Weiter zum Inhalt

Die rechtsextreme „Anti-Antifa“-Strategie

„Anti-Antifa“ nennen Neonazis das gezielte Sammeln von Fotos, Namen und Adressen von vermeintlichen politischen Gegnern. Darunter fallen alle Menschen, die sich öffentlich gegen Nazis engagieren, wie zum Beispiel Journalisten, Politiker, Gewerkschafter und Polizisten.

 

Bei manchen Neonazis heißt diese perfide Taktik, die es schon seit den 1980-er Jahren gibt, in Anlehnung an den historischen Nationalsozialismus „Feindaufklärung“. Vor allem bei Demonstrationen kommt es immer öfter vor, dass als Fotoreporter getarnte Rechtsextremisten Aufnahmen von missliebigen Personen machen und diese später, teilweise mit Namen und Adressen, ins Internet stellen ? oft mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen. Die „Anti-Antifa“-Aktionen der Neonazis gehen von Drohanrufen, über Sachbeschädigungen bis hin zu gewalttätigen Angriffen.

Jüngstes Beispiel ist ein Nazi-Aufmarsch vom 1.Mai 2008. Dort kam es aus dem Aufmarsch heraus von ?Anti-Antifa?.Aktivisten zu massiven Angriffen auf Journalisten, Gegendemonstranten und Polizisten. Mehrere Foto-Journalisten wurden verletzt und ihre Kameras geraubt. In Internetforen feierten die Neonazis später ihren „Sieg gegen die Systempresse“.

Anzeigen als Taktik

Eine weitere Taktik der Rechtsextremen ist es missliebige Personen wahllos aufgrund erfundener Straftaten anzuzeigen. „Wir beobachten in letzter Zeit besonders eine neue ?Anti-Antifa?-Strategie, bei der Neonazis gezielt Personen aus der linken Szene anzeigen, um über die Gerichtsakten an persönliche Daten zu gelangen und die Betroffenen einzuschüchtern“, sagt Szenekenner Falko Schuhmann vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum. Im November 2006 tauchten beispielsweise in Dresden offensichtliche „Anti-Antifa“-Ordner auf, in denen unter anderem Personalausweisnummern, Adressen und Porträtfotos aus Polizeiakten von Angehörigen der linken Szene zu finden waren.

In Berlin saß 2007 ein junger Mann, der sich bei einer Opferberatungsstelle und als Gewerkschafter gegen Neonazis engagiert hatte, für mehr als 100 Tage unschuldig in Untersuchungshaft. Zwei bekannte „Anti-Antifa“-Aktivisten hatten ihn fälschlich beschuldigt, sie mit einem Schlagstock angegriffen zu haben. Das Porträtfoto, das die beiden Neonazis der Polizei gezeigt hatten, stammte aus einer privaten „Anti-Antifa“-Akte und war bei einer Demonstration gegen einen Naziaufmarsch einige Monate zuvor aufgenommen worden. Es dauerte Monate, bevor der beschuldigte junge Mann schließlich am Amtsgericht Berlin freigesprochen wurde.

Nicht überbewerten

Trotz dieser hier genannten Beispiele sollte man die „Anti-Antifa“-Aktivitäten nicht überbewerten. In den meisten Fällen hat es überhaupt keine Folgen, wenn man irgendwann von Neonazis fotografiert wurde. Oft sind die Rechtsextremen nicht geschickt genug überhaupt den Namen der fotografierten Personen herauszufinden. Es gilt also einen kühlen Kopf zu bewahren und sich nicht von den Drohgebärden der Szene beeindrucken zu lassen.

Denn wenn sich zivilgesellschaftliche Kräfte aus Angst von Neonazis fotografiert zu werden nicht mehr trauen öffentlich gegen Rechtsextremismus einzutreten, hat die extreme Rechte genau das geschafft, was sie erreichen will: Einschüchterung und Verunsicherung ihrer demokratischen Gegner.

Zum Thema

| Was tun nach einem rechtsextremen Übergriff?

| Verfassungsschutz zur ?Anti-Antifa?-Strategie

| Die Geschichte der ?Anti-Antifa?

Belltower.News macht gemeinnützigen Journalismus, denn wir klären auf und machen das Wissen von Expert*innen zu Antisemitismus, Rassismus und
Rechtsextremismus und allen anderen Themen der Amadeu Antonio Stiftung für alle zugänglich.
Unsere Reportagen, Recherchen und Hintergründe sind immer frei verfügbar und verschwinden nie hinter einer Paywall. Dafür brauchen wir aber auch deine Hilfe.
Bitte unterstütze unseren Journalismus, du hilfst damit der digitalen Zivilgesellschaft!

Weiterlesen

2014-06-30-zahlen

Verfassungsschutzbericht 2014 Zahlen, Daten, Fakten

Wie viele Neonazis gibt es aktuell in Deutschland? Was machen sie? Wie versuchen Sie, ihre Hass-Ideologie zu verbreiten? Erkenntnisse und…

Von
2013_Saarland_NDC_a

Saarland 2013 Eine Vielzahl rechter Aktivitäten von Lifestyle bis Parteien

Demonstrationen, Kundgebungen, der Aufbau rechter Treffpunkte, Parteien, Kameradschaften, „Einzeltäter“ oder rechte Szenebands: Die Vielzahl rechter Aktivitäten war im Jahr 2013…

Von
2017-03-07-freital urteil 13429

Gruppe Freital Zwischen vier und zehn Jahre Haft für Rechtsterrorismus

Mit langen Haftstrafen zeigt die Justiz Stärke gegen Rechtsterroristen: Ziemlich genau ein Jahr nach dem Start geht heute am Oberlandesgericht…

Von

Schlagen Sie Wissenswertes in unserem Lexikon nach.