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Berlin-Monitor 2019 Gemessener Antisemitismus in der Hauptstadt

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Am Mittwoch den 21. August wurden die ersten Ergebnisse des Berlin-Monitor 2019 vorgestellt. (Quelle: pixabay)

Berlin gilt als weltoffen – international und tolerant. Trotzdem häufen sich rassistische Taten, darunter eine Vielzahl antisemitisch motivierter. Erst vergangene Woche wurde ein JFDA-Vorstandsmitglied verfolgt und zu Boden gestoßen, kurz zuvor der Rabbiner Yeduha Teichtal in der Nähe einer Synagoge bespuckt und beleidigt. Die Angriffe werden präsenter, verschiedene Formen des Antisemitismus sichtbar.

Unterstützt durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung hat ein Forschungsteam der Universität Leipzig und der Hochschule Magdeburg-Stendal erstmals eine repräsentative Bevölkerungsumfrage erstellt, die sich mit politischen Einstellungen und Diskriminierungserfahrungen von Berliner*innen beschäftigt. Am Mittwoch wurden die ersten Teilergebnisse der Studie präsentiert. Das Fazit: Berlin ist im gesamtdeutschen Vergleich moderat.

Die Ergebnisse: Soziale Abwertung und Solidarität

Die Studie attestiert Berlin als für Pluralität offene Stadt, in der nur ein kleiner Anteil vorurteilsbehafteter Einstellungen Platz finden. Ebenso sei Antisemitismus nur in geringem Maße, mit weniger als zehn Prozent, unter Berliner*innen verbreitet. Antisemitische Einstellungen seien leicht verstärkt in Minderheiten der Bevölkerung verbreitet, darunter AfD-Wählerschaft und Muslim*innen. Dabei lassen sich verschiedene Formen des Antisemitismus auf Personengruppen übertragen: Deutsche ohne Migrationshintergrund tendieren mehr zur „Schuldabwehr“, während israelbezogener Antisemitismus eher bei Migrant*innen auftrat. Aus den Diskriminierungserfahrungen der Berliner Jüd*innen ging hervor, dass Antisemitismus sich auch ohne Übergriffe äußert (wie Besonderung und verkrampfter Umgang).

„Die Studie zeigt, dass Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Schichten auftritt und auch in Berlin für Juden und Jüdinnen alltagsprägendes Phänomen darstellt“, kommentiert Benjamin Steinitz, Projektleiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS). „Die Herausforderung besteht darin, jede Erscheinungsform von Antisemitismus konsequent zu benennen, ohne sich dabei für minderheitenfeindliche politische Agenden instrumentalisieren zu lassen.

Weitere Diskriminierungen fanden in der Hauptstadt aufgrund sozialer Merkmale, aber auch der sozialen Lage statt. Neben Herkunft und Geschlecht, bei denen Muslim*innen und Frauen in der Mehrheit von Diskriminierungserfahrungen berichten, diente auch Einkommen als ein Indikator und zeigte Diskriminierungserfahrungen Langzeitarbeitsloser auf.

In Berlin zeichnet sich ein hohes zivilgesellschaftliches und politisches Engagement ab. Weite Teile der Berliner*innen nehmen an Formen politischer Partizipation teil und lehnen Autokratie ab. Ihre Haltung gegenüber Politiker*innen ist in der Mehrheit ambivalent und unentschieden – Haltungen die in anderen Bundesländern eher selten sind.

Von der Methode zu Maßnahmen

Zwischen Anfang März und Ende April dieses Jahres, wurden insgesamt 2.005 Berliner*innen ab einem Alter von 16 Jahren befragt. Die Umfrage wurde mehrsprachig realisiert, um die Breite der Berliner Gesellschaft zu erfassen: Deutsch, Türkisch, Russisch, Polnisch, Arabisch und Englisch. In dem standardisierten Fragebogen wurde unter anderem nach Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Einkommen und Schulbildung gefragt. Um weltanschaulichen Einstellungen und Diskriminierungserfahrungen zu messen, sollten die Befragten mit Ressentiments behaftete Aussagen bewerten.

Der Berlin-Monitor soll in einem Zweijahres-Rhythmus erhoben werden, „um zu sehen, wo Diskriminierungsarbeit funktioniert und wo nicht“, so Eren Ünsal, Leiterin der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung. Dabei soll jeweils ein anderer Schwerpunkt gesetzt werden, wie Antisemitismus in dieser Befragung. Das Forschungsprojekt steuert auf realpolitische Maßnahmen zu, soll einerseits Qualität und Dynamik demokratischer Alltagskultur abbilden und andererseits die Konzeptionierung von Handlungsstrategien anstoßen. „Wir haben zur Kenntnis genommen, dass es Handlungsbedarf gibt“, so LADS-Leiterin Ünsal. Dabei ziele die LADS auf die Sichtbarmachung von Diskriminierung, Ausgrenzung und Abwertung, aber auch Empowerment ab.

Mick Prinz vom Projekt „Civic.net“ der Amadeu Antonio Stiftung findet es richtig, dass der diesjährige Schwerpunkt auf der Problemlage Antisemitismus liegt. Es sei allerdings schade, dass der digitale Aspekt in der Untersuchung so wenig Beachtung findet. Es seien gerade Soziale Netzwerke, die immer wieder zum Schauplatz von Hass und Ausgrenzung werden. „Deshalb braucht Berlin eine Strategie, Menscheinfeindlichkeit im digitalen Raum systematisch zu begegnen, Betroffene zu unterstützen und zivilgesellschaftliches Engagement zu vernetzen“, so Prinz.

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