echzell: Der Prozess um den Nazi Patrick W.

Als sei der Prozess gegen den als „Schlitzer“ bekannten Nazi Patrick W. aus Echzell nicht schon bizarr genug, umfasst er nun auch noch das Internet: Patrick W. soll ein Youtube-Video ins Netz gestellt haben, dass zeigt, wie eine grölende Horde seinen Nachbarn Werner S., aktiv in der Echzeller Initiative „Grätsche gegen Rechtsaußen“, attackiert. Die Attacke selbst ist nicht Gegenstand der Verhandlung am Landgericht Gießen. W.s Beteiligung sei anhand des Videos nicht nachweisbar gewesen, so der Anwalt von Werner S. auf Anfrage der „Frankfurter Rundschau“. Stattdessen geht es um die Frage, ob derjenige, der das Video ins Internet stellte, gegen das Kunst-Urhebergesetz verstoßen hat – nur eine der insgesamt sieben Anklagen gegen Patrick W., bei denen es unter anderem um Volksverhetzung, Körperverletzung und Verstöße gegen das Betäubungsmittel- sowie das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz geht. (Frankfurter Rundschau)

Naziaufmarsch: Bündnis in Hünfeld ruft zum Protest auf

Das Bündnis „Hünfeld nazifrei“ will einen Fackelmarsch der „Jungen Nationaldemokraten Hessen“ (JN), der Jugendorganisation der rechtsextremen NPD, am 10. November nicht dulden. Die Mitglieder planen einen Rundgang zu Stolpersteinen und eine Kundgebung als Gegenveranstaltung und hoffen auf viele Teilnehmer*innen. In dem Bündnis haben sich rund 40 Parteien, Gewerkschaften und Initiativen, schon im Juli gab es erste Vorbereitungstreffen. Im September folgte dann die Abstimmung mit der Lokalpolitik aus Hünfeld. Die Stadtverordnetenversammlung hatte ein eigenes Bündnis initiiert und einstimmig eine Resolution „für ein weltoffenes Hünfeld“ verabschiedet, die sich gegen den Naziaufmarsch richtet und zu Protesten aufruft. „Es ist unerträglich, wenn braune Stiefel über die Stolpersteine in der Hünfelder Innenstadt trampeln“, heißt es darin. (Frankfurter Rundschau)

Emsdetten: Der rechten Szene „die Räume nehmen“

Das Offene Antirassistische Treffen (OAT) ruft zu einer Demonstration unter dem Motto „Nazis die Räume nehmen – Keine Toleranz der Intoleranz“ in Emsdetten im Münsterland auf. Der Demozug wird diesen Samstag um 13 Uhr am Bahnhof starten und dann durch die komplette Innenstadt gehen. (Münstersche Zeitung)

Die NPD und militante Nazistrukturen in Rheinland-Pfalz

Verfolgt man die Strategie rheinland-pfälzischer Behörden im Umgang mit militanten Neonazi- Strukturen in den letzten Jahren, so erkennt man schnell, dass Informationen gezielt zurückgehalten und Aktivitäten lange Zeit geleugnet wurden. Ein Bericht vom „Störungsmelder“ über das „Aktionsbüro Mittelrhein“, ultrarechte Jugendkultur an der Mittelmosel sowie deren Verbindungen zur NPD Rheinland-Pfalz. (Störungsmelder)

Sachsen-FDP lehnt Forschungsinstitut zum Rechtsextremismus ab

Die sächsische FDP hat Forderungen der Grünen nach einem steuerfinanzierten Institut zur Erforschung rechtsextremer Strukturen im Freistaat eine Absage erteilt. Dazu erklärte FDP-Generalsekretär Torsten Herbst: „Ein teures linksgrünes Forschungsprojekt ist keine geeignete Waffe im Kampf gegen Neonazis und Skinheads.“ Steuergelder sollten stattdessen für „wirksame Instrumente“ wie eine gut ausgestattete Polizei, funktionierende Geheimdienste, Sportvereine und Nachwuchsarbeit wie beispielsweise bei der Feuerwehr ausgegeben werden, so Herbst. (Freie Presse)

Grevesmühlen: Die NPD gibt sich bürgernah

Mit einem Tag der offenen Tür im „Thing-Haus“ am 6. Oktober in Grevesmühlen hat die rechtsextreme NPD versucht, sich bürgernah zu geben. Mit zwei Wagen war die Polizei präsent, empörte Grevesmühlener Bürger*innen waren dagegen nicht zu sehen. „Protest wird es vonseiten der Stadt und dem Bürgermeister nicht geben“, hieß es aus der Pressestelle der Stadtverwaltung im Vorfeld, „das kann Politik nicht leisten“ und: „Die NPD ist ja nicht verboten.“ (blick nach rechts)

Storch Heinar im Finale des Deutschen Engagementpreises

Die beiden aus Mecklenburg-Vorpommern stammenden Initiativen „Storch Heinar“ und „Endstation Rechts“ stehen gemeinsam als einer von zehn Finalisten für den Publikumspreis des Deutschen Engagementpreises 2012 zur Wahl. Bis zum 1. November können alle Bürger*innen auf www.deutscher-engagementpreis.de über den Publikumspreis abstimmen. Eine Fachjury wählte für die Schlussrunde zehn Projekte unter mehr als 1.200 Vorschlägen aus. (Endstation Rechts)

Holocaust im Comic: Bilder, die einen direkt ansprechen

Eine Ausstellung im Berliner Archiv der Jugendkulturen zeigt, wie Faschismus ein Thema im Comic wurde. Die Schau „Holocaust im Comic“, die noch bis zum 2. November zu sehen ist, macht außerdem deutlich, dass Comics ein wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur sein könnten. (taz)

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Bataillon 500

Die Ende der Neunziger Jahre in Rostock gegründete Band entstammt dem in Deutschland verbotenen „Blood & Honour“-Netzwerk und ist im…

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