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Nazis bei Facebook Zwischen Paranoia und Propaganda

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Und so schlägt der Neonazi Andreas V. in der Facebook-Gruppe ?Ruhm und Ehre der Deutschen Mutter? Alarm, er wolle ?Falschmeldungen entgegenwirken?. Was ist passiert? Dies kann V. am besten selbst erklären:

„In der letzten Stunde erhalte ich vermehrt Meldungen ?Profil X? wäre ein linker Maulwurf, danach erhalte ich von X eine Meldung, ?Profil Y? wäre ein linker Maulwurf, kurz darauf sind sich X und Y einig, ?Profil Z? ist auf jeden Fall ein linker Maulwurf. ALLE müssen begreifen, es gibt tatsächlich genug Maulwürfe in unseren Reihen, welche nur einen Zweck haben: Desinformation und Mißtrauen zu verbreiten, die einfachsten Mittel der nachrichtendienstlichen Provokation und Agitation. Alles, was man nicht selbst verifizieren kann, ist erst einmal FALSCH ? wer das unbestätigt weiterverbreitet, ist der wahre Maulwurf!!!“

Der interne Message-Verkehr bei Facebook besteht in rechtsextremen Kreisen zu einem erheblichen Teil aus Warnungen wie: ?Achtung, XY ist ein Antifa? oder ?Verräter? oder beides zusammen. Selbst das FB-Profil von NPD-Chef Udo Voigt sei ein Fake, behauptete ein angeblicher Neonazi vor wenigen Tagen.

?Wer nicht kämpft, hat schon verloren?

Tatsächlich sind bei Facebook zahlreiche Fakes unterwegs, wie beispielsweise auch Michael Fischer*. Der sympathisiert mit den ?Autonomen Nationalisten?, wählt NPD, aber kritisiert auch deren Skandale. Dazu klopft er auf seinem Facebook-Profil Kalender-Weisheiten wie ?Wer nicht kämpft, hat schon verloren?, die in der rechtsextremen Szene beliebt sind. Damit Michael Fischer nicht allein in die Facebook-Welt muss und so leicht als ?Fake? erkannt werden kann, bekommt er noch drei virtuelle Kameraden.

Hakenkreuze, Großdeutschland, Zeichnungen von Neonazis, die auf Anarcho-Schweine eintreten – bei Facebook ist alles möglich.

Neue Kameraden zu finden, das fällt nicht schwer bei Facebook. Michael schickt Freundschaftsanfragen an bekannte Rechtsextremisten oder an Nutzer, welche ihm auf Grund ähnlicher Interessen und Vorlieben automatisch vorgeschlagen wurden. 90 Prozent der Anfragen werden umgehend positiv beschieden, nur die Frau eines hochrangigen NPD-Funktionärs stellt klar: Keine Freundschaften mit Leuten, die sie nicht real kenne. Innerhalb weniger Tage kann sich Michael über Dutzende neue ?Freunde? freuen ? darunter Szene-Größen aus der NPD.

Poesiealbum des ?Nationalen Widerstands?

Michael feiert virtuell Holger Apfels 40. Geburtstag mit, bemitleidet einen militanten Neonazi für seine Beziehungsprobleme und erlebt fast hautnah, wie sich NPD und ?Freie Kräfte? bei Facebook gegenseitig beschimpfen. Auch eine Trauerfeier für den Altnazi Hajo Herrmann wird bei Facebook abgebildet. Michael stöbert in den Familienalben von bekannten Rechtsextremisten und staunt über neue ?nationale Rapprojekten?, welche von Kameraden empfohlen werden. NPD-Bundesvorstand und (Ex-)DVU-Chef Matthias Faust zeigt derweil Bilder seines verbeulten Audis. ?So sehen meine PKW-Reste aus, nachdem ein ?freundlicher? Taxifahrer meinte, mich stehend und links blinkend auf der Straße übersehen zu müssen?, erläutert Faust.

Michaels neuen ?Freunde? schließen ihre Nachrichten mit den hier üblichen Grußformeln wie ?MkG? (Mit kameradschaftlichen Grüßen?) oder einfach ?88? (Heil Hitler). Facebook ? das Poesie- und Familienalbum des ?Nationalen Widerstands?. Da dürfen vermummte Gestalten oder Glatzen, die mit Messern posieren, nicht fehlen. Auch die Berufsbezeichnung ?Terrorist? sticht bei manchen NPD-Freunden hervor.

Rechtsrocker

Michaels virtueller Kamerad Jürgen Wiescher* hofft hingegen weniger auf Kontakte zu rechtsextremen Strategen, er liebt den Fußball und rechte Musik ? sein Freundeskreis wächst noch schneller als Michaels, täglich melden sich Neonazis auf ganz Europa bei ihm, um Freundschaften zu schließen. Jürgen gibt nichts von sich preis, nur ein Name, der auf seine Gesinnung schließen lässt, sowie Rechtsrock- und Propaganda-Videos, welche er bei YouTube findet und bei Facebook veröffentlicht. Den Kameraden reicht das offenbar vollkommen, nach einigen Wochen kann Jürgen einen mehr als 1000-köpfigen Freundeskreis vorweisen.

Auch ein Faschist aus Italien meldet sich und will wissen, ob Jürgen Waffen besorgen kann. Der angebliche Rechtsrocker antwortet lieber nicht. Später findet sich Jürgen sogar in einem Zeitungsartikel über Neonazis bei Facebook wieder ? die Tarnung funktioniert. Etwa zwei Wochen nach dem Artikel wird Jürgens Profil allerdings gelöscht ? nach öffentlicher Aufmerksamkeit scheint Facebook zu handeln.

Zentrales Propaganda-Tool?

Keine andere Plattform ist in den vergangenen Monaten so rasant gewachsen wie Facebook. Ein Teil des gesellschaftlichen Lebens spielt sich hier mittlerweile ab ? eine virtuelle Welt, welche die Realität spiegelt ? und zunehmend beeinflusst. Auch die NPD hat mittlerweile allein auf ihrer FB-Bundesseite mehr als 5000 Freunde, welche jeden Eintrag sofort kommentieren und weiterverbreiten können, dazu kommen etliche Profile von NPD-Unterorganisationen. Die meisten werden mittlerweile öfter aktualisiert als die eigentlichen Homepages der Verbände.

Facebook ist einfach zu bedienen, Facebook ist interaktiv, Facebook kostet nichts. Dies macht die Plattform auch für rechtsextreme Missionare so attraktiv. Das Netzwerk bietet ein modernes Image und hilft den Kameraden, sich weiter zu vernetzen, neue Kontakte zu knüpfen, Strategien zu diskutieren ? oder sich über die Alltagssorgen auszutauschen. Allerdings ist Facebook viel zu unsicher, um hier interne Debatten auszutragen. Dies geschieht in geschlossenen Foren, die auf eigenen Servern liegen.

?Jewbook?

Zudem hegen viele Rechtsextreme große Vorbehalte gegen ?Jewbook?, wie die Plattform in Szene-Jargon genannt wird. Denn Facebook-Gründer Mark Zuckerberg vereint alle Eigenschaften, die Neonazis hassen: amerikanischer Jude, erfolgreicher Geschäftsmann und weltweit tätig. Um so absurder erscheint die Tatsache, dass die Rechtsextremen sich überhaupt in Zuckerbergs Welt bewegen. Gelegentlich wird der Verstoß gegen die rechtsextreme politische Korrektheit zwar thematisiert, doch der Pragmatismus siegt: Facebook gehört zum Alltag, wie Mobilitelefone und E-Mails.

Facebook macht aber auch einmal mehr die Eintönigkeit der rechtsextremen Propaganda deutlich: Diverse NPD-Funktionäre veröffentlichen in ihren jeweiligen Profilen fast identische Einträge, sie hetzen immer wieder gegen 68er und bejammern die angeblich fehlende Meinungsfreiheit in Deutschland, um dann zu vermelden, man habe vor Gericht mal wieder gegen die Politmafia gesiegt. Massentauglich ist das kaum. Facebook dient viel mehr dazu, die Anhängerschaft schnell zu informieren, an die Partei zu binden und zu zeigen: Wir sind auch hier aktiv! Die braunen Seiten in dem Netzwerk mit dem blauen Logo sind die virtuellen Info-Center, bei denen potenzielle Anhänger anklopfen können und postwendend mit Kontakten und Material versorgt werden. Es sind Außenposten des braunen Netzwerks, von denen Interessierte weitergeleitet werden ? direkt in die Szene.

Virtuelle Proteste und reale Erfolge

Allerdings sollten 5000 Freunde für die NPD nicht überbewertet werden ? andere Parteien, Organisationen und Spaß-Gruppen können ein vielfaches dieser Zahl aufbieten ? so beispielsweise ?Kein Facebook für Nazis ? NPD-Seite löschen?. In dieser Gruppe versammelten sich innerhalb weniger Wochen mehr als 400.000 Unterstützer. Solche Initiativen können aber nur erfolgreich sein, wenn dahinter auch reale Strukturen stehen. So scheiterte ?Kein Facebook für Nazis? trotz großer öffentlicher Aufmerksamkeit kläglich, die Seite ist seit Monaten verweist. Dies zeigt: Symbolischer Protest bringt nichts ? außer den Machern hinter dieser Kampagne, die einige T-Shirts abverkauft haben dürften und die Seite dann sich selbst überließen.

Vielversprechender erscheinen hingegen Initiaven wie ?Soziale Netzwerke gegen Nazis?, welche kontinuierlich arbeiten ? und die Betreiber der Netzwerke in die Verantwortung nehmen. Viele große Anbieter unterstützen die Kampagne ? Facebook ist allerdings nicht dabei. Das wäre auch wenig glaubwürdig, denn gegen Neonazi-Propaganda wird hier wenig unternommen. Dafür müsste man Geld in die Hand nehmen und Leute einstellen, die Hasspropaganda löschen. ?Tolerant gegen die Intoleranten? lautet offenbar das Motto. Scheitern könnten die Neonazis bei Facebook allerdings an ihrer eigenen Paranoia ? und/oder am Widerstand von Nazi-Gegnern, die Druck auf Facebook ausüben. Alles wie im ?echten? Leben.

Dieser Artikel erschien am 14.03.2011 auf npd-blog.info. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.

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