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Rheinland-Pfalz 2011 Verfestigung der Strukturen und „Blood & Honour“-Konzerte

Unsere Fragen beantwortet heute das Netzwerk für Demokratie und Courage Rheinland-Pfalz.

Was waren die wichtigsten Ereignisse in Rheinland-Pfalz 2011, bezogen auf Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus?

Das größte Problem in Rheinland-Pfalz ist die Beständigkeit der neonazistischen Szene. Durch die Organisation von Konzerten und die Pflege von Opfermythen und einigem mehr konnte sie sich gerade im ländlichen Raum weiter festsetzen.

Anfang Juli gelang es den „Hammerskins Westmark„, ein konspiratives Konzert in Frankreich zu organisieren, zu dem bis zu 2.500 Teilnehmer*innen aus ganz Deutschland angereist waren. Grund für die hohe Beteiligung dürfte auch die gute Vernetzung der „Hammerskins“ sein. Sie unterhalten Verbindungen zum in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“. Da es sich um ein internationales Netzwerk handelt, bestehen ebenso Kontakte zu Mitgliedern des Netzwerks in Frankreich und Belgien. Auch die „Chaos Crew„, eine Vereinigung von Neonazis im Moselgebiet, veranstaltete erfolgreich Rechtsrock-Konzerte in Rheinland-Pfalz. Ein Konzert der Bremer Gruppe „Kategorie C ? Hungrige Wölfe“ im August in Kaiserslautern war bei rechten Fans des 1. FC Kaiserslautern sehr beliebt.

Die Vernetzung der „Freien Kräfte“ ist innerhalb des Bundeslandes durch zwei Aktionsbüros (AB) organisiert. Im nördlichen Rheinland-Pfalz ist das „AB Mittelrhein“ aus Nordrhein-Westfalen aktiv, in der Pfalz agiert das länderübergreifende „AB Rhein-Neckar“, in dessen Aktionskreis die Stadt Ludwigshafen fällt.

Abseits von Konzerten sind die „Freien Kräfte“ gemeinsam mit der NPD auf „Mythologisierungsveranstaltungen“ wie „Trauermärschen“ und revisionistischem „Gedenken“ aktiv. So beteiligten sich Neonazis aus Rheinland-Pfalz nicht nur an dem „Trauermarsch“ im Februar in Dresden, sondern auch an dem Angriff auf das Hausprojekt „Praxis“ in Dresden-Löbtau. Am 19. November fanden in Remagen erneut eine Kundgebung und eine Demonstration im „Gedenken“ an die angeblich eine Million toten NS-Soldaten des örtlichen Rheinwiesenlagers statt. Als Reaktion auf die polizeiliche Repression im Vorjahr fiel der Protest gegen den Geschichtsrevisionismus der Neonazis sehr verhalten aus. Lediglich ein Friedensgebet wurde realisiert. Am Folgetag fand ein „Opfergedenken“ am „Feld des Jammerns“ in Bretzenheim statt. Dort sprachen unter anderem die Landesvorsitzende der NPD, Dörthe Armstroff, und ihr Stellvertreter Safet Babic.

Die NPD und die „Freien Kräfte“ arbeiten in Rheinland-Pfalz sehr eng zusammen. Bei der Landtagswahl halfen die „Freien“ beim Anbringen der Wahlplakate. Auf der Wahlliste fanden sich neben den Parteikadern auch Mitglieder der Kameradschaften. Bei den Wahlen auf der Landesebene konnten die „Nationaldemokraten“ keine Erfolge erringen. Die NPD verfehlte den Einzug in den Landtag. In den Kommunen ist die Partei jedoch stärker vertreten. In der Pfalz dominierten NPD-Plakate das Bild in vielen Ortschaften.

Ein wichtiges Ereignis war im September der Ausschluss des NPD-Mitglieds Safet Babic aus dem Trierer Stadtrat. Damit wurde auf die rechtskräftige Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung des stellvertretenden Landesvorsitzenden und Pressesprechers der Partei reagiert. Das Landgericht Trier hatte im Dezember 2010 eine Bewährungsstrafe von sieben Monaten als Strafmaß beschlossen. Ein Revisionsantrag Babics scheiterte. Sein Platz im Stadtrat musste an ein nachrückendes Mitglied er NPD übergeben werden.

In den Prozessen gegen das „Widerstand-Radio“ werden auch Neonazis aus Rheinland-Pfalz angeklagt. Über einen Zeitraum von 16 Monaten hatte das Internetradio mit rechtsextremer Propaganda weltweit über 150.000 Zugriffe am Tag erreichen können. Auch in Rheinland-Pfalz fanden Razzien statt.

Weitere Aufmerksamkeit wird den „Hammerskins“ und der Gruppe „Ludwigshafener Nazis und Rassisten“ (Lunara) zuteil. Im Zuge der bundesweiten Ermittlungen gegen den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) werden Verbindungen zu den genannten Vereinigungen geprüft.

Bezüglich der Arbeit des Verfassungsschutzes muss darüber hinaus festgestellt werden, dass in Rheinland-Pfalz nach dem Scheitern des NPD-Parteiverbots die V-Leute aus der neonazistischen Szene abgezogen wurden und offiziell keine mehr von Land unterhalten werden.

Im Jahr 2011 hat sich der Rassismus besonders in ländlichen Strukturen verfestigt. Dabei zeigt sich, dass in Gegenden mit einem hohen Migrationsanteil der Rassismus am wenigsten ausgeprägt ist. Antisemitismus findet in Rheinland-Pfalz eine größere Ausbreitung. So wird der Begriff „Jude“ bei Jugendlichen immer häufiger als Schimpfwort genutzt.

Wie sind die Erwartungen für 2012?

Im nächsten Jahr ist zu erwarten, dass sich die Aktivitäten der neonazistischen Szene wieder im Rahmen der bestehenden Kontinuitäten vollziehen. Neben der landesinternen Pflege von Opfermythen durch „Trauermärsche“ und Kundgebungen wird zu beobachten sein, welche Gruppen sich auf den Weg zur Demonstration nach Dresden machen.

Die Förderung von Initiativen und Projekten sollte im nächsten Jahr besonders in der Pfalz verstärkt werden. Dort ist eine Zunahme neonazistischer Aktivitäten zu verzeichnen. Im Bereich der Prävention muss eine gesonderte, langfristige Förderung von Seiten des Landes bereitgestellt werden. Damit könnten kommunale Beratungsstellen finanziert werden, um einer weiteren Ausbreitung des Einflusses der Neonazis etwas entgegen zu stellen.

Das Gespräch führte Jan Rathje.

Mehr im Internet:

| Netzwerk für Demokratie und Courage Rheinland-Pfalz

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

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| Baden-Württemberg: Gewalttätige und bewaffnete Nazi-Strukturen
| Bayern: „Unpolitische“ Neonazis und „gefährliche“ Demokrat_innen
| Berlin: Brandanschläge und verheimlichte Demonstrationen
| Brandenburg: „Spreelichter“ und „Unsterbliche“
| Bremen: Von Wahlkampf und unpolitischen Überfällen
| Hamburg: Rechtsextreme PR-Offensive
| Hessen: Gaskammerpartys und terrorisierte Nachbarn
| Mecklenburg-Vorpommern: Gewalt innerhalb und außerhalb des Wahlkampfes
| Niedersachsen: Bald mit qualifizierter Opferberatung
| Nordrhein-Westfalen: Nazis setzen auf Islamfeindschaft und Gewalt
| Rheinland-Pfalz: Verfestigung der Strukturen und „Blood & Honour“-Konzerte
| Saarland: Proteste gegen „Deutschenfeindlichkeit“ undPotenzielle NSU-Morde
| Sachsen: Ein Todesopfer, eine Terrozelle und viele Nazi-Events
| Schleswig-Holstein: Legitimationsstrategie im Landtagswahlkampf
Thüringen: Mehr als NSU: Rechtsrock-Events und ein neues Schulungszentrum

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