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21.10.2013 … Presseschau

Nach den Rechten sehen: Hetze gegen Flüchtlinge: Ein echtes 90er Revival? +++ Jobbik-Abgeordneter Csanad Szegedi: Ehemaliger Antisemit wird Jude +++ Viele Deutsch-Türken erleben Alltagsrassismus.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Hetze gegen Flüchtlinge: Ein echtes 90er Revival?

Wenig überraschend versuchen NPD und andere Neonazis von den Debatten über die Flüchtlingspolitik in Europa zu profitieren. Alles also wie gehabt? Die Nazis morden, der Bürgermob klatscht, der Staat schiebt ab? Nicht ganz. (Publikative.org) Doch die Nachrichten der vergangenen Tage zum Thema Flüchtlinge beunruhigen – und das quer durch die Republik. Ein Überblick:

Hetze gegen Flüchtlingsheime in Pätz und Schneeberg

Was gegenwärtig in Pätz nahe Königs Wusterhausen passiert, erinnert an die Situation in Hellersdorf vor einigen Wochen. Die Verwaltung in Pätz hatte am Donnerstagabend zu einer Informationsversammlung über ein Heim für Flüchtlinge eingeladen, das bald öffnen wird. Eine Bürgerinitiative hatte sich da schon gebildet, die anonym auf Facebook gegen das Heim hetzt. Mit der berüchtigten Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf, die Stimmung gegen das dortige Heim macht, ist sie vernetzt, auch das optische Erscheinungsbild ähnelt ihr sehr. (taz, neues deutschland, Tagesspiegel) Unterdessen haben in Schneeberg am Sonnabendabend etwa 1.000 Menschen gegen die Unterbringung von Asylsuchenden in der Stadt protestiert. Nach Angaben der Polizei waren 130 Beamte im Einsatz, um Zwischenfälle zu verhindern. Demnach gab es zwei Anzeigen wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organe. Die Veranstaltung in Schneeberg war von einem Kreistagsmitglied der NPD organisiert worden. (MDR Online, Freie Presse, Zeit Online) Bereits am Freitag waren knapp 900 Menschen auf den Schneeberger Markplatz geströmt, um ein Zeichen für Toleranz und gegen Rassismus zu setzen. Sie folgten damit einem Aufruf aller demokratischen Fraktionen im Schneeberger Stadtrat. (Freie Presse) Unterdessen wurde in einem Obdachlosen- und Asylbewerberheim in Wehr  in der Nacht zum Samstag ein Brand gelegt, der aber bereits vor dem Eintreffen der Feuerwehr gelöscht werden konnte. Die Polizei ermittelt in alle Richtungen, sie schließt einen rassistischen Hintergrund nicht aus. (Badische Zeitung)

Lampedusa-Flüchtlinge: Festung Hamburg steht

300 Westafrikanerinnen und Westafrikaner, die vor dem libyschen Bürgerkrieg geflohen waren, kämpfen in Hamburg um ein Bleiberecht. Um sie herum ist eine breite Unterstützerbewegung entstanden. (taz) So wächst der Druck auf Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), sich zur Zukunft der Lampedusa-Flüchtlinge zu äußern. Am Freitagabend haben erneut rund 1.000 Menschen an einem Protestzug durch die Innenstadt teilgenommen. Sie kritisierten auf ihrer Abschlusskundgebung an den Landungsbrücken die Flüchtlingspolitik des Hamburger Senats. (NDR Online) Unterdessen werfen die Flüchtlinge dem Hamburger SPD-Senat wegen der anhaltenden Polizeikontrollen Rassismus vor. (Weser-Kurier) Sie gehen jetzt auch rechtlich gegen die Kontrollen vor. (Holsteinischer Courier)

Rostock: Demonstration für mehr Solidarität mit Flüchtlingen

Für mehr Solidarität mit Flüchtlingen sind am Sonnabend in Rostock etwa 1.000 Menschen auf die Straße gegangen. Sie forderten unter anderem eine menschenwürdige Willkommenskultur, eine bessere Flüchtlingspolitik und ein tatsächliches Recht auf Asyl. Ein Bündnis gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen hatte die Demonstration organisiert, darunter auch die Antifa Rostock und die Initiative Stop it. (Tagesschau-Video, NDR Online) In Berlin haben die Flüchtlinge am Brandenburger Tor derweil ihren Hungerstreik nach zehn Tagen vorerst ausgesetzt. Um ihren Forderungen nach Asyl und einer Arbeitserlaubnis Nachdruck zu verleihen, halten sie sich eine Fortsetzung offen. (Spiegel Online, Tagesspiegel)

Jobbik-Abgeordneter Csanad Szegedi: Ehemaliger Antisemit wird Jude

Jahrelang hetzte er als Mitglied einer rechtsextremen ungarischen Partei gegen Juden. Dann erfuhr er, dass er selbst Jude ist. Nun bricht Csanad Szegedi mit Jobbik. (taz, Welt Online)

Viele Deutsch-Türken erleben Alltagsrassismus

Von Beschimpfungen über die Ablehnung bei Bewerbungen bis hin zu körperlicher Gewalt: Diskriminierung gehört zur Alltagserfahrung vieler türkisch-stämmiger Migranten in Deutschland. Das ist das Ergebnis einer neuen repräsentativen Umfrage des Instituts INFO GmbH im Auftrag von radioeins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg. (radioeins)

Rechtsextremismus im Landkreis Gießen: Erneute Razzia im Lumdatal

Die Polizei durchsucht erneut die Wohnung eines jungen Neonazis im Lumdatal (Landkreis Gießen). Der Druck auf die Szene zeigt zunehmend Wirkung. Im August sollen jedoch drei Neonazis versucht haben, den hessischen Umweltaktivisten und Anarchisten Jörg Bergstedt einzuschüchtern. (Frankfurter Rundschau)

Nach Prügel-Angriff in Bernburg: Bündnis will für Imbisschef sammeln

Das örtliche „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Rechtsextremismus und Gewalt“ in Bernburg ruft zu Spenden für den nach einer Prügelattacke verletzten türkischen Imbissbesitzer auf. Das Geld soll nach Angaben den eines Bündnissprechers der Familie des Opfers zukommen. (Mitteldeutsche Zeitung)

Kundgebungen gegen Pro NRW in Witten und Hattingen

Rund 500 Menschen markierten am Samstag ein Gegengewicht zum Aufmarsch von Pro NRW. Das Bunte Bündnis traf sich auf dem Untermarkt und zog dann zur Moschee, wo die Hattinger eine Menschenkette bildeten. (Der Westen) In Witten störten fast 200 Gegendemonstrierende die Kundgebung von Pro NRW auf der unteren Bahnhofstraße. Buhrufe und Trillerpfeifen ließen Slogans der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierung untergehen. (Der Westen)

Illustres Treffen im Herrenhaus: Immobilien in der Hand von Neonazis

Immobilien in der Hand von Rechtsextremisten sind vor allem in den ländlichen Räumen längst zu Dreh- und Angelpunkten der Szene mit überregionaler Ausstrahlung geworden. Dies betrifft auch das Rittergut im thüringischen Guthmannshausen, wo der Verein „Gedächtnisstätte“ sein rechtes Unwesen treibt. (blick nach rechts)

Hausbesuche beim mutmaßlichen NSU-Helfer

Weil das 1998 abgetauchte Terrortrio in Chemnitz vermutet wurde, rückte die lokale Neonazi-Szene ins Visier der Fahnder. Nur dem Staatsschutz sagte damals keiner Bescheid. (Freie Presse)

Baden-Württemberg: SPD will Sonderparteitag zu Rechtsextremismus im Land

Die SPD wird sich im März auf einem Sonderparteitag mit dem Thema Rechtsextremismus und den Bezügen des rechtsterroristischen NSU nach Baden-Württemberg beschäftigen. (Focus Online, Reutlinger General-Anzeiger)

Aus Frankreich ausgewiesene Schülerin: Leonarda lehnt Hollandes Angebot ab

Die 15-jährige könne ihre Schulausbildung in Frankreich fortsetzen, schlägt der Präsident vor. Aber ihre Familie darf nicht zurück. Das sei Rassismus, entgegnet das Mädchen. (taz)

Auszeichnungen für „Hellersdorf hilft“ und NSU-Watch

Die Bürgerinitiative „Hellersdorf hilft“ wird mit dem diesjährigen Preis für Zivilcourage gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus ausgezeichnet. Der von der Jüdischen Gemeinde Berlin und dem Förderkreis „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ ausgelobte Preis wird am 29. Oktober bei einem Charity Dinner in der Bundeshauptstadt übergeben, teilte der Förderkreis am Donnerstag mit. (Jüdische Allgemeine) Auch die Website NSU-Watch wird geehrt: Sie erhält in diesem Jahr den Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus in der Kategorie Medienprojektpreis. Das vom Berliner Antifaschistischen Pressearchiv betriebene Projekt dokumentiert den Verlauf des Münchner Prozesses gegen Beate Zschäpe und ihre Mitangeklagten. NSU-Watch stellt die Protokolle der Verhandlungen ins Netz. (taz)

Gera: Rechte melden Konzert für 2014 an

Mit über acht Monaten Vorlauf hat die rechtsextreme NPD bereits jetzt ihr Propagandafestival „Rock für Deutschland“ für 2014 in Gera angemeldet. Die Stadt Gera bestätigte am Freitag auf Nachfrage die Information des Runden Tisch für ­Toleranz und Menschlichkeit. (Ostthüringer Zeitung) Unterdessen hat die Polizei am Samstagabend ein Neonazi-Konzert in Suhlendorf (Kreis Uelzen) aufgelöst. Mehrere rechte Musikgruppen hätten unter dem Deckmantel einer Geburtstagsfeier in einem Gemeindehaus auftreten wollen, sagte eine Polizeisprecherin am Sonntag. (Focus Online)

NSU-Prozess: Thüringer Innenministerium muss draußen bleiben

Das Thüringer Innenministerium wollte sich einen Sitzplatz beim NSU-Verfahren in München reservieren lassen. Das geht aus einem der „Thüringer Allgemeinen“ vorliegenden Schreiben vom 22. November des Vorjahres an das Gericht hervor. (Thüringer Allgemeine)

Die Toten Hosen erinnern mit Klassik an Nazi-Terror

Die Toten Hosen auf klassischem Terrain: Die Punkrocker spielten am Samstagabend das erste von drei „Willkommen in Deutschland“-Konzerten in der Düsseldorfer Tonhalle. Mit dem Sinfonieorchester der Robert Schumann Hochschule erinnern sie an von Nazis verfemte Musik. (Der Westen)

Kampf gegen Vorurteile: Diskussion über Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen

„Kreuzberger Gespräche“ sind lang – und kontrovers. Seit 20 Jahren widmet sich die Veranstaltungsreihe des Vereins „Progressive Volkseinheit der Türkei in Berlin“ (HDB) Problemen wie Rassismus und Diskriminierung. Zum Thema „Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen“ diskutierte eine Expertenrunde über die Effektivität des Bildungssystems gegen Vorurteile und Stereotypen. (Jüdische Allgemeine, Berliner Zeitung)

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2020-10-09-wendler-titel

Pandemie-Propaganda-Praktikant Wendler in die Verschwörungsbranche

Was bringt Menschen in Verschwörungswelten? Unter anderem fehlende Umgangsmöglichkeiten mit Unsicherheiten, Langeweile und Angst vor Bedeutungsverlust, sagen Expert*innen. Besonders anfällig sind offenkundig aufmerksamkeitsbedürftige Männer. Jetzt hat es den „Wendler“ gerissen. Und es ist gar nicht so leicht, herauszufinden, welche Wahrheit jetzt wahr ist.

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Selbstermächtigung statt Fremdzuschreibungen – Sinti und Roma setzen Zeichen

Wenn über Sinti und Roma in Deutschland gesprochen wird, dann werden meist dieselben stigmatisierenden Beschreibungen gewählt. Antiziganistische Vorurteile halten sich hartnäckig. Dies zeigen auch erste Ergebnisse einer aktuellen Studie. Um dies zu ändern müsse eben auch mehr mit anstatt über Sinti und Roma gesprochen werden, betonen viele ihrer Vertreter*innen. Dies geschieht aber viel zu selten. Daher ist das Wissen über Kultur und Geschichte der größten europäischen Minderheit in der deutschen Mehrheitsgesellschaft viel zu gering. Auch das wollen Sinti und Roma- Vereine und Stiftungen jetzt ändern.

Von Joschka Fröschner

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