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Frauen in der extremen Rechten – Zwischen Parlament, Straßenkampf und Krabbelstube

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Steigender Frauenanteil

Tatsächlich stellen Frauen ein Viertel bis zu einem Drittel der Mitglieder und Aktivistinnen in der NPD, „Autonomen Nationalisten“ sowie rechtsextremen Cliquen und Gruppen. Das haben Forscherinnen und Verfassungsschützer gleichermaßen beobachtet. Damit ist der Frauenanteil in der extremen Rechten kaum geringer als bei den meisten demokratischen Parteien ? lediglich bei Bündnis 90/ Die Grünen sind es über 30 Prozent – und deckt sich mit dem Anteil von Frauen, die in soziologischen Untersuchungen eindeutig rechtsextreme und fremdenfeindliche Einstellungen vertreten. So kamen beispielsweise die Sozialwissenschaftler Oliver Brähler und Elmar Decker in ihrer Studie „In der Mitte angekommen“ (Berlin, 2006) zu dem Ergebnis, dass ein Viertel der befragten Frauen offen ausländerfeindlich und rechtsextrem sei. Der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer befürchtet bei Frauen sogar einen Anstieg extrem rechter Positionen. „Frauen sind fremdenfeindlicher, rassistischer und islamophober als Männer,“ lautete das Ergebnis seiner Langzeitstudie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ aus dem Jahr 2004.

Die Vielfalt von Jugendsubkulturen und Lifestyles in der extrem rechten Szene hat die Hemmschwelle für junge Frauen, sich in einer „Kameradschaft“ zu organisieren oder der NPD beizutreten erheblich gesenkt. Denn damit einher geht auch eine breite Palette von Rollenangeboten für Frauen innerhalb der Neonaziszene: von „der Frau an seiner Seite“ bis hin zur eigenständigen „Kämpferin für die nationale Sache“, die in der „Kameradschaft“ bleibt, auch wenn ihr Freund längst wieder ausgetreten ist.

Anwältinnen und Liedermacherinnen

Rechtsextreme Frauen wie Sylvia Stolz aus Ebersberg in Bayern und Gisa Pahl aus Hamburg verteidigen als Anwältinnen notorische Holocaust-Leugner und neonazistische Gewalttäter. Christiane Dolscheid betreibt mit dem „Club 88“ in Neumünster einen der ältesten und bekanntesten Neonazi-Clubs in Norddeutschland und Anett Müller (geborene Möck) aus Schwedt tourt mit Texten wie „Eine Mutter klagt an“ als nationale „Liedermacherin Anett“ bei Aufmärschen von „Kameradschaften“ und NPD durch die Republik. Neonazi-Frauen sind aktiv im „Braunen Kreuz“, dem Sanitätsdienst der Neonaziszene, sie organisieren Rechtsrock-Konzerte und Kundgebungen, unterstützen inhaftierte Gesinnungsgenossen und schließen sich in eigenen Gruppen wie der „Gemeinschaft deutscher Frauen“ (GDF), der „Mädelschar Deutschland“ oder im „Bund Heimatdeutscher Frauen“ zusammen. „Seitdem die Neonaziszene nicht mit mehr von Naziskinhead-Style und Outfit der frühen 1990er Jahre geprägt ist, hat der Frauenanteil auf allen Ebenen zugenommen,“ sagt die Sozialwissenschaftlerin Renate Bitzan. „Rechtsextreme Frauen stellen ein Spiegelbild aller Frauen der Gesellschaft dar,“ ergänzt ihre Kollegin Michaela Köttig.

Stabilisierung der Szene

Gleichzeitig trägt der steigende Frauenanteil zu einer Stabilisierung des extremen Rechten insgesamt bei. Bis vor kurzem gingen vor allem Sicherheitsbehörden davon aus, dass eine feste Beziehung außerhalb der extremen Rechten und anschließende Familiengründung einen wesentlichen Grund für einen Rückzug vieler männlicher Neonaziaktivisten aus der aktiven Szene darstellte. Inzwischen ist die Anzahl junger Neonazifamilien, die mit ihren Kindern gemeinsam an Aufmärschen und Kundgebungen teilnehmen deutlich gestiegen.

Gegen Linke und Emanzen

Unterrepräsentiert sind Frauen in der extremen Rechten laut Polizeistatistiken als Täterinnen bei Gewalttaten. Die Zahlen variieren zwischen drei und höchstens zehn Prozent. Allerdings berücksichtigt dies nicht die Bedeutung von Frauen im Vorfeld einer Gewalttat, ob sie beispielsweise die männlichen Täter bei der Planung ermutigt oder beim Zuschlagen angefeuert und unterstützt haben. Bei Ermittlungen tritt zu Tage, dass junge Frauen in der rechtsextremen Szene ihre „Kameraden“ nicht selten zu Gewalttaten regelrecht anstacheln, indem sie beispielsweise behaupten, sie seien verbal oder sexuell belästigt worden. Dann fordern sie die Bestrafung des vermeintlichen Täters durch die Gruppe. In manchen Fällen treten Frauen auch als Rädelsführerinnen bei Gewalttaten auf. So verurteilte das Amtsgericht Halberstadt eine 22-jährige bekennende Rechtsextremistin am 24. April 2008 zu drei Jahren und sieben Monaten Haft. Das Gericht ging davon aus, dass sie gemeinsam mit zwei etwas älteren Männern im Dezember 2007 eine 19-jährige Frau aus der alternativen Jugendszene im Stadtpark Halberstadts brutal misshandelte. Die 22-Jährige trat dabei als Anführerin auf. Sie eröffnete die Angriff mit der Frage „Bist du links?“, um dann ohne eine Antwort abzuwarten ihr Opfer mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Bei ihrer Festnahme zeigte die junge Frau den Hitlergruß und rief mehrfach „Heil Hitler“.

Auch wenn sich das Rollenbild modernisiert hat ? ideologisch und theoretisch bleibt das Frauenbild der extremen Rechten biologistisch, am Mütter- und Fruchtbarkeitsmythos und am Vorbild der historischen NSDAP orientiert. „Emanzen“, „Abtreibung“, „Gleichberechtigung“ und „Feminismus“ sind nach wie vor zentrale Feindbilder der extremen Rechten. Wie groß der Widerspruch zwischen gelebten und propagierten Frauenrollen ist machte Gitta Schüssler in ihrer Rede beim Bundestreffen des Ring Nationaler Frauen im vergangenen Jahr deutlich: „Für uns nationaldenkende, rechte Frauen steht Volk und Heimat an erster Stelle. Und zwar das deutsche Volk und das deutsche Vaterland ? mit seiner Muttersprache. Was ihm schadet, lehnen wir ab. Feminismus schadet, Gender auch (…), deshalb lehnen wir es ab“.

| Das Thema in der ZDF-Sendung Mona Lisa

Zum Thema

| Ring Nationaler Frauen

| Rechte Frauen in der Männerwelt der NPD – Ein Artikel von Andrea Röpke

| Themenheft: Keine Unschuld vom Lande – Rechte Frauen im ländlichen Raum zum Herunterladen

| Unter der Lupe: Gitta Schüssler

| Unter der Lupe: Stella Hähnel (geb. Palau)

| Unter der Lupe: Sylvia Stolz

Weblinks

| Themenheft: Junge Frauen und Rechtsextremismus zum Herunterladen.

Literatur

| Das Buch Braune Schwestern, Feministische Analysen zu Frauen in der extremen Rechten (Unrast Verlag, Münster/Hamburg, 2005)

| Das Buch Lebensgeschichten rechtsextrem orientierter Mädchen und Frauen. Biografische Verläufe im Kontext der Familien- und Gruppendynamik (Psychosozialverlag 2004)

| Das Buch Selbstbilder rechter Frauen ? Zwischen Antisexismus und völkischem Denken von Renate Bitzan (Reihe Perspektiven, Tübingen, 2000)

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