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„Damit haben sie überdreht“

Die Wählergruppe ?Pro Köln? hat für das Wochenende Rechtsextreme aus zahlreichen Ländern in die Metropole am Rhein gerufen. Bisher war die Initiative bis in bürgerliche Kreise akzepiert. Das könnte sich nun ändern.

 

Andrea Asch möchte daran glauben. Schon in der Vergangenheit hatte die grüne Landtagsabgeordnete gehofft, dass die Menschen in der Domstadt die wahren politischen Ziele von Pro Köln durchschauen würden, aber bisher wurde sie stets enttäuscht. Zuletzt war die rechte Truppe mit 4,7 Prozent in den Stadtrat gewählt und selbst in bürgerlichen Kreisen akzeptiert worden. Das könnte sich nun ändern. „Durch die Einladung der gesamten rechten Szene in Europa haben sie überdreht“, sagt Asch.

Pro Köln hat für das Wochenende Rechtsextreme aus zahlreichen Ländern in die Metropole am Rhein gerufen. Unter dem Deckmantel eines „Antiislamisierungskongresses“ bietet man Persönlichkeiten wie Jean Marie Le Pen aus Frankreich ? der inzwischen seine Teilnahme dementiert hat ? Heinz Christian Strache von der FPÖ oder Filip Dewinter vom Vlaams Belang aus dem Nachbarland Belgien auf, um Front gegen Integration zu machen. Offiziell steht bei den Rechten der Protest gegen den Neubau einer Moschee im Mittelpunkt, aber wer die lange Liste der Eingeladenen liest, spürt rasch, dass es um mehr geht. In düsteren Bildern lassen sie den Kölner Dom hinter einer Moschee verschwinden, im Text wettern sie gegen islamische Parallelgesellschaften.

Gegen die rechten Kameraden haben inzwischen weite Teile der Stadt mobil gemacht, so dass sich die Gegenbewegung über reichlich Zulauf freuen kann und am Samstag bis zu 40 000 Gegendemonstranten auf dem Heumarkt erwartet werden. „Das hat eine neue Qualität“, sagt Andrea Asch. „Von den Gewerkschaften bis hin zu den Kirchen stehen die Kölner zusammen gegen Rechte.“ Selbst die Wirte der Altstadt tragen das Motto „Kein Kölsch für Nazis“ mit.

Die lassen sich einstweilen allerdings noch nicht abschrecken. Weil sie in der Stadt keinen geeigneten Veranstaltungssaal anmieten konnten, versuchen sie, den Oberbürgermeister unter Druck zu setzen. Weil Pro Köln im Stadtrat sitzt, darf der Christdemokrat ihnen nicht verbieten, in städtischen Räumen zu tagen, also haben sie ihre internationalen Freunde für Freitagabend zu einer erweiterten Fraktionssitzung eingeladen. Da im Rathaus alle großen Säle durch die anderen Parteien besetzt sind, konnte ihnen Fritz Schramma bis jetzt allerdings noch keinen Ort nennen, an dem sie wirklich zusammenkommen können; sein Vorschlag, sie mögen in den Stadtteil Nippes ausweichen, löste dort sofort so heftige Proteste aus, dass Zweifel bestehen, ob das gelingen wird.

Das geballte Auftreten der Rechten hat inzwischen sogar den innerparteilichen Streit in der Domstadt über den Moscheeneubau etwas beruhigt. Bis in weite Teile der CDU hinein hatte es Widerstand gegen die Höhe der Minarette gegeben und im Rat hatten die Christdemokraten ihren Oberbürgermeister, der mit Ja gestimmt hat, alleine gelassen. Angesichts des rechten Aufmarsches hat die CDU jetzt aber gemeinsam mit allen anderen Kräften einer Resolution gegen den Kongress zugestimmt. Am Donnerstag verurteilte auch der nordrhein-westfälische Landtag einmütig das Treffen. In der von allen vier Landtagsfraktionen ? CDU, SPD, FPD und Grünen ? vorgelegten Erklärung werden dessen Attacken gegen Integration „schändlich“ genannt.

In das Bündnis gegen die Rechten hat sich im Übrigen auch einer wieder eingereiht, an dessen Haltung es in der Vergangenheit den einen oder anderen Zweifel gegeben hatte. Der Publizist Ralph Giordano hatte in der Domstadt vehement gegen den Moscheebau polemisiert und den Integrationswillen vieler Zuwanderer infrage gestellt. Mit seinen Attacken hatte er unter den Intellektuellen der Stadt eine heftige Debatte ausgelöst und war unter anderem mit dem Schriftsteller Günter Wallraff aneinander geraten.

Am Wochenende werden sich nun beide in die Protestfront einreihen. „Pro Köln ist für mich die zeitgenössische Variante des Nationalsozialismus, die mich, wenn sie könnte, in die Gaskammer stecken würde“, formuliert der 85-Jährige. An dieser Stelle trifft er sich mit Wallraff, der ihm bei seiner Einschätzung des Moscheebaus noch heftig widersprochen hatte.

Der Artikel ist im Tagesspiegel vom 19.09.2008 erschienen.

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