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Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung Was ist die „Europäische Aktion“?

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Mitglieder der "Europäischen Aktion" bei einer Demonstration in Jena 2013 (Quelle: Endstation Rechts)

Bei den Razzien wurde „mehrere Kurz- und Langwaffen, Waffenteile und sonstige Waffen“ gefunden und sichergestellt. Dazu kam „rechtes Propagandamaterial, geringe Mengen Rauschgift sowie diverse Handys und Computer“. In fünf weiteren Bundesländern fanden ebenfalls Durchsuchungen statt: in Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen und Niedersachsen. Insgesamt wurde eine Person festgenommen, gegen die ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Erfurt vorlag. Der Mann muss wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 2300 Euro zahlen oder alternativ 106 Tage in Haft. Ein weiterer Beschuldigter widersetzte sich der Durchsuchung und verletzte dabei zwei Polizeibeamte. Ob gegen ihn ein Haftantrag gestellt wird, prüft die Staatsanwaltschaft Gera.

Der MDR berichtet, dass die Beschuldigten seit Oktober 2016 observiert wurden. Ziel der Ermittler waren dabei wohl Mitglieder der „Europäischen Aktion“, die vom Thüringer Verfassungsschutz beobachtet wird.

Dachverband für Holocaustleugner

Fahnen der „Europäischen Aktion“ sind immer wieder auf rechtsradikalen Demos zu sehen. Auf blauem Grund ist in Gelb das sogenannte „Kruckenkreuz“ zu sehen, das Symbol des Austrofaschismus, der zwischen 1934 und 1938 in Österreich herrschte. Die brandenburgische Landeszentrale für politische Buildung bezeichnet die „Europäische Aktion“ als „Dachorganisation europäischer Holocaustleugner und Rechtsextremisten“.

Die Gruppe wurde etwa 2008 oder 2009 durch den Holocaustleugner Bernhard Schaub in der Schweiz gegründet. Schaub war bis 1993 Lehrer in einer Waldorfschule, die er allerdings verlassen musste, nachdem bekannt wurde, dass er Autor des Buches „Adler und Rose“ ist. In dem 1992 im Selbstverlag veröffentlichten Buch geht es um Verschwörungen. Laut Schaub hatten sich die Westmächte gegen Hitler-Deutschland verbündet. Hitler hätte keine andere Möglichkeit gehabt, als einen Präventionskrieg zu beginnen. Das alles ist aber am Ende ohnehin nur ein „Falle“ gewesen. Die Deutschen sollten nämlich um ihr Ansehen gebracht werden, einmal durch das „stilisierte Monster“ der NS-Zeit, aber auch durch die „fraglichen Massenvernichtungen“ des Holocausts, so Schaub. Er deutet nicht nur an, dass die Shoah lediglich eine „angloamerikanisch-zionistische Propaganda-Lüge“ sei. Laut Schaub seien in Auschwitz höchstens 74.000 Häftlinge gestorben, davon „die Hälfte eines natürlichen Todes“.

Seinen Job als pädagogischer Mitarbeiter an einer anderen Schweizer Schule verlor Schaub schließlich 1999, als eine Rede bekannt wurde, die er in München gehalten hatte. Unter anderem sagte er dort: „Europa ist die Heimat der weißen Rasse“. Am 9. November 2003, dem 65. Jahrestag der November-Pogrome, gründete er zusammen mit anderen Holocaustleugnern, den „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreiten des Holocausts Verfolgten“, dessen Vorsitzender er dann bis kurz vor dem Verbot des Vereins 2008 blieb. Seine Stellvertreterin war damals Ursula Haverbeck.

In der Schweiz war die „Europäische Aktion“ aber nur bedingt erfolgreich. Laut Recherchen von „Ajour“ lebt Schaub mittlerweile in Mecklenburg-Vorpommern. Passend dazu steht im Impressum seiner Website eine Adresse in Nossendorf, einer Ortschaft im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte.

Was will die „Europäische Aktion“?

Vor allem zu Anfang  war die „Europäische Aktion“ eine Art fundamentalistischere „Identitäre Bewegung“. Mitglieder sahen sich als kommende Elite gesehen und wurden von der Führung dazu angehalten, keine „amerikanische Kleidung“ zu tragen. Der Gedanke der „Reconquista“, den sich die IB heute auf die Fahnen geschrieben hat und in dem es darum geht, Deutschland „zurückzuerobern“, spielt dabei von Anfang an ein große Rolle.

Die Gruppe hat eine Art Manifest mit sieben Zielen:

  • Wiederherstellung der freien Rede.
  • Abzug aller fremden Truppen
  • Repatriierung aussereuropäischer Einwanderer
  • Staatliche Selbstbestimmung für die Deutschen der BRD und der BRÖ
  • Schaffung einer europäischen Eidgenossenschaft
  • Überführung des Geld- und Medienwesens ins Volkseigentum
  • Wiederaufbau der Tradition. Kampf der Dekadenz und Naturzerstörung.

Die „freie Rede“ ist laut EA vor allem deshalb in Gefahr, weil Holocaustleugnung verboten ist. §130, der Volksverhetzung unter Strafe stellt und seine österreichischen und Schweizer Äquivalente, werden dabei als „Maulkorbparagraphen“ bezeichnet. In den Augen der EA sind weder Deutschland noch das „zugehörige Österreich“ souveräne Staaten – auch der angeblich fehlende Friedensvertrag, wird aufgeführt, um diese Behauptung zu untermauern –, sondern lediglich Sklaven der USA. Bernhard Schaub schreibt in einer Art Manifest, dass auf der Website der EA zu lesen ist, dass dahinter noch ganz andere Mächte stehen: „Allerdings ist es ein offenes Geheimnis, dass Amerika zwar die Welt kontrolliert – die Israel-Lobby aber Amerika! Diese Lobby und die mit ihr verbundene US-Oberschicht sind die eigentlichen und einzigen Weltkriegssieger.“ Deswegen soll Deutschland zusammen mit Österreich, Teilen der Schweiz und anderen europäischen Ländern eine neue „Eidgenossenschaft“ bilden. Ein Bündnis, das EU und Nato ersetzen soll. Die sieben Ziele geben dabei auch schon einen Einblick in die Welt, wie sie sich die EA vorstellt: zum Beispiel würden Medien verstaatlicht, damit also unter die Kontrolle der EA und ihrer Vasallen gestellt, denn „nur so ist ihre Freiheit und Vielfalt möglich.“ Im Interview mit Vice erklärt dann noch ein österreichisches Mitglied der EA, wer alles von der „Repatriierung“ betroffen wäre: „Alle Völker, die nicht der weißen Rasse zugehören. Das sind die Türken als Tatarenvolk, alle N****, auch alle Araber. Alle die, die nicht zur europäischen Kulturentwicklung gehören.“

Europäische Vernetzung

Die „Europäische Aktion“ ist eigenen Angaben nach in verschiedenen Ländern aktiv und hat eine 13-sprachige Website. In Österreich, Deutschland und der Schweiz soll es „Landesleitungen“ geben. In Liechtenstein, Großbritannien und Frankreich gäbe es Niederlassungen oder Informationsbüros. In Ungarn, Bulgarien, Schweden, Spanien und Weißrussland stehe man in Kontakt mit Gesinnungsgenossen.

 

Flagge der rechtsextremistischen #EuropäischeAktion bei einer #Pegida-Kundgebung am 6. Februar 2016 (Foto: @streetcoverage) pic.twitter.com/srikXggsc9

— Matthias Meisner (@MatthiasMeisner) 23. Juni 2017

 

In Deutschland soll die EA vor allem in Sachsen und Thüringen aktiv sein. Auf Anfrage der Linken-Abgeordneten Kerstin Köditz antwortete Innenminister Markus Ulbig (CDU) schon im Januar 2017, dass es Stützpunkte der Gruppierung in mehreren sächsischen Ortschaften gäbe. Dabei wurde auch bestätigt, dass Vertreter an “Pegida”-Aufmärschen teilgenommen hatten. Damals wurde bestätigt, dass die Staatsregierung weitere Erkenntnisse habe, einer Veröffentlichung stünden „überwiegende Belange des Geheimschutzes entgegen“.

Dem „Tagesspiegel“ bestätigte die Thüringer Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss die Aktivitäten der EA im Bundesland. Die Gruppe sei immer wieder auf Neonazi-Demos präsent gewesen und soll Einfluss auf die Neonaziszene genommen haben. König-Preuss warnte schon 2015 vor den Aktivitäten der Gruppe, die wohl schon damals Trainings in Wäldern veranstaltet habe, einer der Gründe für die aktuellen Razzien. Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Die Linke) fasst die Verbindungen der EA zu den rechtsextremen deutschen Parteien im „Tagesspiegel“ so zusammen: „Die Fäden führen zur NPD, zur Partei ‚Der Dritte Weg‘, zu Thügida und international agierenden Holocaustleugnern. In der Tradition der deutschen Wehrsportgruppen, deren Mitglieder immer wieder für schwerste terroristische Anschläge verantwortlich waren, organisierte die ‚Europäische Aktion‘ Ausbildungslager für Neonazis.“

Naturspiele in der „Zombie-Gesellschaft“

Die „Europäische Aktion“ hat mittlerweile auf ihrer Website auf die Razzien reagiert. Die Gruppe behauptet, dass die „Systemjournaille“ „Falschinformationen und Halbwahrheiten“ verbreitet – hätte man die Medien schon verstaatlicht und unter Leitung der EA gestellt, wäre das natürlich alles nicht passiert. Trotzdem schafft man es in dem Text, sich selbst zu widersprechen. Eigentlich waren die Wehrsportübungen nämlich nur eine „friedliche, gemeinschaftsbezogene und naturverbundene Freizeitbeschäftigung jenseits dieser dekadenten und vor Fäulnis stinkenden BRD-Zombie-Gesellschaft.“ Andererseits aber auch eine „praxisnahe Vorbereitung auf ein mögliches Krisen- und Katastrophenszenario“.

Bei der „Europäischen Aktion“ braucht es keine Zwischentöne. Katharina König-Preuss fasst die Lage in der taz treffend zusammen: „Die EA ist ein Sammelbecken von Holocaustleugnern und Neonazis“.

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