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Interview Shitstorm nach „Don Alphonso“-Kolumne: „Es gab für die gar keine Grenze mehr“

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Natascha Strobl dankt im abklingenden digitalen Hassangriffen auf Twitter ihren Unterstützer*innen. (Quelle: Screenshot Twitter)

Wie hat der digitale Angriff auf Sie begonnen?

Die Redaktion von „Panorama“ kam auf mich zu und hat mich gebeten, zwei Instagramposts politisch einzuschätzen. Einen mit dem Hashtag #defendeurope – ein Slogan der rechtsextremen „Identitären Bewegung“, verwendet auf einem Profil eines „identitären“ Aktivisten, und einen, der ein Foto der Bücher der Reihe „Kaplaken“ aus dem neurechten „Antaios“-Verlag zeigt, mit der sinngemäßen Unterschrift, diese rechtsextreme Literatur sei „wie eine Impfung“. Gerade diesen letzten Beitrag fand ich sehr eindeutig rechtsextrem, aufgrund des Verlages, der Autoren und ihrer Themen, und sagte dies auch. Erst hinterher erklärte mir „Panorama“, dass es bei den Likes um ein ranghöheres Mitglied der Bundeswehr gehe. Aufgrund dieser Erklärung meinte ich, dass ich es für einen Repräsentanten des Staates sehr unangemessen finde, rechtsextreme Postings zu liken. Den Oberstleutnant selbst kannte ich zu dem Zeitpunkt gar nicht. Es ging mir ja auch nur um die Sache, nicht um die Person.

Und was wurde in der Kolumne von „Don Alphonso“ daraus?

Rainer Meyer aka „Don Alphonso“ schreibt eine Kolumne, „Deus ex Machina“, in der „Welt“. Dort wurde ich als wildgewordene Linksextreme dargestellt – weil ich Vorträge auch in einigen Veranstaltungsorten linker Gruppen gehalten habe. „Don Alphonso“ suggerierte, ich hätte Oberstleutnant Marcel B. explizit schaden wollen, ihn outen und aus dem Job komplementieren. Ich sei federführend verantwortlich dafür, dass es ihm schlechtginge. Das ist absurd, da ich diesen Zusammenhang ja überhaupt nicht kannte, als ich gefragt wurde, ebensowenig die Person. Auch weitere Aussagen im Text über mich sind schlicht falsch – manche hat der Autor dann auch später geändert, aber ohne dies zu kennzeichnen.

Also eine Kolumne mit unwahren Behauptungen und windigen Konstruktionen, in der „Don Alphonso“ mit Ihnen eigentlich das gemacht hat, was er Ihnen fälschlicherweise vorgeworfen hat. Das ist ärgerlich, teilweise vielleicht auch justiziabel. Trotzdem könnte man darüber hinwegsehen, wenn es dabei bliebe. Das war aber offenkundig nicht der Fall.

„Don Alphonso“ hat eine sehr aggressive, menschenfeindliche Fan-Community. Als die sich einmischte, wurde es für mich sehr belastend. Zur Klarstellung: Ich bin ja viel auf Twitter aktiv, und hatte dort nach Erscheinen des Artikels schon mit einigen Konservativen und Bundeswehr-Fans diskutiert, die nicht mit meiner Analyse einverstanden waren. Diese Diskussionen waren aber vollkommen in Ordnung, auch wenn sie engagiert geführt wurde, aber es ging immer um die Sache. Als „Don Alphonso“ mich seinen Fans präsentierte, ging es ganz stark ins Persönliche. Es kamen nur noch Abwertungen, Bedrohungen gegen mich und meine Familie. Auf Twitter geschah das öffentlich, im Sekundentakt, und als Privatnachrichten, auf Facebook, per Mail – und irgendjemand aus dem rechtsextremen Mob hat dann auch die Gedenkseite, die ich für meinen verstorbenen Vater aufgesetzt habe, gefunden, und hat dort das Kondolenzbuch mit Hass gefüllt. Es gab für die keine Grenze mehr.

Wie sind Sie mit dieser Situation umgegangen? Gab es Dinge, die Ihnen geholfen haben, und die Sie anderen Betroffenen empfehlen könntest?

Mein erster Tipp wäre: Account abgeben. Als die Hassbotschaften Überhand nahmen, habe ich den Account an Freund*innen abgegeben, denen ich vertraue. Die haben für mich rechtssichere Screenshots gemacht, das Schlimmste gelöscht, geblockt. Das hat mir wahnsinnig geholfen. Das haben wir drei Tage lang so gemacht, danach war ja das Schlimmste vorbei. Ich kann das nur empfehlen, denn man braucht ja z.B. Screenshots, um rechtlich gegen Äußerungen vorgehen zu können, man will ja auch wissen, was dort passiert – aber man sollte es sich nicht persönlich alles ansehen.

Was mir auch geholfen hat: Sehr viel Zuspruch und Solidarität in Sozialen Netzwerken. Das hilft vor allem, weil sich durch solche Angriffe dein Selbstbild verschiebt. Irgendwann fängst Du an zu denken: „Habe ich einen Fehler gemacht? Was, wenn dieser Shitstorm meine Existenz zerstört, alle Auftraggeber abspringen?“ Da ist er sehr wichtig, von positiven Stimmen gespiegelt zu bekommen, dass dies nicht der Fall ist. Vielen Dank an alle, die mir geschrieben haben!

Und dann hat sich „Hate Aid“ bei mir gemeldet, eine Organisation, die Opfer von Online-Hass praktisch juristisch unterstützt. Ich bin so dankbar für Ihr Arbeit. Sie haben mir ganz viel abgenommen, versichert, dass sie alle Hassbeiträge juristisch screenen und mir dann auch helfen, sie anzuzeigen. Das ist eine enorme Entlastung. Andererseits waren viele Twitteraccounts auch offenkundig anonyme, falsche Accounts, die extra für den Angriff angelegt wurden, vielleicht auch Bots – da wird eine Strafverfolgung schwierig.

Sie sind leider nicht die erste Person und vor allem nicht die erste politisch aktive Frau, die „Don Alphonso“ auf diese Weise in seiner Kolumne und auf Twitter markiert und dem Hass seiner Fans ausgesetzt hat – und die dann ihre Lebenszeit damit verbringen musste, die Scherben aufzukehren.

Nein, tatsächlich haben sich viele Frauen, aber auch Männer bei mir gemeldet, die durch „Don Alphonso“-Erwähnungen Ähnliches erlebt haben, zum Teil auch Schlimmeres: Die ihren Wohnort wechseln mussten, Sicherheitsvorkehrungen treffen, die sich nicht mehr auf die Straße trauten. Was mich erschüttert: Dass die Chefredaktion der „Welt“ sich da nicht in der Verantwortung sieht für das, was ihr Kolumnist systematisch wieder und wieder an Hass und Menschenfeindlichkeit verbreitet. Dass sie sich wegducken, dass es für Rainer Meyer keine Konsequenzen hat. Das sieht nach schweigender Unterstützung aus. Langfristig aber, glaube ich, könnte nur interner Druck eine Veränderung bewirken. Sind die Klicks so gut, dass man dafür grundlegende demokratische Debattenprinzipien drangeben kann?

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