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# 14 Die deutsche Kultur geht zu Grunde, wir werden überfremdet!?

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Das „reine deutsche Volk“ oder die „deutsche Kultur“ war und ist nichts als eine Erfindung. Beginnend mit der Menschheitsgeschichte müsste man sagen: Eigentlich sind wir alle Afrikaner*innen, denn menschliche Knochenfunde aus Äthiopien und Kenia weisen darauf hin, dass die Menschen einst von dort ausgehend die anderen Erdteile besiedelten. Seither ist alle Geschichte immer auch eine Geschichte der Migration, besonders in Europa. Die so genannte „Völkerwanderung“ hunderttausender Menschen in der Spätantike war tatsächlich ein gigantischer Prozess der „Vermischung“ von Menschen unterschiedlicher Herkunft, und das ist in der Geschichte der Normalfall.Im 18. und 19. Jahrhundert flohen Millionen Deutsche vor religiöser Repression und bitterer Armut nach Russland und vor allem nach Amerika. Die daraus resultierende „Leutenot“ machte Deutschland wiederum von Hunderttausenden polnischen Wanderarbeitenden abhängig. Zur Zeit des Nationalsozialismus flohen Hunderttausende jüdische Bürger*innen und andere Verfolgte aus Deutschland, solange es ihnen noch möglich war und sofern ein Land bereit war, sie aufzunehmen. Millionen von Menschen wurden verfolgt und ermordet, weil sie als Gefahr für die „Volksgemeinschaft“ eingestuft wurden – eine schreckliche Folge einer noch heute kursierenden rassistischen Vorstellung, Deutschland würde „überfremdet“.Mit den „Gastarbeitern“ der Nachkriegszeit wurde Deutschland wieder zum Einwanderungsland. Prominente mit Migrationserfahrung gehören heute in Politik, Sport und Fernsehen zur Normalität, Döner und Pizza sind schon lange Bestandteil der „deutschen Kultur“. Auch wenn rechte Populist*innen und gewaltbereite Gruppen versuchen, gegen die Einwanderungsgesellschaft Stimmung zu machen: Die deutsche Bevölkerung war immer schon eine ungeplante Mischung. Migration hat die Gesellschaft dauernd verändert und „uns“ auch zu dem gemacht, was „wir“ heute sind – insofern haben wir alle einen „Migrationshintergrund“.Nur dort, wo lange niemand dazukommt, entsteht der Eindruck, man sei schon immer „unter sich“. Deshalb haben gerade in solchen Gegenden mehr Menschen Angst vor einer vermeintlichen „Überfremdung“, wo statistisch gesehen die wenigsten „Ausländer“ leben.[i] Wo Menschen im Alltag permanent mit neu Zugezogenen in Kontakt kommen, stellen sich dagegen schnell Gelassenheit und Normalität ein.

[i] Siehe z.B. Handelsblatt (Meldung vom 15.08.2012): „Die besten Waffen gegen Rechtsradikale“.

 

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Die Tübinger Eberhard Karls Universität ist nach einem Antisemiten benannt. Am 21. Juli wollen die Gremien der Universität über eine Namensänderung entscheiden. Stimmen, unter anderem aus der CDU, sprechen bereits von „Cancel Culture“. Hanna Veiler ist Vizepräsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) und beschreibt, was der Name für Juden und Jüdinnen bedeutet. Ein Gastkommentar.   

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