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Pahl, Gisa

Gisa Pahl (Jg. 1957) ist eine Hamburger Rechtsanwältin, die häufig Rechtsextremisten vertritt.

 

Gisa Pahl (geb. Degner) wurde 1957 in Stuttgart als Tochter einer Vertriebenenfamilie geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen arbeitete sie in der Hamburger Kanzlei des Neonazis Jürgen Rieger. Von 1973 bis 1983 war Pahl beim Bund Heimattreuer Jugend (BHJ) aktiv. Im März 1979 gehörte sie zu den Vortragenden beim Programmpunkt „Die Jugend fragt und antwortet“ bei den „Norddeutschen Kulturtagen“ in Lüneburg. Das Treffen war ein rechtsextremes Stelldichein: Szene-Größen wie Udo Walendy, Günter Deckert, Holle Grimm, Dietmar Munier und Reinhard Pozorny referierten. Später gehörte Pahl dem Hamburger Landesverband der „Republikaner“ an. Ehe sie 1993 diese Partei verließ, fungierte Pahl als Vorsitzende deren Landesschiedsgerichtes.

Pahl betreibt in Hamburg eine Kanzlei. Als Rechtsanwältin stand sie unter anderem dem NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt, der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN), dem rechtslastigen Esoterik-Bestsellerautor Jan Udo Holey (alias Jan van Helsing), dem Hamburger HIAG-Landesvorsitzenden Franz Schmitz, dem Bundesvorsitzenden des Vereins „Die Deutschen Konservativen“ Joachim Siegerist, dem GfP-Referenten Hans-Helmuth Knütter und dem „Junge-Freiheit“-Autor Robert Hepp zur Seite.

Aber auch außergerichtlich berät sie Rechtsextremisten: So war sie am „Projekt Schulhof“ im Jahr 2004 „beteiligt“, mit aus der Neonazi-Szene heraus Propaganda-Musik an Schulen, in Jugendtreffs oder auch Bushaltestellen kostenlos an Jugendliche verteilt werden sollte. Gisa Pahl prüfte die geplanten Inhalte juristisch und bewegte die Macher beispielsweise zum Austausch einzelner Titel bzw. zur elektronischen Überblendung von Textpassagen. Die geplante Verteilung von 50.000 Tonträgern wurde von Strafverfolgungsbehörden verhindert, übers Internet stand die CDs von einem ausländischen Server aber zum kostenlosen Herunterladen bereit.

Unter dem Pseudonym Gisela Sedelmaier veröffentlichte Pahl 1992/93 zwei jeweils über 100 Seiten umfassende Ratgeber-Broschüren für die rechtsextreme Szene. In handlicher und leicht verständlicher Form ? durch das Heft führt ein „Mäxchen Treuherz“ ? wird darin erklärt, wie man sich bei Demonstrationen, Hausdurchsuchungen oder Zeugenaussagen verhält. Übersichtlich nach Sachgebieten geordnet stand dort, was man besser lassen oder auf gar keinen Fall tun sollte ? und auch was erlaubt ist. 2005 wurde das Werk beim NPD-Verlag Deutsche Stimme neu aufgelegt („Mäxchen Treuherz und die juristischen Fußangeln ? Rechtsratgeber für den politischen Aktivisten zur Verwirklichung von Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit“).

Als Herausgeber fungiert das 1992 gegründete „Deutsche Rechtsbüro“ (Birkenwerder/Brandenburg), als dessen Initiatorin Pahl gilt. Das „Deutsche Rechtsbüro“ versteht sich, so die rechtsextreme Monatszeitschrift „Nation & Europa“, als „Zusammenschluss von Juristen und juristisch interessierten Personen, die ihr Wissen gern weitergeben möchten.“ Die ? laut Eigenbezeichnung ? „Selbsthilfegruppe zur Wahrung der Rechte, insbesondere der Grundrechte, ?politisch unkorrekter? Deutscher“ betreibt „Vorbeugung, indem es die Betroffenen darüber aufklärt, wie sie sich innerhalb der Grenzen des Erlaubten verhalten sollen“; es „unterstützt Betroffene, indem es die Betroffenen ermuntert, gegen rechtswidrige Maßnahmen Rechtsmittel einzulegen und bis zur letzten Instanz zu gehen“; es „dokumentiert die Rechtsentwicklung, indem es seine Monatsnachrichten über ergangene, neue Urteile, Entscheidungen und Entwicklungen auf dem Gebiet des Rechts mitteilt.“

Der niedersächsische Verfassungsschutz nannte Gisa Pahl in seinem Jahresbericht 2004 als „szenebekannte Rechtsanwältin“. Sie ist als Interviewpartnerin des DVU-Sprachrohrs „National-Zeitung“ in Erscheinung getreten, hielt unter anderem Referate bei der „Deutschen Studiengemeinschaft“, dem Verein „Die Deutschen Konservativen“, der „Gesellschaft für freie Publizistik“, dem „Arbeitskreis für deutsche Politik“ und der „Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft“ (SWG.) in Erscheinung. Im März 2007 war Pahl – unter anderem neben dem Chefredakteur der Jungen Freiheit, Dieter Stein – Podiumsteilnehmerin auf einem Symposium der Deutschen Burschenschaft im rheinland-pfälzischen Landau.

Im Gegensatz zu Jürgen Rieger, der sich gern in den Medien zeigt, scheut Pahl die Öffentlichkeit. Ihre Bedeutung in der rechtsextremen Szene wird deshalb weithin unterschätzt. Dies offenbarte ein rechtsextremes Spitzentreffen im September 2007. Auf Initiative des österreichischen FPÖ-Europaabgeordneten Andreas Mölzer fand ein Treffen „maßgeblicher Vertreter der deutschen Rechten“ bei der damaligen rechtsextremen EP-Fraktion „Identität ? Tradition ? Souveränität“ (ITS) in Straßburg statt. Neben Spitzenpolitikern wie Udo Voigt und Holger Apfel (NPD), Gerhard Frey (DVU) und Rolf Schlierer (Republikaner) war auch Pahl zugegen.

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