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18.10.2012 … Presseschau

Nach den Rechten sehen: NSU: Mehr Akten als bisher bekannt vernichtet und Eklat in Ausschusssitzung +++ Baden-Württemberg: V-Mann war im Ku-Klux-Klan +++ Alarmruf eines Innenministers: Weiterer Rechtsterrorismus möglich.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

NSU: Mehr Akten als bisher bekannt vernichtet und Eklat in Ausschusssitzung

Nach Aufdeckung der Terrorzelle des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) hat der Verfassungsschutz mehr Akten zum Rechtsextremismus vernichtet als bisher bekannt. So heißt es in einem Bericht des vom Innenministerium eingesetzten Sonderermittlers Hans-Georg Engelke. Engelke kommt in seinem Bericht dennoch zu dem Schluss, „dass es eine gezielte ‚Löschaktion‘ zur Vernichtung möglicher Belege für Querverbindungen zum NSU-Komplex nicht gegeben hat“. Die zuständigen Beamten hätten die Aktenvernichtungen vielmehr in dem Glauben angeordnet, den vorgeschriebenen Löschfristen nachzukommen. (Zeit Online) In der Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag kam es bei der Sitzung am Donnerstag bei der Vernehmung des früheren Verfassungsschutz-Vizepräsidenten Klaus-Dieter Fritsche derweil zu einem Eklat: Der Ausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD) unterbrach die Sitzung, nachdem Fritsche mit scharfen Worten Kritik an der Arbeit der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit der NSU zurückgewiesen und Zwischenfragen von Abgeordneten abgelehnt hatte. „Es gibt Grenzen dessen, was man hier hinnehmen muss“, sagte Edathy. (Stern.de) Unterdessen haben sich Mitglieder des Untersuchungsausschusses bei Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) über den Präsidenten des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen beschwert. Sie wehrten sich gegen die angebliche Verbreitung nachteiliger Behauptungen über ihre Arbeit durch Maaßen. So erklärte die SPD-Obfrau im Ausschuss, Eva Högl, der Verfassungsschutzpräsident habe „offenbar mit Billigung des Innenministers“ vergangene Woche Journalisten*innen gezielt falsche Informationen zum Umgang der Parlamentarier*innen mit den Klarnamen von V-Leuten gegeben. (Faz.net) Derweil hat die Deutsche Polizeigewerkschaft gefordert, die NSU-Untersuchungsausschüsse in den Landtagen aufzulösen. Es könne nicht jedes Land sein eigenes Süppchen kochen, sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt der Nachrichtenagentur „dpa“. Der Ausschuss im Bundestag reiche aus. (Zeit Online, Welt Online)

Baden-Württemberg: V-Mann war im Ku-Klux-Klan

Zwischen den baden-württembergischen Sicherheitsbehörden und dem rassistischen Ku-Klux-Klan (KKK) gab es offenbar engere Verbindungen als bisher angenommen. Ein V-Mann des Verfassungsschutzes habe dem Leiter des KKK in Schwäbisch Hall Informationen weitergegeben. Demnach habe er das KKK-Mitglied darüber informiert, dass dessen Telefongespräche abgehört würden, berichteten die „Stuttgarter Nachrichten“. Wie der „Tagesspiegel“ außerdem berichtet, soll der V-Mann gar selbst Mitglied des Ku Klux Klan gewesen. Er habe die rassistische Organisation „European White Knights of the Ku Klux Klan – Realm of Germany“ im Oktober 2000 gegründet und von da an geleitet. (Zeit Online) Schon am Dienstag war bekannt geworden, dass noch mehr Polizisten Anhänger des deutschen Ku-Klux-Klans waren. Im Sommer waren bereits zwei Beamte als ehemalige Mitglieder des rassistischen Geheimbunds enttarnt worden. (Sueddeutsche.de) Andreas Böhme kommentiert beim „Tagblatt“ die Vorgänge. (Tagblatt)

Alarmruf eines Innenministers: Weiterer Rechtsterrorismus möglich

Macht der NSU Schule? Die Frage treibt die Sicherheitsbehörden um. Sie halten die „weitere Bildung rechtsterroristischer Gruppen für möglich“, wie der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) auf einer Tagung der Deutschen Polizeigewerkschaft in Berlin warnte. (Thüringer Allgemeine)

Bayern: V-Mann verbreitete offenbar Todesliste

Der mutmaßliche V-Mann des bayerischen Verfassungsschutzes aus dem Umfeld der Terrorzelle NSU hat nach Informationen des „Nordbayerische Kuriers“ eine Todesliste mit politischen Gegnern*innen verbreitet. So habe der heute 48-Jährige 1994 bei der Herausgabe der anonym verbreiteten Hetzschrift „Der Einblick“ geholfen. Dabei handelte es sich um eine Liste mit mehr als 250 Namen und Adressen von Angehörigen der Antifa, der Gewerkschaften, der Grünen und der SPD – verbunden mit dem Aufruf, ihnen „unruhige Nächte“ zu bereiten und sie „endgültig auszuschalten“. Die Bundesanwaltschaft ermittelte daraufhin wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. (Rheinische Post) Unterdessen gibt es immer mehr Hinweise auf die Nähe des V-Manns zum NSU – diese Verbindung war vom bayerischen Verfassungsschutz bislang bestritten worden. (sueddeutsche.de)

„Sie kamen von hier“: Jenaer Video-Projekt zum NSU

Eine Stadt stellt sich ihrem Erbe: Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe wuchsen in Jena auf, hier radikalisierten sie sich. Jugendliche haben 20 Beteiligte von damals interviewt. Entstanden ist ein eindrucksvoller Film. (Spiegel Online) Dabei ging es den Machern*innen nicht darum, eine historisch exakte Wirklichkeit der 1990er Jahren in Jena darzustellen, sondern mit der Darstellung der Empfindungen und Aussagen der damaligen Akteure*innen ein Bild zu schaffen. „Störungsmelder“ dokumentiert die Beiträge. (Störungsmelder)

Bundestag will Antisemiten „entlarven“

Die Oppositionsparteien im Bundestag haben eine langfristige Strategie gegen den Antisemitismus in Deutschland gefordert. Theoretische Erkenntnisse reichten nicht aus, erklärte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) am Mittwoch im Bundestag. Notwendig sei eine Verstetigung der Bundesprogramme zur Bekämpfung von Antisemitismus. Befristete Modellprojekte seien nicht wirksam. Er schlug die Einrichtung einer Bundesstiftung vor. (Tagesspiegel) Die Tageszeitung „taz“ kommentiert, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wirke bei der Debatte desinteressiert, die Opposition müsse die Diskussion retten. (taz) Laut einem bereits im Januar vorgestellten Bericht von unabhängigen Experten ist Judenfeindlichkeit in „erheblichem Umfang“ in der deutschen Gesellschaft verankert. Latenter Antisemitismus ist dem Bericht zufolge bei etwa 20 Prozent der Deutschen vorhanden. (Welt Online) Nach Beobachtungen der Amadeu Antonio Stiftung werden insbesondere Jugendliche in den sozialen Netzwerken mit antisemitischen Bildern konfrontiert, die häufig unwidersprochen bleiben und dann sich verfestigen. Dazu erklärte Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Stiftung: „Hier muss die Bundesregierung mit einem pädagogischen Konzept zur Bekämpfung des Antisemitismus gegensteuern. Noch immer gibt es keine nachhaltige Strategie, allenfalls Stückwerk. Im Bundesprogramm ‚Toleranz fördern – Kompetenz stärken‘ werden derzeit noch 14 Projekte gegen Antisemitismus teilfinanziert, die einen Großenteil ihrer Arbeitszeit darauf verwenden müssen, die notwendige Kofinanzierung einzuwerben. Diese Projekte enden alle spätestens 2014. Wir brauchen dringend eine dauerhafte Finanzierung dieser Arbeit.“ (Amadeu Antonio Stiftung)

Twitter sperrt deutschen Nazi Account

Twitter hat diese Woche einen deutschen Account mit rechtsextremen Inhalten gesperrt. Der gesperrte Account ist der erste, der nach den neuen Richtlinien nur regional zensiert wird. Anlass war eine Anfrage der deutschen Polizei. (heise.de, netzwelt.de)

Ring freiheitlicher Jugend Deutschland: Offensive der Islamhasser

Bislang haben sich Islamhasser*innen in Deutschland vor allem in Foren und Blogs getummelt, bei Demonstrationen erschienen oft nicht mehr als ein Dutzend Teilnehmer*innen. Jetzt wollen sie die Szene mit einer neuen Jugendorganisation aufmischen und die Splittergruppen einen – Ziel ist eine europaweite Front gegen Muslime. (Spiegel Online)

Schleswig-Holstein: NPD-Landeschef klagt gegen Wahl

Der NPD-Landesvorsitzende Ingo Stawitz gehört zu den Beschwerdeführern, die vom Landesverfassungsgericht in Schleswig eine juristische Überprüfung der Landtagswahl vom 6. Mai verlangen. Bei der Wahl erhielt die rechtsextreme Partei magere 0,7 Prozent. Stawitz argumentiert nun, dass die polizeiliche Auflösung eines NPD-Aufzuges am 1. Mai in Neumünster angeblich eine Wahlbehinderung dargestellt habe. (blick nach rechts)

Thor Steinar knickt ein: Erster Punktsieg für Aral

In der juristischen Auseinandersetzung mit „Aral“ knickt die bei Rechtsextremen beliebte Modemarke Thor Steinar offenbar ein. Aus ihrem Onlinekatalog wurden in der letzten Woche die Hinweise auf den Großkonzern entfernt. Damit gibt sich das Unternehmen aber keinesfalls zufrieden: Nun sollen die Abbildungen von „Aral“-Gutscheinkarten auch aus der gedruckten Version verschwinden. (Endstation Rechts)

Essen: Anwohner*innen protestieren gegen Flüchtlinge

Am Mittwoch kamen die ersten Roma im Essener Stadtteil Bedingrade an. Dazu erklärte Sozialdezernent Peter Renzel, die Bleibe in der Turnhalle sei keine dauerhafte Unterkunft. Parallel sammelten Bürger*innen Unterschriften gegen die Unterbringung der Asylbewerber*innen. Dies kommentierte die „Antifa Essen“: „Anwohner und Lokalpolitiker betreiben rassistische Stimmungsmache gegen die neue Flüchtlingsunterkunft.“ Gefragt seien Solidarität mit den Flüchtlingen und eine angemessene und menschenwürdige Unterbringung und keine fremdenfeindlichen Aktionen. (Der Westen, Radio Essen) Unterdessen hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) von einem „zunehmenden Asylmissbrauch“ gesprochen und damit die generelle Flüchtlingsdebatte angeheizt. Tatsächlich aber sind die realen Zahlen weit weniger dramatisch, als es Friedrichs Aussagen glauben machen wollen. (taz)

Berlin: Rassismus im Kondolenzbuch

Nach dem gewaltsamen Tod des 20-Jährigen am Alexanderplatz trauern die Berliner*innen am Tatort – und verstricken sich in Diskussionen um Zuwanderung. Nicht nur in den Gesprächen rund um den Trauerort kommt immer wieder Rassismus zum Vorschein, auch im Kondolenzbuch in der nahegelegenen Marienkirche steht viel rechte Polemik. Bei rund zehn Prozent der Einträge komme Ausländerhass zum Vorschein, sagt die Gemeindesprecherin Anna Poeschel. Wenn das so weitergehen sollte, müsse das Buch wieder geschlossen werden. (taz)

Kampf gegen Nazis: Warum sich Verfassungsschützer auch mit Förstern treffen

Immer wieder wird die Wichtigkeit von Musik für die rechtsextreme Szene betont: Sie wirkt als Bindeglied für deren Mitglieder. Umso wichtiger sind Konzerte für die Nazis, um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Dort setzen nun Kommunalverwaltungen und Behörden mit ihrer Gegenwehr an. In der kommenden Woche werden sich nun Verfassungsschützer*innen in Brandenburg mit Förstern*innen zusammensetzen. Es geht dabei um Möglichkeiten, die das Waldgesetz bietet, um rechtsextreme Treffen im Grünen zu unterbinden. Das kündigte Axel Heidrich, stellvertretender Referatsleiter, am Dienstag bei einer Veranstaltung in Schleife (Kreis Görlitz) an, zu der das sächsische „Forum starke Demokratie“ eingeladen hatte. Was erst einmal skurril klingt, passt zur Strategie, die Verfassungsschützer*innen in Brandenburg und Sachsen verfolgen und über die sie in Schleife mit Vertretern*innen aus Kommunalpolitik und Polizei berieten. Nazis sollen systematisch Orte streitig gemacht werden, an denen Konzerte, Liederabende oder „Heldengedenkfeiern“ stattfinden könnten. (Lausitzer Rundschau)

„Racial Profiling“ als institutionalisierter Rassismus

Zeige mir, wie du aussiehst – und ich sage dir, was du bist. Vereinfacht gesagt verfährt „Racial Profiling“ nach diesem Motto. Die Hautfarbe eines Menschen soll in den Augen der Polizei ein wichtiger Anhaltspunkt dafür sein, ob ein Mensch eine Straftat möglicherweise begangen hat oder nicht. Tatsächlich aber erzählt „Racial Profiling“ nur etwas über die rassistischen Stereotypen von Gesellschaft und Polizei. (Publikative.org)

„Landshuter Erklärung“: Aufruf zum zivilen Widerstand

450 Bürger*innen haben sich in der „Landshuter Erklärung“, initiiert vom „Runden Tisch gegen Rechts“, bereit erklärt, bei einem erneuten Naziaufmarsch an einer gewaltfreien Blockade teilzunehmen und sich solidarisch mit den Zielen des Bündnisses erklärt. Man habe die Androhung der Rechtsextremen wiederzukommen nach deren Aufmarsch am 25. Februar ernst genommen, sagte Hans-Dieter Schenk vom „Runden Tisch gegen Rechts“. Für diesen Fall wurde die „Landshuter Erklärung“ initiiert, die für ein weltoffenes und tolerantes Landshut wirbt. Die Unterstützerliste soll im Fall eines erneuten Nazi-Aufmarsches den gewaltfreien Widerstand mobilisieren. (Landshuter Zeitung)

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