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US-Wahl 2020 QAnon-Fans kandidieren für den Kongress

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"Do you even Q?": Eine "QAnon"-Anhängerin auf einer pro-Trump Demonstration im Oktober 2020 in New York.
"Do you even Q?": Eine "QAnon"-Anhängerin auf einer pro-Trump Demonstration im Oktober 2020 in New York. (Quelle: picture alliance / Zumapress | Stephanie Keith)

Für Anhänger*innen der rechtsextremen Verschwörungsideologie „QAnon“ ist die bevorstehende US-Wahl am 3. November 2020 wie ein Staffelfinale: Ein endgültiger Showdown zwischen Trump und dem „Deep State”, zwischen Erleuchtung und Dunkelheit, Gut und Böse. Sollte Trump gewinnen, dann hat er die dunklen Mächte der pädophilen Eliten besiegt. Aber sollte Trump verlieren, dann ist der geheime Plan dieses satanistischen Klüngels aufgegangen – und das werden die QAnonler womöglich nicht einfach friedlich hinnehmen, wie bereits mehrere Gewalttaten und gar Morde im Namen von „Q“ zeigen.

Die Geburtsstunde der „QAnon“-Verschwörungsideologie liegt im Oktober 2017, als ein anonymer angeblicher Whistleblower namens „Q“ kryptische „Enthüllungen“ auf dem Imageboard „4chan“ postete – später wechselte er zu „8chan“ und dann „8kun“. „Q“ soll für „Q Clearance“ stehen, die höchste Sicherheitsfreigabe des amerikanischen Energieministeriums. Das soll darauf hindeuten, dass „Q” zum direkten Umfeld Donald Trumps gehört. „Q“ zufolge sei der Präsident in einem geheimen Machtkampf gegen den „tiefen Staat“ verwickelt, zu dem angebliche „Eliten” (hinter denen in Verschwörungserzählungen fast immer Juden und Jüdinnen stehen sollen), Pädophile, Satanist*innen, Hollywood-Stars und Politiker*innen der Demokratischen Partei gehören.

Diese „Eliten“ würden Kinder entführen – für ihren internationalen Sexring, aber auch, um in Untergrundlaboren die fiktive Verjüngungsdroge „Adrenochrome“ aus Kinderblut herzustellen, eine Adaption der tradierten antisemitischen Ritualmordlegende. In den USA ist die Verschwörungsideologie schon mit zahlreichen Entführungen, Anschlägen und versuchten Morden, sowie mindestens einem Mord in Verbindung gebracht worden. Das FBI hat „QAnon“ mittlerweile zu einer Inlandsterror-Gefahr erklärt. Dass die „QAnon“-Erzählung unter Trump-Fans grassiert, ist bereits ausführlich dokumentiert worden. Aber auch im Wahlkampf selbst spielt die Verschwörungsideologie eine aktive Rolle: Das „QAnon“-Narrativ ist in der Republikanischen Partei auf fruchtbaren Boden gefallen.

Am 3. November findet neben der Präsidentschaftswahl auch die Kongresswahl statt: Über alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus, dem Unterhaus des Kongress, sowie 35 der 100 Mandate im Senat, dem Oberhaus, wird abgestimmt. Die Monitoring-NGO „Media Matters for America“ zählt 27 Kongresskandidat*innen mit Verbindungen zu „QAnon“, die auf dem Wahlzettel stehen. 25 von ihnen gehören den Republikaner an, zwei sind fraktionslos. 61 weitere „QAnon“-nahestehende Kandidat*innen scheiterten bereits bei den parteiinternen Vorwahlen – darunter auch zwei Demokrat*innen. Droht der US-amerikanische Kongress also nach der Wahl zum Qongress zu werden? Erfreulicherweise stehen die Chancen für fast alle Q-Kandidat*innen schlecht – außer zwei: Marjorie Taylor Greene und Lauren Boebert.

Marjorie Taylor Greene gilt als Trump-treu und „QAnon“-nah seit der ersten Stunde. Die 46-jährige Unternehmerin und Fitnessstudio-Besitzerin ist bereits mehrfach wegen antisemitischen und islamfeindlichen Äußerungen aufgefallen. Für den 14. Kongresswahlbezirk im Bundesstaat Georgia will sie ins Repräsentantenhaus. Präsident Trump fand glühende Worte auf Twitter nach Greenes Nominierung im August als Kandidatin seiner Partei: Greene sei eine Gewinnerin, die nie aufgebe und in allem stark sei – ein kommender Star der Republikaner. Sie erhielt mit 41 Prozent doppelt so viele Stimmen wie ihr republikanischer Herausforderer John Cowan – ein überraschendes und besorgniserregendes Ergebnis, blickt man auf Greenes Unterstützung für Verschwörungsideologien.

Trump gratuliert dem kommenden Star der Partei auf Twitter.

Greene schrieb seit 2017 insgesamt 57 Artikel für die rechtsextreme verschwörungsideologische Webseite „American Truth Seekers“, die das „QAnon“-Narrativ verbreiten. In diesen Texten wirft sie der Demokratischen Partei Satanismus und Pädophilie vor, und beschreibt Trumps Gegnerin in der Präsidentschaftswahl 2016 als „Killer Clinton“. Greene teilt zudem häufig Slogans der „QAnon“-Bewegung wie „Trust the Plan“ und „#GreatAwakening“. In Videos stellt sie „Q“ vor, nennt ihn mehrmals einen „Patrioten“, behauptet, seine Enthüllungen auf „4chan“ seien wahr.

In einem 2017 veröffentlichtes YouTube-Video, das mittlerweile gelöscht wurde, sagte sie: „Es gibt eine einmalige Chance, diesen globalen Klüngel von satanverehrenden Pädophilen außer Gefecht zu setzen, und ich glaube, dafür haben wir den richtigen Präsidenten“. In einem mittlerweile gelöschten Tweet bot sie ihren Follower sogar an, die „QAnon“-Verschwörungsideologie per Direktnachricht zu erklären. Greene greift auch häufig auf das Lieblingsfeindbild von Antisemit*innen zurück: George Soros. Dem jüdischen Shoah-Überlebenden wirft sie vor, mit „den Nazis“ zu kollabieren und selber Nazi zu sein.

Für besonders heftige Kritik sorgte ein Meme, das Greene im September 2020 auf Facebook postete. Auf dem Bild steht Greene mit einem halbautomatischen Gewehr neben den demokratischen, als links geltenden Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez, Ilhan Omar and Rashida Tlaib. „Wir brauchen starke konservative Christen, die in die Offensive gegen diese Sozialist*innen gehen, die unser Land zerreißen wollen“, kommentierte Greene dazu. Zuvor hatte sie gegen Omar und Tlaib gehetzt und behauptete, die beiden Politikerinnen, zwei der ersten muslimischen Frauen im Kongress überhaupt, seien Teil einer „islamischen Invasion“ der Regierung. Auf Greenes Meme folgten Morddrohungen gegen die drei demokratischen Politiker*innen. Facebook löschte das Bild einen Tag später.

Ein Wahlwerbespot der republikanischen Kongresskandidatin Marjorie Taylor Greene (Quelle: Screenshot)

Seit ihrer Nominierung als Kandidatin der Republikaner im August 2020 hat Greene versucht, ihre Verbindungen zur „QAnon“-Bewegung herunterzuspielen. Die Verschwörungsideologie sei nicht Teil ihrer Kampagne, sie habe seit langem nicht mehr darüber geredet, heißt es. Diese unglaubwürdige Distanzierung mag vor allem pragmatische Gründe haben: Führende Republikaner*innen haben Greenes umstrittene Äußerungen stark kritisiert und distanzieren sich reihenweise.

Ihre Wahlaussichten könnten dennoch kaum besser sein: Ihr ländlicher Wahlbezirk ist durch und durch konservativ, ihr Vorgänger Tom Graves (Republikaner) gewann 2018 sein Mandat mit 76,5 Prozent der Stimmen. Dem „Cook Partisan Voting Index“ zufolge sind die Republikaner bundesweit nur in neun anderen Wahlbezirken stärker als in Greenes. Damit wäre ein Wahlsieg für Greene sowieso fast sicher, auch wenn das Rennen zwischen Trump und Biden in Georgia, wo Trump 2016 mit fünf Prozentpunkten gewann, Umfragen zufolge immer knapper wird. Doch nachdem ihr demokratischer Gegner Kevin Van Ausdal aus persönlichen Gründen zurücktreten musste, hat Greene keinen Herausforderer mehr. Laut Gesetz dürfen weniger als 60 Tage vor der Wahl keine neue Kandidat*innen antreten.

Lauren Boebert, die republikanische Kandidatin für den 3. Kongresswahlbezirk im Bundesstaat Colorado, hat ebenfalls Sympathien für „QAnon“ geäußert. Die 33-jährige Restaurantbetreiberin und Waffenrechtsaktivistin hat gute Chancen bei der Wahl: Seit 2011 wählt ihr Wahlbezirk konsequent republikanisch. In vergangenen Jahren ist allerdings der Stimmenvorsprung ihres Vorgängers, des aktuellen republikanischen Abgeordneten Scott Tipton, leicht geschrumpft: 2018 gewann er mit knapp 52 Prozent gegenüber 43 Prozent für seine demokratische Gegnerin. Tipton galt als Trump-Favorit, wurde aber von der Newcomerin Boebert in der republikanischen Vorwahl von rechts überholt – ihr Sieg kam als Überraschung.

Boebert war im Mai 2020 bei „Steel Truth“ zu Gast, einer YouTube-Videoreihe der leidenschaftlichen „QAnon“-Anhängerin und Verschwörungsideologin Ann Vandersteel. Im Interview fragte Vandersteel, ob Boebert die „QAnon“-Bewegung schon kenne. Die Antwort: Sie sei damit sehr vertraut und hoffe, dass es echt sei. Denn es bedeute, dass die USA nur stärker und besser wird. Die Bewegung „motiviert und ermutigt. Es bringt die Menschen zusammen“, so Boebert weiter. Der Auftritt war kein Einzelfall: Auch im Mai war Boebert bei „Patriots‘ Soapbox“ zu Gast, einem einflussreichen „QAnon“-Kanal auf YouTube, der zusammen mit sämtlichen Accounts der Bewegung mittlerweile von der Plattform gelöscht wurde.

Leider keine Fake News: Die republikanische Kongresskandidatin Lauren Boebert bei der verschwörungsideologischen YouTube-Reihe „Steel Truth“ zu Gast.

Ein privater YouTube-Account mit Lauren Boeberts Namen und dem Benutzernamen „@boebert0477“, den sie auf anderen Plattformen wie Twitter verwendet hat, abonnierte zudem mehrere „QAnon“-Kanäle. Trotzdem dementiert sie seit ihrer Ernennung zur Kongresskandidatin im Juni 2020 eine Nähe zur Bewegung. „Ich glaube nicht an QAnon“, sagte sie einem Reporter der Denver Post im Juli. Dem Fernsehsender „FOX31 Denver KDVR“ sagte sie, „QAnon bedeutet vielen Menschen viele verschiedene Sachen“.

So überzeugt von „QAnon“ wie ihre Parteikameradin Greene wirkt Boebert nicht. Ihre Äußerungen zu „QAnon“ bleiben stets an der Oberfläche und beschäftigen sich nicht mit dem Inhalt der Verschwörungsideologie. So liegt es nahe, dass Boeberts lauwarme Unterstützung für „Q“ doch nur politischer Opportunismus ist. Und damit wäre sie nicht allein. Denn bei vielen Kandidat*innen in dieser Wahl, die „QAnon“-Inhalte geteilt haben, wirkt es fast taktisch: Einen Tweet mit dem Hashtag #WWG1WGA zu verzieren, ist niedrigschwellig und unauffällig – kommt aber in verschwörungsideologischen Kreisen gut an. So fungiert es als „Dog Whistle“ für eine eingeweihte Anhängerschaft.

Das beobachtet man auch bei Donald Trump selber: Wenn er zu „QAnon“ gefragt wird, täuscht er oft Ignoranz vor, nur um sich dann sofort zu widersprechen. „Ich weiß nichts von QAnon“, sagte er beispielsweise der „NBC“-Journalistin Savannah Guthrie im Oktober 2020 während einer „Townhall“-Debatte. „Ich weiß aber, dass sie sehr gegen Pädophilie sind. Das bekämpfen sie sehr hart. Aber ich weiß nichts davon“, fuhr er fort. Trump wurde in der Debatte auch dafür kritisiert, dass er eine „QAnon”-Verschwörungserzählung über den vermeintlich inszenierten Tod von Osama Bin Laden retweetete. Laut „Media Matters for America“ hat Trump „QAnon“-Botschaften bislang mehr als 216 Mal geteilt und 129 „QAnon“-nahe Twitter-Profile erwähnt.

Trumps Unterstützung für „QAnon“ wirkt – wie bei einigen Kongresskandidat*innen – aber vor allem strategisch. So sagte er während einer Pressekonferenz im August 2020: „Ich weiß nicht viel über die Bewegung, außer, dass sie mich sehr mögen, so wie ich das verstehe, was ich sehr begrüße“. Diese eitle Befürwortung ist trotzdem gefährlich: Es spornt eine rechtsextreme und immer gewaltbereitere Online-Bewegung an. Nach der Wahl könnte das Konsequenzen haben.

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