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Die Masterarbeit von Franco A. ist eine rassistische und antisemitische Hetzschrift

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Eine Analyse der Masterarbeit von Franco A. (Quelle: Flickr/ andreavallejos / CC BY-NC-ND 2.0)

 

Nachdem die Prüfer der Militärakademie Saint-Cyr zu der Auffassung gelangt waren, dass Offiziersanwärter Franco A. eine demokratiefeindliche Verschwörungserzählung als „Abschlussarbeit“ eingereicht hatte, informierten sie die deutschen Vorgesetzten von Franco A. Die leiteten Vorermittlungen für ein Disziplinarverfahren ein und gaben ein internes Gutachten in Auftrag. Ein Historiker des Zentrums für Militärgeschichte in Potsdam kam ebenfalls zu einem eindeutigen Urteil: Der Text sei keine wissenschaftliche Arbeit, sondern eine einzige Verschwörungstheorie – radikalnationalistisch und rassistisch. Franco A. redete sich gegenüber dem Wehrdisziplinaranwalt heraus, sprach von angeblichem Zeitmangel und nicht genug herausgearbeiteter Distanz zwischen Zitaten und Analyse. Der Vorgesetzte beließ es bei einer mündlichen Ermahnung, weil sich die „Zweifel an seiner Grundgesetztreue“ nach dem Soldatengesetz zerstreut hätten, es sei eine „wissenschaftliche Schlechtleistung“ gewesen (vgl. MDRTagesspiegel). Dabei sind die Inhalte der Arbeit sehr aufschlussreich.

(Hintergrund und mehr zur nachrichtlichen Entwicklung des Falls des Rechtsterroristen Franco A. hier und hier auf Belltower.News) 

 

Die Masterarbeit des mutmaßlichen Rechtsterroristen bietet tiefe Einblicke in die ideologische Parallelgesellschaft des heutigen Rechtsextremismus. Viele Begriffe, Konzepte und Gedanken gehören zum Mainstream der extremen Rechten in Europa. Es ist daher davon auszugehen: Der Autor war oder ist eingebunden in ein breiteres rechtsextremes Diskursumfeld. Es erscheint abwegig, dass die Wahl der Begriffe, Konzepte, Beispiele und Argumentationsfolge das Produkt zufälliger oder isolierter Auseinandersetzung ist. Befremdlich wirken die Pluralformulierungen im gesamten Text. Diese vermitteln den Eindruck, dass der Text von mehreren Personen gemeinsam verfasst worden sein könnte. 

 

DIE „SUBVERSIONSSTRATEGIE“

Autor Franco A. will mit dem Text den Beweis antreten, dass die historische Entwicklung der westlichen Welt spätestens seit 1945 von einer kleinen Gruppe von „Anführern der Subversion“ durch eine gezielte „Subversionsstrategie“ manipuliert wird. Mit „Subversion“ greift A. einen bei sogenannten neurechten Intellektuellen (u.a. De Benoist) sowie extrem rechten Politikern (Viktor Orban) verbreiteten Begriff auf, der eine verschleierte Untergrabung der nationalen Gesellschaften und „Völker“ zu deren Nachteil behauptet. Die ideologische Aneignung dieser und weiterer zeitgenössischer „identitärer“ Begriffe und Konzepte sowie die ausführenden Beschreibungen dieses Ansatzes bei Franco A. sprechen aus meiner Sicht gegen die Behauptung, der Text sei in kurzer Zeit von einem isolierten Autor durchdacht und verfasst worden – vielmehr es ist anzunehmen, dass der Text einen umfassenderen Diskurs abbildet.

Franco A. definiert „Subversion“ wie folgt:

 

„Beginnen wir mit der Definition des Begriffs ‚Subversion‘: in Verbindung mit dem, was wir über den politischen Wechsel gesagt haben, lautet sie wie folgt: unter Subversion versteht man Handlungen, deren Ziel die Beeinflussung des öffentlichen Lebens ohne Preisgabe ihres Ursprungs ist und deren schädliche Wirkung der Öffentlichkeit nicht bekannt ist. In einem allgemeineren Rahmen: Subversion bezeichnet die indirekten Maßnahmen, die die Auflösung einer Gesellschaft bewirken. Die beiden Schlüsselbegriffe, die die Subversion kennzeichnen, sind ‚indirekt‘ und ‚Auflösung‘. (S. 9)

 

 „Das Ziel der Drahtzieher der Subversion“, so der Autor, sei „die Vermischung verschiedener Rassen“ (S. 83). Es handelt sich bei dem Text insofern um eine bemerkenswerte Schrift, als das darin alte antisemitische Stereotypen und Verschwörungslegenden verknüpft werden mit der modernisierten Ideologie der „Neuen Rechten“, wie etwa der Vordenker der „Identitären Bewegung“. In der Arbeit stechen Abstraktionen und Bezugnahmen in alle Gesellschaftsbereiche hervor, die herangezogen werden, um die zentrale Aussage der „Subversion“ zu untermauern, zu veranschaulichen und durch Rückgriff auf – oftmals völkisch-rassistische Autoren des 19. Jahrhunderts – geschichtsphilosophisch abzusichern. Wissenschaftlich sind die kruden und menschenverachtenden Thesen des Autors in dem Kontext der Argumentationsführung nicht, sodass der Text eher einem ausführlichen, extrem rechten Manifest als einer akademischen Qualifizierungsarbeit entspricht.

 

ANGEBLICHE „ANFÜHRER DER SUBVERSION“: DIE JUDEN

Die Grundthese der Ausführungen entspricht der in der rechtsextremen Bewegung verbreiteten antisemitischen und nationalsozialistischen Argumentation, nach der eine kleine Gruppe von Juden – hier als „Anführer der Subversion“ bezeichnet – durch „subversive“ Methoden alle Bereiche des öffentlichen Lebens dominieren mit dem Ziel, die (weißen) Völker durch „Austausch“ und „Durchmischung“ zu zerstören. Der klassisch-antisemitischen Propaganda folgend werden diesen an Geld und Macht reichen „Drahtziehern“ besonders hintertriebene, unanständige und zerstörerische Fähigkeiten, Absichten und Handlungen unterstellt, durch die das öffentliche Leben gesteuert und „das Volk“ unterdrückt werde. Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und die Menschenrechte werden als Instrumente der „Subversion“ zur Zerstörung rassistisch definierter Völker dargestellt. Liberalismus und Individualismus dienen der „große[n] Strategie“, „die Völker in ihrer Substanz zu zerstören“ (S. 17).

Dabei werden vor allem „Homogenität“, „Leistungsbereitschaft“, Gemeinschaftssinn“ und „hohe Geburtenrate“ als erstrebenswerte Eigenschaften von Gesellschaften dargestellt. Dem werden „Heterogenität, fehlende Moral und Werteverlust, Apathie, übersteigerter Individualismus, Schwächung der Streitkräfte, Privatisierung, Degeneration der Bildung und der Anti-Autoritarismus“ als gesellschaftszersetzend entgegengestellt (S. 10). Im Falle des verurteilten Holocaustleugners David Irving sowie in den Todesfällen der durch antisemitische Äußerungen aufgefallenen Politiker Jörg Haider und Jürgen Möllemann (die als „Attentate“ dargestellt werden), imaginiert der Autor eine Repressionsmacht der (jüdischen) Subversiven, um „die Schlüsselpersonen auszuschalten, die eine gegen die Subversion gerichtete Bewegung organisieren könnten“ (S. 13). Auch der Iran wird als Opfer der „Subversion“ (u.a. S. 17) dargestellt, dessen Führung „in der Verteidigung ihres Volkes gegen subversives Wirken noch nicht nachgegeben“ habe (S. 17). Dagegen befänden sich die „westlichen Gesellschaften“ „vollkommen im Griff der Subversion. Es gibt keinen Widerstand mehr, der mit militärischen Mitteln zerschlagen werden müsste. Die indirekte Strategie ist abgeschlossen, die Leiter der großen Strategie haben beschlossen, alle Mittel für die Strategie der Subversion bereit zu stellen. Das noch existierende Volk wurde durch die Subversion stark geschwächt. Die liberale postmoderne Ideologie, die größtenteils von Traditionen gesäubert wurde, ist sehr weit fortgeschritten.“ (S. 18) Für den Autor haben diese ideologischen Überzeugungen auch praktische Relevanz; er schreibt: „Ohne schnelle Gegenmaßnahmen ist die Vernichtung des Volkes nur eine Frage der Zeit.“ (S. 19)

 

KRUDE BEISPIELE SOLLEN DIE THESEN „BELEGEN“

Im Sinne dieses paranoiden und völkischen Verschwörungskonstruktes zieht der Autor jede Menge gesellschaftspolitische und alltagsweltliche Beispiele heran, um seine These zu untermauern und um die totalitäre Durchdringung der westlichen Gesellschaft von der Subversionsstrategie darzulegen; von Hörgeräteakustikern über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (denen der Autor auf Grundlage einer rassistisch begründeten politischen Ideologie einen „zutiefst subversiven Charakter“ (S. 30) nachweisen will und ihnen einen „infektiösen Charakter“ unterstellt) bis zu Flüchtlingen, Popmusik und Internetpornos. Auch die Medien, die Privatwirtschaft, das ERASMUS-Austauschprogramm, die Popkultur, NGOs und Gesetze gegen „Hasskriminalität“ seien Teil der „Subversion“. Am Beispiel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird die Funktionsweise von Verschwörungskonstrukten deutlich: Nach Ansicht des Autors seien Absätze, die seiner rassistischen Argumentationsweise widersprechen, bewusst eingeführt worden, um die Agenda der Subversion besser zu verschleiern: „Zur besseren Verschleierung dieser Agenda muss man ihr Elemente beimischen, die nicht dazugehören.“ (S. 36) Dieser Argumentationsweise folgend ist jede Falsifizierung einer Verschwörungstheorie letztlich eigentlich ein Beleg für Validität. Jeder ernsthafte Argumentationsaustausch wird somit sinnlos.

 

AUCH GESCHLECHTERGERECHTIGKEIT BRACHTE FRANCO A. IN RAGE 

Im Sinne der behaupteten Verschwörung gegen die Homogenität des Volkes wirken in der Gedankenwelt des Autors auch die Diversifizierung von Familienmodellen und die Gleichberechtigung der Frauen:

 

„Und hier liegt die Verbindung zwischen der Rolle der Frau und der Subversion. Wenn man versucht, die Rollen zu ändern, in diesem Fall die Frau männlicher zu machen, wird das Gleichgewicht, das die Familie darstellt, beschädigt. Der Vater weiß dann nicht mehr genau, was seine Rolle ist, weil die Frau anfängt, den Vater zu spielen, die Mutter spielt dann weniger gut ihre Rolle als Mutter, dem Sohn fehlt eine eindeutige Orientierung. Er entwickelt sich weniger gut, und alles beginnt sich zu verschlechtern. Alle werden unglücklich, der Vater, die Mutter selbst, und die Kinder. […] Der Wandel in der Rolle der Frau führt zur Schädigung der Familie als Grundeinheit des Volkes, was dieses wiederum entscheidend schwächt. […] Die Wirklichkeit ist jedoch eine andere. Die sinkende Geburtenrate wird nun herangezogen, um eine höhere Einwanderung zu rechtfertigen, die den Mangel kompensieren soll. Mehr Einwanderung führt natürlich zu einer größeren Heterogenisierung des Volkes, und wenn man ein Fehl in der Bevölkerung kompensiert indem man eine fremde Population kommen lässt, führt das logischerweise dazu, dass das Volk ersetzt wird.“ (S. 48f.)

 

Unter völliger Ausblendung historischer Prozesse, Fakten und der Gleichwertigkeit der Menschen ordnet der Autor jegliche Wandlungsprozesse der behaupteten „Subversionsstrategie“ unter, die „das Volk“ schwächen und durch Migration austauschen wolle. Es finden sich in dieser völkischen Narration große ideologische Gemeinsamkeiten zu politischen Kampagnen der „Identitären Bewegung“.

 

Während es zunächst bei Andeutungen bleibt, wer hinter der „Subversion“ steckt, wird Franco A. im Verlauf des Textes deutlicher. Er schreibt: „Es sind immer die Gleichen, die an der Wurzel der Ursache und an der Wurzel der Reaktion sind.“ (S. 50). Er nennt einige Namen, die er für Anführer der „Subversion“ hält, darunter den aus einer jüdischen Familie stammenden Investor George Soros (S. 59) sowie die Unternehmenskette „Kraft Foods“, die von einer „amerikanischen Jüdin deutscher Herkunft“ (S. 84) geleitet werde. Im Interesse dieser „Subversion“ liege es auch, Kriege anzuzetteln, denn „Krieg bedeutet immer eine Schwächung der Völker, denn es opfern sich die Besten, die Fähigsten und die Mutigsten, während die weniger Guten und weniger Mutigen im Hintergrund bleiben. Kriege bedeuten immer eine Bewegung und damit eine Heterogenisierung von Bevölkerungen. Kriege bedeuten immer Flüchtlinge und Asylbewerber. Krieg ist also im Interesse der Subversion.“ (S. 87) Erneut zeigen sich überdeutlich die Gemeinsamkeiten zum Antisemitismus der NS-Agitation, in der Juden die Schuld an den Weltkriegen gegeben wurde. Nach dem Autor sei es eine Tatsache, dass das „Judeseins eine Frage der Gene ist“ (S. 115). Die Erhaltung des Volkes definiert der Autor als nicht nur rassistisch, sondern rassentheoretisch. Heterogenität und „Vermischung“ werden als zerstörerisch darstellt.

 

ZWISCHEN VÖLKISCHER MENSCHENFEINDLICHKEIT DER NEUEN RECHTEN UND ANTISEMITISMUS DES NS

Der Text des mutmaßlichen Rechtsterroristen ist eine moderne pseudowissenschaftliche, rassistische und antisemitische Hetzschrift, die die Brücke schlägt zwischen der völkisch-grundierten und philosophisch verbrämten Menschen- und Demokratiefeindlichkeit der „Neuen Rechten“ und dem Antisemitismus der Nationalsozialisten. Überdeutlich spricht der Verfasser sich aus gegen die Menschenrechte und die Werte des Deutschen Grundgesetzes. Dies steht im Widerspruch zu § 8 des Soldatengesetzes: „Der Soldat muss die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung eintreten.“

 

MEHR über Franco A. auf Belltower.News:

 

Rechtsextremer Soldat führte Doppelleben als FlüchtlingElsässer, Höcke, Kubitschek: Geistige Brandstifter im Fall Franco A.?

 

MEHR IM INTERNET:

Die völkisch-rassistische Masterarbeit des Franco A. (Welt, 03.05.2017)

Titelbild: Flickrandreavallejos CC BY-NC-ND 2.0

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