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Völkische Landnahme im Harz In Wienrode sitzt eine rechtsesoterische Siedlerin im Ortschaftsrat

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Blick auf Wienrode (Quelle: Dguendel, CC BY 3.0 / Wikimedia)

Im Harz gibt es schöne Landschaften, unberührte Natur und charmante Städte. Aber auch: Die stetige Ausbreitung und Etablierung rechtsesoterischer und völkischer Siedlungen. Ein Schwerpunkt ist hierbei Wienrode in Sachsen-Anhalt. Diese Ausbreitung hat nun eine neue Stufe erreicht: Im Rahmen der Nachwahl zum Ortschaftsrat am 12. November 2023 in Wienrode wird nun ein Sitz im Ortschaftsrat von Anja Maria „Aruna“ Schulz besetzt. Sie hatte das rechtsesoterische, und laut Verfassungsschutz „gesichert rechtsextremistische“ Projekt „Weda Elysia“ im Harz 2018 ins Leben gerufen, gemeinsam mit ihrem Mann Maik Schulz. Es scheint so, als würde Weda Elysia in Wienrode und darüber hinaus immer mehr Zuspruch erfahren. Gibt es demokratische Gegenstimmen, werden diese bedroht, versucht einzuschüchtern und angegriffen. Leider war diese Strategie der rechtsextremen Siedler:innen in Teilen erfolgreich, denn Gegenstimmen gibt es nur noch wenige.

Aber was passiert, wenn sich Anhänger:innen einer rechtsesoterischen Siedlungsgemeinschaft in machtvollen Positionen befinden? Und was kann noch dagegen unternommen werden? Ruth Fiedler, welche sich schon viele Jahre gegen die Etablierung von völkischem und rechtsextremem Gedankengut in Wienrode engagiert, erzählt in einem Gespräch mit Belltower.News über die Lage vor Ort.

Wie konnte es dazu kommen?

„Es ist uns ein Herzensanliegen, unser Dorfleben gemeinschaftlich, lebendig und mitmenschlich zu gestalten. Was uns in der Wählergemeinschaft ‚Schönes Wienrode‘ eint, ist die Liebe zu unserer Harzer Heimat und zu unserem Dorf Wienrode.“. Mit diesen harmlos klingenden Sätzen, die auf verschiedenen Aushängen in und um Wienrode zu lesen sind, wirbt die Wählergemeinschaft „Schönes Wienrode“ um Stimmen für die Wahl am 12. November 2023. Und tatsächlich war sie damit, wenn auch nur sehr knapp, erfolgreich: Ein Mitglied, Anja Maria „Aruna“ Schulz, hat ab sofort einen Sitz im Ortschaftsrat in Wienrode inne. Die beiden anderen Sitze werden aller Voraussicht nach an die CDU und deren Wählergemeinschaft „Wir für Wienrode“ gehen. Die drei gewählten Positionen üben ihr Amt ab jetzt noch 7 Monate aus, bis Mitte 2024. Danach finden reguläre Neuwahlen statt. Doch worin besteht das Problem dieser Wählergemeinschaft „Schönes Wienrode“, welche sich als heimattreu und naturverbunden darstellt? Es ist die völkische und antisemitische Ideologie des Vereins Weda Elysia, zu welcher die aufgestellten Kandidat:innen einen direkten Bezug haben. Die Gruppierung bezieht sich in ihrem Selbstverständnis explizit auf die zehnbändige, demokratiefeindliche Anastasia-Buchreihe, welche antisemitische, antifeministische und völkische Ideologien transportiert. Seit Juni 2023 werden die völkischen Siedler:innen von Weda Elysia auch vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Einige Tage vor der Wahl fand noch eine Informationsveranstaltung statt, in der der Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt über Weda Elysia informierte und vor deren Gedankengut warnte (siehe MDR) – zu spät, um einen Wahlerfolg noch abzuwenden.

Image: Heimattreu und naturverbunden

Denn es konnte schon in den letzten Jahren beobachtet werden, wie sich Weda Elysia immer weiter im Dorf, aber auch darüber hinaus vernetzte. Die im Sommer 2023 errichtete Kaffeestube im „Haus Lindenquell“, dem kulturellen Zentrum der Siedler:innen-Gruppe, bietet dafür die passenden Räumlichkeiten.
Diese fortschreitende Vernetzung und damit auch Normalisierung der rechtsextremen Siedler:innen, die auch von einem gleichzeitig abnehmenden demokratischen zivilgesellschaftlichen und kommunalpolitischen Engagement profitieren, konnte auch Ruth Fiedler mitverfolgen. Die ehemalige Stadträtin von Wernigerode und Mitinitiatorin des „Bündnis Bunter Harz – Bündnis für Zivilcourage“ engagiert sich schon seit vier Jahren gegen die Etablierung der völkischen Siedler:innen im Harz. Sie konnte beobachten, wie auch überregional bekannte Personen aus der rechtsextremen Szene, von der „Identitären Bewegung“ bis hin zur kürzlich durch das Bundesinnenministerium verbotenen „Artgemeinschaft“ mit Weda Elysia Kontakte pflegen. Die Aufstellung zur Wahl zum Ortschaftsrat betrachtet sie als weiteren „Meilenstein“ in der Etablierung von völkischen Siedler:innen im Harz: „Und das Traurige ist ja, dass Weda Elysia sich so jetzt auch über Wienrode hinaus beliebt machen kann bei den Leuten, die offen sind für diese Hetze. (…) Und wenn sie erneut zur Wahl antreten, nicht nur in Wienrode, sondern im Landkreis, dann werden sie bestimmt auch in den Kreistag gewählt. Sie schaffen es wirklich, die ganzen Themen zu bespielen, die die ganzen Wutbürger mitnehmen“.

Ansprache-Themen

Doch welche Themen sind das? Ruth Fiedler nennt Themen von Naturschutz über Migration und Gesundheit. Häufig werden die menschen- und demokratiefeindlichen Inhalte im Deckmantel von vermeintlicher Naturnähe und Heimattreue transportiert, so dass sie auf den ersten Blick häufig nicht direkt im rechten Spektrum verortet werden. Erst kürzlich wurde eine Veranstaltung auf der Homepage der „Schönen Harzer Heimat“, einer überregionalen Plattform mit starkem personellen Bezug zu Weda Elysia, angekündigt, in der über Windkraft aufgeklärt werden sollte. Die rechte Hetze gegen den Ausbau von Windkraft-Anlagen im Harz hat dabei Tradition. Offenbar hat sich der Veranstaltungsort in Halberstadt jedoch zuvor über die ideologischen Hintergründe der veranstaltenden Gruppe informiert und sich kurzfristig gegen eine Beherbergung entschieden.  Ein kleiner Erfolg, der zeigt, dass über Aufklärungen rechtsextremer Bestrebungen noch Personen zu erreichen sind und man es damit den rechten Siedler:innen erschweren kann, Räumlichkeiten zu finden.

„Der Drops ist gelutscht“

Alarmierend sind die aktuellen Wahlergebnisse der Ortsvorsteherwahl und es kommt die Frage auf, ob es überhaupt noch möglich ist, dem fortschreitenden politischen Engagement der Siedler:innen Einhalt zu gebieten. Ruth Fiedler findet starke Worte: Letztendlich sei „der Drops gelutscht“. Doch es gebe weiterhin Möglichkeiten, sich zu engagieren und dagegen vorzugehen. Dabei sieht sie sowohl die Zivilbevölkerung, als auch die Kommunalpolitik und Medien in der Verantwortung.

Tatsächlich gab es in den letzten Jahren immer weniger kommunalpolitisches Vorgehen gegen Weda Elysia. Heiko Breithaupt (CDU), der hauptamtliche Bürgermeister von Blankenburg, wozu Wienrode gehört, äußerte sich zunächst noch gegen die Siedlungsgemeinschaft, und organisierte 2019 gemeinsam mit Matthias Pöhlmann eine Veranstaltung. Seitdem ging es jedoch nie mehr über „Lippenbekenntnisse“ hinaus, und selbst jene Positionierungen nahmen in den letzten Jahren immer weiter ab.  Dieser Vorwurf gilt auch allen anderen Parteien, einschließlich der LINKEN, bei der Fiedler selbst Mitglied ist, und den Grünen, welche sich zu wenig positioniert und aktiv gegengehalten haben. Das Fehlen des Engagements der Kommunalolitik beeinflusst natürlich auch die Zivilbevölkerung vor Ort, welche sich immer weiter in die Passivität zurückzieht. Den Hauptgrund sieht Fiedler in der Sorge vor dem „Ärger“, welcher ihnen eventuell droht, wenn sie sich einmischen. Die Anhänger:innen von Weda Elysia konnten die Bevölkerung Wienrodes durch verbale Angriffe, als auch Sachbeschädigungen auf kritische Stimmen immer weiter zum Schweigen bringen.

Mechanismen der Radikalisierung durchbrechen

Weiterhin spricht Fiedler von einem selbstverstärkenden Mechanismus, mit dem sich die Zivilbevölkerung immer weiter radikalisieren wird, wenn nichts dagegen getan wird. Sie formuliert: „Wenn ich immer nur höre: ‚Die Regierung ist scheiße. Wir werden im Stich gelassen. Wir bekommen bessere Lösungen von der AfD, bessere Lösungen von dort und dort. (…)‘ Wenn ich das dauernd höre, wenn dummerweise die Leute viel lauter sind als die, die anders denken, (…) dann setzt sich das halt fest“. Fiedler betont, dass es die Verantwortung von allen Demokrat:innen im Harz sei, diesen Mechanismus der Radikalisierung zu durchbrechen und Falschinformationen richtigzustellen. „Deshalb wäre es in der Vergangenheit schon wichtig gewesen, aber jetzt ist es natürlich allerhöchste Eisenbahn, dass sich alle Demokrat:innen bekennen. Und jedes Mal, wenn, egal wo, ob es jetzt Corona-Leugner:innen sind, ob es Wienrode ist mit Weda Elysia, ob es jetzt die ‚Schöne Harzer Heimat‘ ist oder so. Dass sie sagen: ‚So stimmt es aber nicht. So und so, ist es richtig.‘“. Eine weitere wichtige Positionierung müsse außerdem durch die Medien erfolgen, die vor Ort aktiv sind. Die Volksstimme, die dortige Regionalzeitung, hatte nur zu Beginn 2019 eine kritische Berichterstattung über Weda Elysia geteilt, doch seitdem wurde nicht mehr dazu berichtet, bis in den November 2023. Hier sieht Ruth Fiedler ein „massive Versäumnis“, da die Aufklärung und Gegenposition fehlt.

Im Hinblick auf die Ergebnisse der Ortsvorsteherwahl in Wienrode ist es nun mehr als notwendig, diese Versäumnisse von Politik, Medien und Zivilgesellschaft aufzuholen. Mit dem Sitz des Mitglieds eines rechtsextremen Vereins in der Kommunalpolitik muss die Verharmlosung der völkischen Siedler:innen definitiv ein Ende finden, so Fiedler. Sie betont, dass demokratische Wahlen noch lange keine undemokratischen, demokratiegefährdenden Vereine und Parteien legitimieren, sei es Weda Elysia oder die AfD.

Nur nicht leise werden

Es darf deswegen nicht aufgehört werden, sich gegen völkische Landnahme zu engagieren. Und es darf nicht vergessen werden, dass Weda Elysia nicht das einzige völkische und rechtsextreme Siedlungsprojekt in Deutschland ist. Wie Ruth Fiedler betont, „es ist ja nur der Anfang“. Rechtsextreme Neonazis des „III. Wegs“ veröffentlichten kürzlich ein Statement zu ihrem Ziel, nach Ostdeutschland überzusiedeln um sich zu stärken. „Wir müssen jetzt Konzepte entwickeln, wie wir dem Ganzen entgegentreten, angefangen von Vorkaufsrecht bis hin zu ständiger Aufklärung, dass die Rechtsextremen zumindest wissen, sie haben nicht die Rückendeckung von der Mehrheit“. Einige Handlungsempfehlungen zum Umgang mit völkischen Siedler:innen konnten weiterhin in der Broschüre Land unter? der Amadeu-Antonio Stiftung gesammelt werden.

Spätestens jetzt, wenn eine rechtsextreme Unterwanderung immer weiter fortschreitet und die Gründerin eines rechtsesoterischen Vereins machtvolle Positionen einnimmt, muss zivilgesellschaftlich gegengehalten, kommunalpolitisch eingeschritten und medial aufgeklärt werden. Was bedeutet das konkret? Ruth Fiedler spricht von vielen Instrumenten, von Positionierungen beim Schützenfest über Stellungnahmen, Veröffentlichungen und aufklärenden Veranstaltungen. Und vor allem: Nicht leise werden. Immer wieder dem widersprechen, was nicht dem demokratischen Wertekompass entspricht.

 

Das Titelbild wird veröffentlicht unter der Creative Commons-Lizenz CC BY 3.0 Deed.

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