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22.10.2012 … Presseschau

Nach den Rechten sehen: „Tickende Zeitbomben“: Mehr als 100 Rechtsextreme im Untergrund +++ NSU-Ermittlungen: Ex-Innensenator Körting vor Ausschuss  +++ Thüringer Innenministerium übergibt Akten an NSU-Untersuchungsausschuss.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

„Tickende Zeitbomben“: Mehr als 100 Rechtsextreme im Untergrund

Auch nach der Enttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) leben nach Angaben der Bundesregierung mehr als 100 zur Fahndung ausgeschriebene Rechtsextreme im Untergrund. „Das Bundeskriminalamt geht mit Stand von Mitte September von zuletzt 110 mit offenen Haftbefehlen untergetauchten Rechtsextremisten aus“, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) der „Welt am Sonntag“. Die Zahl könne sich allerdings seither durch Verhaftungen oder neu hinzugekommene Haftbefehle verändert haben. (Welt Online) Mit Hinblick darauf bekräftigte FDP-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ihre Forderung nach einem Umbau der Geheimdienste: Diese Zahl und die Schwächen der Sicherheitsbehörden zeigten, wie dringend eine Reform sei. Sebastian Edathy (SPD), Vorsitzender des Bundestagsuntersuchungsausschusses zum NSU, sieht die Zahl als „Beleg dafür, dass man die Zwickauer Terrorzelle nicht als isoliertes Phänomen betrachten darf. Wir haben noch mehrere tickende Zeitbomben im Land herumlaufen.“ (Südwest Presse, Welt Online)

NSU-Ermittlungen: Ex-Innensenator Körting vor Ausschuss

Berlins ehemaliger Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wird am Montag vor dem Innenausschuss des Abgeordnetenhauses erstmals zur sogenannten NSU-Affäre aussagen. Er soll darüber Auskunft geben, was er über die jahrelange Kooperation der Berliner Polizei mit einem V-Mann wusste, der auch Kontakte zu der rechtsextremen Terrorzelle NSU hatte. Derzeit prüft ein Sonderermittler im Auftrag von Innensenator Frank Henkel (CDU) die Vorgänge. Körting, in dessen Amtszeit der Vorgang fiel, hatte bisher angegeben, bis September dieses Jahres nichts von dem Fall gewusst zu haben. (RBB Online, Berliner Zeitung)

Thüringer Innenministerium übergibt Akten an NSU-Untersuchungsausschuss

Thüringens Innenminister Jörg Geibert (CDU) hat dem NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag eine weitere Teillieferung von circa 700 Akten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz angeboten, teilte das Thüringer Innenministerium am Sonntag mit. Bereits am Freitag hatte Geibert auf Grund der Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses dem Vorsitzenden, Sebastian Edathy (SPD), sowie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Lorenz Caffier (CDU), die Vorlage weiterer Akten des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz schriftlich angekündigt. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Auswertungsakten, die den Zeitraum zwischen 2003 bis Januar 2012 betreffen. (Thüringer Allgemeine)

Ismail Yozgat: „Er starb in meinen Armen“

Halit Yozgat wurde von Mitgliedern des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ermordet. Während Ermittlungen verschleppt und Akten vernichtet wurden, kämpfte sein Vater Ismail jahrelang gegen falsche Verdächtigungen. In der „Zeit“ spricht er zum ersten Mal über seinen Schmerz. (Zeit Online)

Erfolg für Anti-Nazi-Initiative Aida  – Niederlage für Verfassungsschutz

Der antifaschistische Münchner Verein Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle (Aida) engagiert sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus. Plötzlich tauchte er selbst im Verfassungsschutzbericht auf – als „linksextremistisch“. Jahrelang stritten Verein und Verfassungsschutz darüber. Nun hat der Verein bereits vor der entscheidenden Verhandlung einen Erfolg errungen: Der bayerische Verfassungsschutz darf die mehrfach ausgezeichneten Nazigegner nicht mehr als linksextremistisch bezeichnen. (Sueddeutsche.de, BR-Online)

Wismar: Kreisstadt wehrt sich gegen Nazis

Rund 800 Demonstranten*innen gegen Rechts waren am Sonnabend in Wismar der Gegenpol zu einer Demonstration der rechtsextremen „Jungen Nationaldemokraten“. Dort sollen unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 120 und 275 Nazis durch Wismar marschiert sein. Rund 600 Polizisten*innen der Bundes- und Landespolizei sperrten Teile der Stadt ab und versuchten, gewaltsame Übergriffe zu verhindern. Den Aktiven der „Antifa“ und den friedlichen Demonstranten*innen gelang es dabei, die Route der Rechtsextremen erheblich zu stören und zu verkürzen. Den rassistischen Parolen der Nazis wurden Zwischenrufe und Gesang entgegen gesetzt. Zeitgleich feierten Parteien und Verbände der Stadt und des Landkreises zusammen mit den Menschen vor Ort ein friedliches Demokratiefest auf dem Wismarer Weidendammplatz mit Infoständen und Bühnenprogramm. (Schweriner Volkszeitung, Nordkurier, Endstation Rechts)

Essen: 300 Gegendemonstranten*innen bei NPD-Aufmarsch

Trotz der Debatte um die Unterbringung von Roma-Flüchtlingen im ehemaligen Schulzentrum Lohstraßen in Essen haben rund 300 Menschen in Frintrop Flagge gezeigt gegen einen Aufmarsch der rechtsextremen NPD. Die 23 rechten Aktivisten blieben mit ihren Parolen wie „Touristen willkommen – Asylbetrüger raus“ im Wortsinn isoliert. In Sprechchören bekamen sie zu hören: „Ohne Verfassungsschutz wärt ihr nur zu dritt!“ (Der Westen)

Dresdner Ausländerrat warnt vor NPD-Aktionswochen

Der „Ausländerrat Dresden“ hat vor der sogenannten „Aktionswoche gegen Asylmissbrauch und Islamisierung“ der sächsischen NPD gewarnt. Die Rechtsextremen hatten angekündigt, Ende Oktober bis Anfang November vor sächsischen Flüchtlingsheimen, zentralen Asylunterkünften und muslimischen Kultur- und Gebetshäusern Aktionen zu veranstalten. Der Ausländerbeirat erklärte, die Ankündigung der NPD sei „Drohung und geistige Brandstiftung“ zugleich. „Nirgends darf Menschen ein Podium geboten werden, die in die Fußstapfen der Nationalsozialisten treten“, mahnte der Ausländerrat und rief Schulen, Kirchen, Vereine und lokale Initiativen zu Protesten auf. (MDR Online) Unterdessen prüft die Stadt Leipzig die für den 1. November angemeldete Doppel-Demonstration der NPD vor einer Moschee und einem Asylbewerberheim. Zunächst sei jedoch ein Kooperationsgespräch mit dem Anmelder geplant, hieß es in einer offiziellen Mitteilung des Ordnungsamts. (Oschatzer Allgemeine Zeitung)

Coburg: Fünf Festnahmen bei Anti-Nazi-Demo

Bei Protesten gegen eine Nazi-Versammlung der Jungen Nationaldemokraten (JN) in Coburg ist es am Samstag zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten*innen und der Polizei gekommen. Nach Angaben der Polizei hatten vor allem Teilnehmer*innen aus der linksautonomen Szene Sitzblockaden organisiert, um die Demo von Rechtsextremen zu behindern. Die Polizei nahm fünf Menschen aus beiden Lagern wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Beleidigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerstand fest. Insgesamt beteiligten sich mehrere hundert Teilnehmer an den Demonstrationen gegen Rechts. Unter dem Motto „Coburg ist bunt“ hatte ein breites Bündnis von Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Student*innen und Initiativen gegen die rassistischen Parolen der JN demonstriert. (Nordbayerischer Kurier, Neue Presse Coburg)

Mobilmachung im Kindergarten

Wegen Verstrickungen in die rechtsextreme Szene beurlaubte die Stadt Lüneburg 2010 eine Erzieherin. Die bekam nun vor Gericht Recht – und darf wieder arbeiten. Dagegen protestieren betroffene Eltern. In Briefen an Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) wehren sie sich dagegen, dass die Erzieherin in den Kindergarten zurückkehrt. (taz)

Zossen: Kinovorstellung „Kriegerin“ mit Podiumsdiskussion trotz Störversuch von Nazis

Plakativ und schockierend erzählt der Film „Kriegerin“ von David Wendt die Geschichte einer jungen Rechtsextremen und zeigt, dass nationalsozialistisches Gedankengut und Rassismus alles andere als ausgestorben sind – ein Thema, das angesichts der jüngsten Angriffe in der Region eine ungewollte Aktualität hat. Zur Diskussion luden nach einer Gratis-Vorstellung des Films im Zossener E-Werk Jörg Wanke von der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“, Stella Hindemith von der Antonio Amadeu Stiftung und die Landtagsabgeordnete Marie Luise von Halem von Bündnis 90/Die Grünen. Im Publikum galt: „Der Film spielt zwar woanders, doch hier hätte man wohl auch prima drehen können.“ Das zeigte nicht zuletzt der Störversuch zweier in der Region bekannter Nazis. (Märkische Allgemeine)

Kein Engagementpreis mit NPD-Stimmen: Golzheim verzichtet

Die Mitglieder der Interessengemeinschaft „Golzheim aktiv“ sind wütend, fassungslos und traurig. Dabei hatten sie bislang so viel Grund zur Freude. Schließlich war die IG aus dem kleinen Dorf bei der Online-Abstimmung für den Deutschen Engagementpreis im Rennen um Platz eins. Vor den Golzheimern*innen lag nur das Projekt „Endstation Rechts – Storch Heinar“. „Mit großer Bestürzung haben wir erfahren, dass auf Internetseiten verschiedener Landesverbände der NPD, rechtsextremer Organisationen und auf deren Facebook-Seiten zu einer Stimmabgabe für die IG ‚Golzheim aktiv‘ aufgerufen wurde“, sagt IG-Sprecherin Nicole Monz. „Der Grund dafür ist einzig die Tatsache, dass dem Konkurrenten der Gewinn des Publikumspreises unmöglich gemacht werden soll.“ Daraufhin hat die IG „Golzheim aktiv“ ihre Teilnahme am Wettbewerb zurückgezogen. (Aachener Zeitung)

Online-Kampf gegen Nazis: Facebook und Google brauchen „mehr Manpower“ für proaktive Maßnahmen

Die Organisation „jugendschutz.net!“ überwacht das Internet auf jugendgefährdende Inhalte und veranlasst immer wieder die Löschung entsprechender Videos und Websites, zuletzt des rechtsextremen Portals „Altermedia“. Im Interview mit „Endstation Rechts“ erklärt eine Sprecherin, warum sie sich eine aktiveres Eingreifen von Facebook und Google wünscht. (Endstation Rechts)

Troisdorf: Im Westen was Neues

In Troisdorf, der größten Stadt im Rhein-Sieg-Kreis schlossen sich im Sommer 2011 junge Menschen zusammen, um in ihrer Stadt über die Gefahren des Rechtsextremismus aufzuklären. Die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt sie dabei. (Amadeu Antonio Stiftung)

Neuburg: „Wir mischen uns ein“

„Kein braunes Endlager in Sinning“– in den 1990er Jahren wehrten sich engagierte Bürger*innen gegen die Anwesenheit der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ und die Treffen von Nazis in dem kleinen Ort südwestlich von Neuburg. Die NPDler verschwanden, die „Initiative gegen Rechts“ ist geblieben. (Donaukurier)

Sächsischer Förderpreis für Demokratie: Bunter Schall als Widerhall

Gute Arbeit gegen Rechtsextremismus und für eine demokratische Kultur hat viele Gesichter – „Mut gegen rechte Gewalt“ stellt in einer Reihe die zehn Projekte vor, die in diesem Jahr für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie nominiert sind. Den Auftakt macht die Initiative „Bunter Schall als Widerhall“ aus der Oberlausitz. (Mut gegen rechte Gewalt)

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Im Auftrag der EU-Grundrechteagentur wird viermal im Jahr ein Bulletin herausgegeben, das aktuelle Informationen zu (relativ) aktuellen Ereignissen und Entwicklungen…

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