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„Alternative” Medien PI-News – Zentrale für Muslimfeindlichkeit, Desinformation und Hetze

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PI-News hetzt 2015 gegen Walter Lübke (Quelle: Screenshot)

Der 65-jährige Kasseler Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke wurde in der Nacht auf Sonntag tot in seinem Garten gefunden. Er starb durch einen Kopfschuss aus nächster Nähe. Suizid schloss die Polizei aus.

Überregional wurde Lübcke durch eine einen Ausspruch von 2015 bekannt. Damals hatte er sich bei einem Info-Abend zur Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete eingesetzt und in Lohfelden erklärt, man müsse für die Werte in diesem Land eintreten: „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“ Wie Videos zeigen, reagierten Teile des Publikums äußerst empört.

Die rechte Medienblase tat ihr übriges, um die Wutspirale in rechten und rassistischen Kreisen hochzuschrauben.  Lübcke stand für einige Zeit unter Polizeischutz. Wie der Blog „Volksverpetzer“ zuerst berichtete, erschien auch auf dem Hetz-Blog PI-News ein Artikel zu Lübcke, in dem er als „Volksverräter“ bezeichnet wurde. In den unmoderierten Kommentarspalten auf PI-News wurde seine Privatadresse veröffentlicht, teilweise „sogar mit indirekten Aufforderungen.“

Bisher ist nichts Näheres über den Tot von Lübcke bekannt. Ermittelt wird wegen eines Tötungsdelikts in alle Richtungen, eine heiße Spur gibt es bislang noch nicht. Ob die Tat tatsächlich als Mord eingestuft werden muss, ist ebenfalls noch vollkommen unklar. Solange der oder die Täter*in und das Tatmotiv nicht feststehen, bleibt diese Frage ungeklärt.

 

PI-News konstruiert ein dem Untergang geweihtes Deutschland

Wer im Netz rassistische Nachrichten und Inhalte sucht, wird mit wenigen Klicks auf dem Blog PI-News fündig. 2004 startete der Sportlehrer Stefan Herre im Alleingang den Blog Politically Incorrect (Abkürzung: PI oder PI-News). Offiziell zieht sich Herre im Jahr 2007 zurück, 2011 stellt sich jedoch heraus, dass er noch immer die Fäden in der Hand hält, berichtet „Correctiv“.

Heute schreiben zahlreiche Autor*innen für PI-News, die meisten unter Pseudonym. Die Webaktivist*innen haben sich ganz dem Kampf gegen den Islam verschrieben, den sie mit heftigsten Beleidigungen führen, und zumindest quantitativ scheint der Kampf für die Islam-Hasser*innen recht erfolgreich zu laufen. Laut „Similar Web“ verzeichnete der Blog im April 2019 fast 6,5 Millionen Zugriffe. Die Beiträge auf PI-News grenzen nicht selten am Tatbestand der Volksverhetzung.

Wegen Volksverhetzung, Verbreitung von falschen Informationen oder wegen der massiven Verstöße gegen das Urheberrecht kann man PI-News jedoch nicht belangen. Denn, wer derzeit  für den Blog verantwortlich ist, ist nicht bekannt. Es gibt kein Impressum, die meisten Autor*innen verwenden Pseudonyme. Der Server steht in den USA. Auch über die Finanzierung des Blogs ist wenig bekannt.

Besonders durch die während der Migrationsbewegung angeheizte Stimmung, entwickelte sich PI-News zu einem der bedeutendsten deutschsprachigen Blogs dieser Ausrichtung und ist international mit als islamfeindlich, rechtsextrem oder rechtspopulistisch geltenden Personen und Organisationen vernetzt. Der Blog betont in seiner Selbstdarstellung eine „proisraelische“ und „proamerikanische“ Ausrichtung. Regelmäßige Autor*innen sind unter anderem Michael Stürzenberger (Ex-CSU, Die Freiheit, Pegida München) und Oliver Flesch, ehemaliger Redakteur von BILD und Hamburger Morgenpost.

Im Wahn

Die Hauptthesen des Blogs sind: In Deutschland vollzieht sich eine schleichende „Islamisierung“, die von der Öffentlichkeit nicht in ihrem bedrohlichen Ausmaß erkannt wird; Europa wird von einer Welle der Überfremdung überrollt; die kommerziellen Medien verzerren absichtlich die Realität und behandeln Themen, die mit Migranten und dem Islam zusammenhängen, nicht ausführlich genug. Hier wird ein Bedrohungsszenario kreiert. Menschen, die regelmäßig solche Beiträge lesen, müssen denken, dass Deutschland vor dem Abgrund stehe – wegen dem Islam und der Geflüchteten. Eine Geisteshaltung, die dazu geführt haben könnte, dass ein Kommentator die Adresse des angeblichen “Volksverräters” Walter Lübke öffentlich machte und sich dabei im Recht sah.

Ob es einen Zusammenhang zu dem Mord gibt, ist zur Zeit unklar. Wir wissen nicht, wer für die Tat verantwortlich ist. Der Fall zeigt aber die  alltägliche Bedrohung, der demokratische Aktivist*innen im Netz ausgesetzt sind.

Sei es wie im Falle der „NSU 2.0“-Drohschreiben, an die NSU-Nebenklageanwältin Seda Basay-Yildiz: Ihre Adresse wurde explizit im Drohschreiben erwähnt, oder wie in der Anti-Antifa-Arbeit des neurechten Netzwerks um „Ein Prozent“. Und auch Lübckes Adresse ist nicht die einzige eines ausgemachten Gegners, die in den Kommentarspalten von PI-News veröffentlicht wurde.

Das Sammeln und Veröffentlichen persönlicher Informationen, auch Doxing genannt, ist ein beliebtes Mittel der Einschüchterung. Obwohl sich die Veröffentlichungen in der Online-Sphäre abspielt, reicht die Angst der Betroffenen Angst in dieOffline-Welt – und dies nicht zu Unrecht. 

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