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22.04.2014 … Presseschau

Nach den Rechten sehen: Braunes Treiben zum Hitler-Gedenken  +++  NSU: Neue Fragen nach Tod von V-Mann „Corelli“ +++ Berlin: Keine Mietverträge für Neonazis

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Braunes Treiben zum Hitler-Gedenken

Im grenznahen elsässischen Oltingue feierten mehrere hundert Neonazis mit einem Konzert den 125. Geburtstag Adolf Hitlers. Neonazis aus ganz Europa reisten an, der Veranstaltungsort wurde geheim gehalten und die Teilnehmer*innen per Handy zum Konzert gelotst. Neonazikonzerte im Dreiländereck finden mittlerweile regelmäßig statt – und nicht selten in Frankreich, da dort die Behörden neonazistischem Treiben mit Desinteresse begegnen (www.20min.ch). In Hitlers Geburtsort Braunau wurde unterdessen ein deutscher Nazi festgenommen, er hatte den „Hitlergruß“ gezeigt. Bewohner*innen des Ortes hatten am Abend zuvor mit Demonstration, Kundgebung und Konzert den Opfern des NS-Faschismus gedacht (derstandard.at). Auf publikative.org blickt Patrick Gensing zurück auf rassistische Dynamiken zu Hitlers 100. Geburtstag im Jahr 1989 – ein Vorgeschmack auf die Progrome und Neonazi-Gewalt der 90er Jahre (publikative.org).

NSU: Neue Fragen nach Tod von V-Mann „Corelli“

Zum Tod des V-Manns „Corelli“, der möglicherweise Verbindungen zum NSU hatte, schweigt das Bundesinnenministerium beharrlich.  Weder zum Zeitpunkt des Todes, noch den Umständen, noch dazu, ob der ehemalige V-Mann Thomas R. tatsächlich im Zeugenschutzprogramm gewesen ist, wie es langläufig kolportiert wurde, will sich das Ministerium äußern. Zu diesen offenen Fragen kommen allerdings neue hinzu. So wurde dem Hamburger Verfassungsschutz im Frühjahr eine CD zugespielt, die mit den Kürzeln „NSU/NSDAP“ beschriftet war. Auf der 2006 erstellten CD soll in einigen Dokumenten vom NSU die Rede sein, andere hingegen lassen sich wohl Thomas R., so „Corellis“ bürgerlicher Name, zuordnen. Als Behördenvertreter*innen Thomas R. zu dieser CD befragen wollten, war dieser aber bereits tot (spiegel.de, taz.de, sueddeutsche.de).

Berlin: Keine Mietverträge für Neonazis

Per Kooperationsvertrag haben die großen Berliner Wohnungsbaugenossenschaften „Stadt und Land“ und „Degewo“ beschlossen, keine Mietverträge mehr mit Neonazis abzuschließen. Eine entsprechende Erklärung wurde gemeinsam mit Senatorin Dilek Kolat unterzeichnet. Die Vereinbarung gibt den Genossenschaften nun eine Handhabe, Neonazis aus Gewerbemietverträgen herauszuklagen, wenn diese ihre rechte Gesinnung verschwiegen. Dies war beim Streit um die Neonazi-Kneipe „Zum Henker“ in Schöneweide noch wesentlich schwieriger gewesen (rbb-online.de, tagesspiegel.de).

Verwirrung um antisemitische Flugblätter in der Ost-Ukraine

Das Entsetzen war zunächst groß. Medien hatten übereinstimmend berichtet, dass maskierte Männer in der Ostukraine Flugblätter verteilt hatten, die jüdische Bürger*innen zu einer „Zählung“ und dem Entrichten einer „Judensteuer“ aufforderten. Die Flugblätter verwiesen auf pro-russische Kräfte.  Der Oberrabbiner von Donezk bezeichnet die Aktion mittlerweile als Täuschung, mittels derer die jüdische Bevölkerung im Konflikt um die Ost-Ukraine instrumentalisiert werden solle. Allerdings ist es seit Beginn der Proteste immer wieder zu antisemitischen Ausschreitungen in der Ukraine gekommen (juedische-allgemeine.de bazonline.ch, guardian.com).

Neonazi-Morde müssen als solche erkannt werden

Die Polizei überprüft derzeit 849 Morde auf mögliche neonazistische Motive, die in der Vergangenheit übersehen worden sein könnten. Die offizielle Zahl der Opfer rechter Gewalt steht derzeit bei 63 seit 1990, es ist aber davon auszugehen das Neonazis weitaus öfter mordeten. Die „Deutsche Welle“ nennt Beispiele, bei denen die Behörden die Augen vor einer offensichtlichen rechten Motivation verschlossen, der Potsdamer Politikwissenschaftler Christoph Kopke warnt aber davor, die Verantwortung ausschließlich bei Polizei und Justiz zu suchen. Es gebe Fälle, „wo über Stunden Menschen zu Tode geprügelt wurden und es mehrere Zeugen gibt, die sich raus gezogen haben, Tür zugemacht, Rolläden runter gelassen. Hier ist die Empathielosigkeit der Umgebung fast noch schlimmer als die Tat“ (dw.de).

Protest gegen rechte Ludendorffer

In der norddeutschen Heidegemeinde Dorfmark haben sich am Ostersonntag Mitglieder der rechten Gruppierung des „Bundes für Gotterkenntnis“, besser bekannt als Ludendorffer, zu ihrem alljährlichen Ostertreffen versammelt. Das Treffen des vom Verfassungsschutz als „rechtsextrem und fremdenfeindlich“ eingestuften Vereins traf auf Widerstand. Ein breites Bündnis unter dem Motto „Nie wieder wegschauen – Rassisten nicht verharmlosen“ hatte zu Gegenaktivitäten aufgerufen. Nach Augenzeugenberichten wurde dabei ein Fotojournalist von einem der Ludendorffer tätlich angegriffen (ndr.de 1, ndr.de 2). Ein weiterer Ludendorffer muss sich unterdessen ein neues ehrenamtliches Betätigungsfeld suchen. Der Altmärkische Tierschutzverein Kreis Stendal e.V. setzte seinen langjährigen Vorstand ab, nachdem dessen Mitgliedschaft im „Bund für Gotterkenntnis“ bekannt geworden war (mdr.de).

Polnische Neonazis verfolgen ihre Gegner

Auf der polnischen Neonazi-Internetseite „Redwatch“ veröffentlichen Neonazis Listen mit den Namen und Adressen von unliebigen Personen, also von Menschen die sich gegen Rassismus und Faschismus engagieren, von Migrant*innen, Linken und Homosexuellen. Die Portraits der Personen sind teilweise mit Fadenkreuz abgebildet, gleichzeitig beteuern die Neonazis zynischer Weise, die Listen stellten keinen Aufruf zur Gewalt dar. Für die Behörden ist ein Einschreiten schwierig, die Server der Website stehen in den USA. Erst als ein Linker nach der Veröffentlichung seines Bildes auf offener Straße niedergestochen wurde, reagierte die US-Staatsanwaltschaft. Aber auch die polnische Regierung und die Polizei nehmen die Drohungen nicht ernst genug (derstandard.at).

Berlin: Kunstprojekt mit Geflüchteten

Geflüchtete kommen in der momentanen Debatte um ihre Situation zu wenig selbst zu Wort, findet der Berliner Künstler Harald Geil. Deswegen will er überdimensionale Portraits von Geflüchteten auf Berliner Hauswände plakatieren, Interviews mit den Abgebildeten können sich Interessierte dann über ebenfalls auf der Fassade angebrachte „QR-Codes“ anhören. Das Besondere an den Interviews: Die Geflüchteten befragen einander zu ihren Erlebnissen und ihrer Situation. Geil meint: „Es gibt viel spezifischere Fragen, die Betroffene anderen Betroffenen stellen“ (spiegel.de).

Hamburger NPD schlingert

„Blick Nach Rechts“ wirft einen genaueren Blick auf die jüngsten Entwicklungen in der Hamburger NPD. Deren Landesvorsitzender, Thomas Wulff, wurde kürzlich vom Bundesvorstand aus dem Amt entfernt.  Zahlenmäßig ist das Personenpotential der Hamburger Neonazis aber gleich geblieben. Gleichzeitig sucht die NPD auch mittels „Stammtisch“ Kontakt und Unterstützung der nicht parteigebundenen Neonazi-Szene (bnr.de).

Europäischer Gerichtshof: Bezeichnung „Neonazi-Verein“ durch Meinungsfreiheit gedeckt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem Urteil vom 17. April entschieden, dass die Bezeichnung „Neonazi-Verein“ von der Meinungsfreiheit gedeckt ist – auch wenn es für die Berechtigung der Äußerung nur Indizien und keine Beweise gibt. Geklagt hatte ein hessischer Aktivist, der vor der Wahl eines Stadtrats wegen Verwicklungen mit der Neonazi-Szene gewarnt hatte. Deutsche Gerichte entschieden zunächst gegen den Hessen, untersagten ihm das Verteilen von Flugblättern auf denen er auf das Treiben der „Neonazi-Organisation Berger-88 e.V.“ hinwies. Der EGMR sah dies anders:  „Was einen Nazi kennzeichne, sei keine Frage der Wahrheit, sondern eine der Wertung –  und ob für diese ausreichende Anzeichen vorlägen, eine Frage der Verhältnismäßigkeit (huffingtonpost.de).

AfD-Jugend übt sich im Antifeminismus

Die Junge Alternative (JA), Nachwuchsorganisation der AfD, hat ihr Wahlplakat zur Europawahl vorgestellt. Für „Gleichberechtigung statt Gleichmacherei“ werben 5 Frauenhintern. Die Taz fragt sich: „Aber was haben fünf identische Popos am Strand damit zu tun? Ist das Gleichmacherei? Oder Gleichberechtigung? Wie sehen gleichberechtigte Hinterteile in Tangas aus?“ Klar ist hingegen: Stimmung gegen das zu machen, was die AfD „Genderunfug“ nennt, ist für die AfD Kernbestandteil ihres Programms. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen etwa hält Gender-Mainstreaming für eine „gefährliche, latent totalitäre Anmaßung“, die „unser aller Persönlichkeit“ umformen solle (taz.de).

Als Afrodeutsche in Nazi-Deutschland

Die Taz zeichnet die Erlebnisse von Marie Nejar während und nach der NS-Zeit nach. Die 1930 geborene Schwarze Deutsche erzählt der Zeitung von ihrer Jugend in Hamburg und der Liebe ihrer Großmutter, Auftritten in NS-Propagandafilmen, Ausgrenzung und Zwangsarbeit (taz.de).

NS-Dokumentationszentrum soll 2015 in München eröffnen

Die bayerische Hauptstadt will ihr braunes Erbe mit einem Dokumentationszentrum aufarbeiten. Im April 2015 öffnet das Haus, das darüber aufklären soll, welche zentrale Rolle München, „Hauptstadt der Bewegung“, im Nationalsozialismus spielte. Das Zentrum ist dabei nicht als Museum angelegt, sondern als Lern- und Erinnerungsort. Das Dokumentationszentrum entsteht genau dort, wo bis zum Kriegsende 1945 das „Braune Haus“ stand, die Parteizentrale der NSDAP (derstandard.at).

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Leipzig Fussball Lok 13379

Leipziger Fußball Bei Lok nur rechts außen? – Teil 1

„Wir sind die Krieger – wir sind die Fans – Lokomotive Hooligans“ – dieser Sprechchor ist in der Vergangenheit des Öfteren bei Spielen des 1. FC Lokomotive Leipzig zu hören gewesen. Der Ruf des Vereins ist schon seit Jahren beschädigt, da sich im Umfeld des Vereins immer wieder bekennende Rechtsextreme umtreiben. Der Sport wird oftmals vom Geschehen abseits des Rasens überschattet.

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