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Zwischen Weltuntergangsfantasien und Antihumanismus The Earth is healing but people are dying

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(Quelle: Screenshot Twitter, Pixabay, BTN)

Ein sonniger Nachmittag Ende März – die Fenster sind offen, die Sonne wärmt den Balkon und draußen hört man kaum noch Autos oder Menschen. Stattdessen lauscht man dem Insektengezirpe und Vogelgezwitscher und genießt die menschenleere Idylle im aufblühenden Frühling.  „The Earth is healing“ steht dazu passend groß auf den sharepics, die wir in unseren Familien-WhatsApp-Gruppen oder in unseren Facebook-timelines finden, wenn wir mal wieder unser Bildschirmlimit verlängern und beim täglichen Corona-Podcast hören durch unsere Netzwerke scrollen.

Darunter liest man von der neuerdings klaren Luft über China und den sauberen Kanälen in Venedig – schön und gut. Nach nur wenigen Wochen Krise in Mitteleuropa mischt sich nun leider Zusehens eine gewaltige Portion Zynismus und Misanthropie in unsere Feeds:

„Covid-19 wouldn’t exist in a vegan world“ verbreiten die Tierrechtsaktivist*innen von PETA und verweisen auf den Mythos der gegessen Fledermaus als Ursache des neuartigen COVID-19 Virus. Das ist im besten Fall sehr, sehr schlechtes Timing – im schlimmsten Fall bösartiger Antihumanismus. Abgesehen davon, dass die Herleitung des Virus aus dem möglichen Verzehr von Fledermäusen noch nicht abschließend belegt ist, bedient sich PETA auch des rassistischen Narratives des „China-Virus“ und knüpft – bewusst oder unbewusst – an die Aussagen von Trump und anderen Rechtspopolist*innen an, dass wir das Problem ohne diese „unzivilisierten Chinesen“ ja gar nicht hätten.

Auch der CDU-Abgeordnete Peter Stein sinnierte darüber, dass „bestimmte Bevölkerungsgruppen“ aufhören müssten „Fledermäuse und anderen Scheiß zu essen“. Komplexe Übertragung- Infektionsketten so zu versimpeln ist nicht nur eben stark verkürzt und rassistisch, es ist vor Allem auch zynisch einen Virus, dem bereits tausende Menschen zu Opfer gefallen sind, in dieser Form für die eigenen Position zu instrumentalisieren.

Andere Grafiken, die zurzeit viral gehen, zeigen eine Zusammenstellung von Viren der letzten Jahre und Jahrzehnte, die alle auf den Verzehr von Tieren oder tierischen Produkten zurückgeführt werden. Auch hier werden die realen Entstehungszusammenhänge und Infektionsketten stark versimpelt und in einen konstruierten Zusammenhang gebracht.

Anschlussfähig ist dieser Gedanke vor allem an die die These der „Schuld“ der Menschen an der Pandemie, der Virus sei hier nur die naheliegende Strafe: „It’s not Corona, it’s Karma!“ posten beispielsweise einige Twitter-Accounts. Natürlich fördert der Wildtiermarkt oder Massentierhaltung die Entstehung von Pandemien. Diesen Zusammenhang ist nicht zu leugnen und es ist unabdingbar, Konsequenzen aus dieser Erkenntnis zu ziehen. Zu einer Zeit, in der tausende Menschen sterben, verkürzte sharapics zu erstellen, Schuldzuweisungen zu verteilen oder den besserwisserischen Zynismus abzufeiern, ist allerdings destruktiv und schlicht fehl am Platz. Solche Standpunkte sind der Tierrechtsbewegung nicht neu. Immer wieder zeigte die Szene, dass sie offen ist für Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und allgemein Antihumanismus und Eugenik-Vorstellungen.  Peter Singer, einer der Vordenker der Ideologie des „Antispeziesismus“, der sich auch PETA verpflichtet sieht, schlug etwa vor, statt Tierversuchen, Versuche an „hirngeschädigten Menschen“ durchzuführen. Auch Shoah-Relativierungen und das Herabsetzten des menschlichen Lebens sind oft genutzte Narrative der Tierrechtsbewegung und in dieses Muster passen auch die jüngsten Vorstöße zur Einordnung der aktuellen Pandemie.

Einen Schritt weiter gehen die Aktivist*innen von „Extinction Rebellion“. Diese Endzeit-Sekte, wie die linke Politik-Aktivistin Jutta Ditfurth die Gruppe bezeichnete, hat in der Vergangenheit sowieso negativ auf sich aufmerksam gemacht, als einer ihrer Gründer etwa mit unangebrachten Shoah-Vergleichen um sich geworfen hat oder durch die Gefährdung ihrer Mitglieder durch unverantwortliche Blockadestrategien. Anlässlich der aktuellen Pandemie viel zumindest Teilen der Gruppe nichts Besseres ein als zu verkünden: „Corona is the cure. Humans are the disease!”

Die Weltuntergangsfantasien der Gruppe, die Ditfurth bereits beschrieben hat, werden hier wieder allzu deutlich. Das Euphorisieren des Virus als „Heilung“ gegen die „Krankheit Menschen“ schafft (in Ditfurths Worten) die von der Gruppe angestrebten „rauschhaften Ängste vor der Zukunft“ und zeigt die in dem diesem Maße gefährliche antirationale Esoterik der Gruppe.

Andere XR-Gruppen distanzieren sich zwar bereits von der Aussage und der Account der Sektion wurde scheinbar durch Twitter gelöscht, dennoch zeigt die Überspitzung den Charakter der Bewegung sehr deutlich, auch wenn diese drastische Zuspitzung zunächst auf Ablehnung stößt. Laut Extinction Rebellion stehen hinter dem fraglichen Posting, rechte Gruppen, die die Bewegung diskreditieren wollten. Außerhalb der Bewegung ist die Gruppe ebenfalls nicht allein mit ihrer Analyse: „We are the Virus“ heißt es oft in den sozialen Netzen, solche Tweets bekommen zehn- oder hunderttausende Likes und sind leider keineswegs eine Nischenmeinung. Die Grenzen zwischen fehlgeleiteten Idealismus, Öko-Faschismus und Eugenik sind hier nur allzu fließend.

Natürlich muss in der aktuellen Krise über vieles nachgedacht werden und jenseits von der akuten Bedrohung durch die Pandemie, stellen sich natürlich auch Fragen, danach wie wir unsere Gesellschaft organisieren wollen und müssen. Nicht zu Letzt beobachten Viele Entwicklung in den Befugnissen der staatlichen Organe mehr als skeptisch und auch Klima- oder Ernährungspolitische Fragen werden wir natürlich verstärkt diskutieren müssen. China etwa hat als eine erste Reaktion den Wildtiermarkt, als vermutlichen Ursprung der Pandemie, verboten und das ist natürlich auch eine richtige Entscheidung. Das ist aber kein Grund und keine Rechtfertigung für verkürzte Memes und das Verbreiten des eigenen Menschenhasses oder von abstrusen Weltuntergangsszenarien.

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