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Ulm Rechtsextremer Treffpunkt aufgeflogen

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(Quelle: Unsplash)

Seit mindestens zwei Jahren mietet der schwäbische Ableger der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB) in Ulm Räume an. In der Oststadt zwischen einer Garage und einem Pizzaservice residiert ein Tarnverein, den die Aktivist:innen für ihre Aktionen nutzen. Jetzt hat eine Recherche des Kollektivs „Rechte Umtriebe Ulm“ das Hauptquartier der Rechtsextremen enttarnt.

Doch nicht nur Reichsbürger:innen sind in Ulm aktiv. Aktivist:innen der IB hatten 2017 in der Stadt AHA gegründet. Die „Alternative Help Association“ legte Flüchtlingshilfe auf IB-Art aus: rassistisch. Die Aktivist:innen behaupteten, vor Ort helfen zu wollen und veröffentlichten Videos, die sie in Flüchtlingslagern im Libanon zeigten. Das Ziel von AHA: Vor Ort helfen, damit ja keine Geflüchteten nach Deutschland oder Europa kommen. Eines der Hauptziele der Aktivist:innen dürfte dabei vor allem Geld gewesen sein. Denn wie bei allen Aktivitäten der rechtsextremen Gruppierung wurde auch bei AHA immer wieder um Spenden geworben. Zwischen 2019 und 2022 war es still um die ausländerfeindlichen Flüchtlingshelfer. Doch am 10. Mai 2022 meldet sich AHA auf ihrer Website zurück und kündigt „mittelfristig die Einstellung der Aktivität von AHA! in Syrien“ an.

Recherchen der Gruppe „Rechte Umtriebe Ulm“ zeigen jetzt, dass die rechtsextreme Gruppierung weiterhin in der Stadt aktiv ist. Die Räumlichkeiten zwischen Garage und Pizzaservice wurden offenbar von einem Tarnverein namens „Schwäbischer Kulturverein e.V.“ angemietet. Doch im Gegensatz zu anderen Immobilienprojekten der Rechtsextremen, wie dem gescheiterten Haus „Flammberg“ in Halle, war bisher öffentlich nichts über die Räume in Ulm bekannt. Öffentlich beworbene Veranstaltungen fanden nicht statt. Stattdessen wurde das Objekt offenbar für interne Treffen, Ausgangspunkt für Aktionen und Materiallager benutzt. Aktivist:innen wurden immer wieder in unmittelbarer Nähe der Immobilie beobachtet.

Der Tarnverein wurde 2017 von mehreren in der Region bekannten IB-Mitgliedern gegründet, etwa dem ehemaligen Leiter der Ortsgruppe Tübingen, Jonathan R. Mehrmals wurde der „Schwäbische Kulturverein“ benutzt, um rassistische Aktionen durchzuführen. Im Februar 2018 nahm der Verein an einem Karnevalsumzug in Konstanz teil, bei dem IB-Mitglieder in Masken von Politiker:innen teilnahmen und ein Banner mit der Aufschrift „Die bunte Republik. Das große Kotzen“ zeigten. Im März 2020 nutzten die rechtsextremen Kader den Verein, um sich im Gästehaus der Deutschen Pfadfinderschaft einzumieten. Die Betreiber des Gästehauses fühlten sich getäuscht: „Wir distanzieren uns aufs Allerschärfste von der ‚Identitären Bewegung‘ und ihren Zielen“, heißt es in einer Stellungnahme.

Durch die aktuelle Recherche ist der geheime Treffpunkt der Rechtsextremen jetzt aufgeflogen. Unbeobachtet sind die Aktivist:innen aber womöglich schon länger nicht mehr. Das Recherchekollektiv „Rechte Umtriebe Ulm“ beobachtet die Räumlichkeiten zwar erst seit 2020, aber offenbar weiß der Verfassungsschutz schon länger über die Aktivitäten in Ulm Bescheid. Denn schon 2018 antwortet die Landesregierung Baden-Württemberg auf eine kleine Anfrage der Grünen: „Die IB verfügt in Baden-Württemberg über keinen offiziellen Sitz, es ist aber bekannt, dass sie Räumlichkeiten im Land angemietet hat.“ Weitere Anfragen an die Landesregierung und den Verfassungsschutz bleiben unbeantwortet oder verweisen darauf, dass weitere Details nicht bekannt gegeben werden könnten, da sie Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden zulassen würden.

Ein Geheimnis sind die Aktivitäten der Rechtsextremen in Ulm spätestens jetzt allerdings nicht mehr. Die IB propagiert seit Jahren Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Hetze gegen Andersdenkende. Das kann sie zumindest in Ulm jetzt nicht mehr ohne öffentliche Beobachtung.

Dabei ist es nicht das erste Mal, dass Rechtsaußen-Akteure in der Region auffallen. 2020 eröffnete Peter Fitzek, der selbsternannte „König von Deutschland“, die sogenannte „Gemeinwohlkasse“ in der Ulmer Innenstadt. In der Bank des Fantasie-Königreichs des Reichsbürgers konnten Interessierte ein Sparkonto eröffnen, das „außerhalb des BRD-Systems“ funktionieren und nichts mit dem „internationalen Finanzsystem“ zu tun haben sollte. Schon 2013 hatte der Fantasie-Monarch die „Königliche Reichsbank“ und die „Kooperationskasse“ gegründet, wegen unerlaubten Bankgeschäften wurde Fitzek 2017 zu drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Ihm wurden Verstöße gegen das Kreditwesengesetz und Untreue bis 2013 vorgeworfen. Der Bundesgerichtshof hob die Strafe später wegen Fehlern in der Urteilsbegründung auf.

Aktuell ist Fitzek auf freiem Fuß. Für die „Kooperationskasse“ soll Fitzek 1,5 Millionen Euro von 38 Unterstützer:innen eingesammelt haben. Zurückgezahlt wurden allerdings nur 500.000 Euro. Auch in Ulm schritt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ein und verbot die Bankgeschäfte. Mehrere hundert Anleger:innen dürften auf die Masche des Reichsbürgers reingefallen sein. Ob sie ihr Geld zurückerhalten, ist unklar. Unter der Kundschaft ist mindestens ein prominenter „Querdenker“: Michael Ballweg höchstpersönlich soll laut Landesverfassungsschutz ein Konto bei den Demokratiefeinden eröffnet haben. Die Filiale in Ulm verschwand im Juli 2021 kommentarlos. In Dresden startete der gelernte Koch Fitzek einen neuen Versuch und eröffnete eine Filiale im Nebenraum einer Bäckerei. Aktuell ermittelt die Staatsanwaltschaft Dresden wegen unerlaubten Bank- und Versicherungsgeschäften gegen die Betreiber:innen.

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