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Poetry Slam Kulturkampf bei interkultureller Woche in Speyer

Sharepic der "Jungen Alternative", gepostet auf der Facebook-Seite der Mutter der Verfasserin der rassistischen Texte - AfD-Funktionären Nicole Höchst (Unkenntlichmachtung: BTN). (Quelle: Screenshot Facebook)

 

In der vergangenen Woche kam es in der Postgalerie, einem Einkaufszentrum im rheinland-pfälzischen Speyer, zu einer rassistischen Vereinnahmung einer Veranstaltung für junge schreibbegeisterte Nachwuchstalente. Im Rahmen der Interkulturellen Wochen, welche unter dem Motto „Vielfalt verbindet“ liefen, fanden zahlreiche Veranstaltungen und Workshops statt. So auch der Poetry Slam zum Thema „Zivilcourage“, der gemeinsam von „Speyer ohne Rassismus – Speyer mit Courage“ (SOR-SMC) und dem Jugendstadtrat organisiert wurde. Fünf Minuten Zeit hatten die Kandidat*innen, welche sich im Vorfeld anmelden mussten, um ihre Beiträge vorzutragen. In einem Verfahren mit zwei Runden sollte anhand der Applauslautstärke ein*e Sieger*in gekürt werden. Die 14 jährige Teilnehmerin und Jugendstadtratmitglied Ida-Marie Müller, Tochter der AfD Bundestagsabgeordneten Nicole Höchst trug zwei Texte vor, die vor Menschenfeindlichkeit und diffamierender Begriffe nur so strotzten. Von der affirmativen Benutzung des N- und Z-Worts, über das toxische Narrativ vom geflüchteten Mann, der in das gelobte deutsche Land käme um sich mit Gewalt eine Frau anzueignen, bis hin zu dem Befund Zivilgesellschaft, wie von den anderen Redner*innen vertreten, sei „für den Arsch!“, lies Ida-Marie Müller nichts aus. Kurzzeitig wurde ihr zweiter Beitrag unterbrochen, diesen konnte sie aber nach einem kurzen Moment fortführen. Die Organisator*innen schienen sichtlich überfordert mit der Situation. Erst bei der finalen Entscheidungsfindung für die Siegerehrung entschied man sich für eine Disqualifizierung der Teilnehmerin. Die Bürgermeisterin Monika Knabe (CDU) stellte sich hinter die Entscheidung der Organisator*innen und bemerkte später, der Poetry Slam sei als Plattform für eine öffentliche AfD-Provokation genutzt worden.

Das Youtube-Video eines lokalen Dokumentarfilmes wirbt mit dem Namen der Disqualifizierten im Titel und nicht etwa dem der Veranstaltung. Es wurde mittlerweile über 180.000 mal angeklickt und in sozialen Medien wird die Jugendliche unter dem Hashtag #TeamIdaMarie von einem kleinen Kreis an Fans, die meist männlich und im mittleren Alter sind, zur Kämpferin stilisiert. Angefeuert wird die Kampagne von ihrer Mutter, die zuletzt durch die kleine Anfrage zu Schwerbehinderten für einen kalkulierten Skandal gesorgt hatte und im Kuratorium der Bundeszentrale für politische Bildung sitzt. Sie bezeichnet ihre Tochter in einem Facebook Beitrag als Heldin und wettert gegen eine vermeintliche „Gesinnungsdiktatur“ in Deutschland“. Hier zeigt sich deutlich, wie der Auftritt der Tochter für die eigene Sache instrumentalisiert wird. Gezeichnet wird ein Bild von einer undemokratischen Entscheidung. Das zu einer Demokratie auch Werte, wie der Schutz von Minderheiten gehört und sich nicht nur in der Menge des Applauses messen lässt kommt dabei zu kurz.

Dabei stellt sich natürlich die Frage wie es überhaupt so weit kommen konnte. Es ist eine durchaus gängige Praxis, in der Poetry Slam Szene Beiträge zu disqualifizieren, welche diskriminierend und menschenfeindlich sind. Da es sich auch noch um eine dezidiert antirassistische und für eine offene und liberale Gesellschaft eintretende Veranstaltung drehte, macht die Situation noch fataler. Die Teilnehmerin hätte also spätestens nach dem ersten Beitrag disqualifiziert werden müssen. Im Statement des Jugendstadtrats wird deutlich das man eine derartig „perfide Instrumentalisierung“ der Veranstaltung nicht hinnehmen wolle und spricht von Missbrauch der Plattform für Hetze. Die Intention sei es einen positiven Einfluss auf das friedliche Miteinander zu haben. Der Jugendstadtrat appelliert an die Einhaltung des Artikels 3 Absatz 3 im Grundgesetz, welcher festhält, dass niemand wegen seiner Rasse, seiner Abstammung, seiner Heimat und Herkunft oder seines Glaubens benachteiligt werden dürfe. Des Weiteren kündigte die Jugendstadtratsvorsitzende Corinna Schlosser eine interne Aufarbeitung des Vorfalls an. Ihre Kooperationspartner*innen von SOR-SMC bemühen sich derweil um Schadensbegrenzung. Sie betonten in ihrem Statement, das Recht auf Meinungsfreiheit und entschuldigten sich für etwaige Störungen während der Beiträge von Ida-Marie Müller. Wer aber das Recht auf Meinungsfreiheit hochhält und derlei Beiträge toleriert, sollte sich über Unmutsäußerungen aus dem Publikum nicht wundern. Es sollte nicht der Eindruck entstehen Vorfälle dieser Art, seien Normalität. Schließlich ist man auch in der Verantwortung seine eigenen Grundsätze konsequent durchzusetzen und Betroffene zu schützen. So ist es nun leider gelungen, dass andere Beiträge in den Hintergrund geraten sind und der Aufgabe einen Schutz und Entfaltungsraum für einen interkulturelle Austausch speziell für Kinder und Jugendliche nicht nachgekommen wurde. Für die Zukunft sollte man bereits im Vorfeld die Rahmenbedingungen klären, um Missverständnissen und Vereinnahmungen von Rechtspopulist*innen zur Verbreitung ihres Gedankenguts vorzubeugen.

Das Gedicht der Siegerin Laura Wolber, lässt sich auf der Webseite von SOR-SMC nachlesen. Es geht um alltägliche Diskriminierungserfahrungen aufgrund von Sexismus, Rassismus und Homofeindlichkeit. In den letzten Zeilen fordert sie dazu auf, sich gegen Ungerechtigkeiten gemeinsam stark zu machen. Sie weiß: „Dass alles was heute passiert, Morgen nicht vergessen ist.“

 

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