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Pfingsten beim Coburger Convent Umtriebiger Männerbund

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(Quelle: picture alliance / Geisler-Fotopress | Marcus Golejewski/Geisler-Fotopress)

Nationalismus, Fackelmarsch im SA-Style und strammes Biertrinken ist seit 1951 Pfingst-Tradition des sogenannten Coburger Convents (CC).  Der CC, ein Dachverband pflichtschlagender Verbindungen, in dem an die 100 Studentenverbindungen, Landmannschaften und Turnerschaften aus Deutschland und Österreich organisiert sind, trifft sich dafür in der gleichnamigen oberfränkischen Stadt. In vollem Wichs, die Festkleidung Korporierter (so nennt man die Mitglieder der Studentenverbindungen), werden Interna besprochen, das Ehrenmal des Convents zum „Totengedenken“ besucht und ausgelassen Bier getrunken.

Dieses Schauspiel wirkt aufgrund seiner Aufmachung, den Hütchen, den Schärpen und Uniformen beinahe skurril. Wenn sich die Männerhorde dann bei Nacht zusammenrottet und mit brennenden Fackeln einen „Marsch“ mit einer Route bestreitet, die vor ihnen schon die SA lief, kriegt der nationalistische Zirkus einen ganz anderen Beigeschmack. Vor allem, wenn sich Neonazis, die der Marsch anzieht, den Korporierten anschließen. In und außerhalb von Coburg wird das Spektakel von antifaschistischen Initiativen und Journalist*innen daher kritisch betrachtet. Auch in diesem Jahr kamen vom 26. bis 29. Mai an die 2.000 „Verbundsbrüder“ zum Pfingstkongress zusammen. Gegen Kritik wollte sich der CC schon im Vorhinein wappnen. Der CC bemüht sich stets um ein vermeintlich bürgerliches und unpolitisches Image. Mails, die eine antifaschistische Gruppe aus Freiburg veröffentlichte und auswertete, zeigen jedoch ein fragwürdiges Verständnis von Pressefreiheit und demokratischen Strukturen.

Korporierte Intrigen

51 Jahre lang war Hans Georg Schollmeyer vom „Verband alter Herren im Coburger Convent“ (AHCC) Kongressbeauftragter und damit Hauptorganisator des CC-Pfingsttreffens. Am 25. Mai 2023  musste der „alte Herr“ jedoch kurz vor Beginn der Feierlichkeiten abtreten. Grund waren die geleakten E-Mails von Schollmeyer mit ranghohen AHCC-Mitgliedern. Anfang März letzten Jahres schickte er Mails, in denen er vorschlug, jemanden zu engagieren, der sich „einzelne Grüne im Stadtrat“ vornehme, um diesen zu schaden, berichtete die taz. Ins Visier der „alten Herren“ gerät besonders Grünen Stadtrat Kevin Klüglein, der wiederholt Kritik an den Coburger Korporierten übte. Schollmeyer schlägt eine Intrige vor, die an die Teenie-Serien der frühen 00er Jahre erinnert. Klüglein sollte in eine Falle gelockt werden. Ein „Pressefritze“, der sich als Journalist der taz ausgibt, solle den Stadtrat interviewen. Dabei sollte man Klüglein „ausrutschen lassen und das dann veröffentlichen, um den politisch kaputtzumachen“, schreibt Schollmeyer im Mailverkehr, der der taz vorliegt.

Fahndungsplakate gegen kritische Journalist*innen

Neben kritischen Politiker*innen ist auch Pressearbeit den CC-Herren ein Dorn im Auge. Neben einer Lokaljournalistin, für Schollmeyer eine „getarnte Aktivistin“ des Coburger Tagblatts sollten zum Kongress 2023 Bilder von Dominik Sauerer aufgehängt werden. Sauerer ist für die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus tätig. In den Schulen, in denen die Korporierten traditionell nächtigen, sollten die sogenannten Verbandsbrüder mit den bebilderten Plakaten vor den unliebsamen Berichterstatter*innen gewarnt werden. Sauerer sagt gegenüber der taz: „Diese Aktion ist für mich klar ein Angriff auf die Pressefreiheit und eine Diffamierung von einzelnen Personen, die als ‚Feinde‘ markiert werden sollen“. Er ordnet ein, dass das eine Strategie sei, die ihm sonst nur aus der extremen Rechten bekannt wäre.

Wie sehr der CC die Berichterstattung über ihr jährliches Pfingsttreffen wohl gefürchtet hat, zeigt ein weiterer Auszug aus dem Mailverkehr.  Schollmeyer schreibt: „es ist beängstigend: Wir erleben inzwischen, dass als Journalisten getarnte Aktivisten Konflikte schüren !!!!!!!!!!!!!!!“. Es ist interessant, dass ein Verband aus schlagenden Verbindungen, der stets seine unpolitische Haltung und Aufrichtigkeit beteuert, eine solche Angst vor medialer Berichterstattung hat. Dass Pressefreiheit offenbar nicht zu den Tugenden der Korporierten gehört, bestätigt sich erneut beim diesjährigen Fackelmarsch. Dort haben aggressive Teilnehmer zweimal versucht einen Pressevertertreter körperlich anzugreifen, berichtet Robert Andreasch auf Twitter.

„Heil-Hitler“ auf dem Pfingstkongress 2018

Durch die geleakten E-Mails kam ein weiterer Skandal des CC ans Licht. Ein Vorfall aus dem Jahr 2018 zeigt, dass der Korporationsverband wohl bis heute versucht hat, einen extrem Rechten in ihren Reihen zu schützen.  Beim Pfingstkongress 2018 begrüßte ein „Landsmannschafter“  einen anderen Convent Teilnehmer auf dem Männerklo, mit „Heil Hitler!“. Der Gegrüßte zeigte den Vorfall an. Die Identität des Täters habe damals weder Polizei noch der CC selbst ermitteln können. So die offizielle Version des CC gegenüber Öffentlichkeit und Justizbehörden. Der nun von der Antifa Freiburg ausgewertete CC-Mailverkehr belegt aber, dass die Verantwortlichen des CC wohl bereits seit 2019 wussten, welchem Landsmannschafter die verbale Entgleisung zuzurechnen ist: Einem „Alten Herrn“ der „Landsmannschaft Niedersachsen im CC zu Hannover“, von Beruf Richter am Amtsgericht Gifhorn. Eine Information, die der Convent offenbar verschwiegen hat. Ein Beispiel für den Corpsgeist im eingeschworenen Männerbund.

Der elitäre Männerbund

„Ehre, Freiheit, Freundschaft und Vaterland“ ist der Leitsatz des Coburger Convents und beschreibt das antimoderne Weltbild solcher Verbindungen treffend. Neben einem positiven Bezug auf Deutschland ist Antifeminismus integraler Bestandteil von vielen Studentenverbindungen. Denn Zusammenschlüsse wie der Coburger Convent sind Männerbünde mit Tradition. Frauen werden ausgeschlossen und hierarchisch untergeordnet. Antifeminismus Expertin Alina Jugenheimer betont gegenüber Belltower.News: „Frauen werden als Männern gegenüberstehende Andere konstruiert und vermeintliche männliche Disziplin und Stärke beispielsweise beim Biercomment unter Beweis gestellt“. Geschlechtsspezifische Ausschlüsse gehen mit klassistischen einher, „da durch den elitären Männerbund mit Lebensbundprinzip, bestehend aus Studenten und den sogenannten Alten Herren, sich die Mitglieder in Studentenverbindungen gegenseitig Vorteile verschaffen“, so Jugenheimer. Das verstärke gesellschaftliche Hierarchien und Ausschlüsse. Studentenverbindungen stehen also schon lange in der Kritik.

Fechten „Für das Vaterland“

Neben dem Aufruhr zum diesjährigen Convent 2023 machte der Verband zuletzt mit einer öffentlichen Debatte über die Mensur auf sich aufmerksam. Als Verband pflichtschlagender Verbindungen ist der Fechtkampf verpflichtend, um aufgenommen zu werden. Bei einer „Pro-Patria-Suite“, wörtlich übersetzt eine „Fechtfolge für das Vaterland“, verletzten sich zwei Verbindungsstudenten im Februar stark. Die kürzlich offengelegten Mails zeigen, dass im Convent immer mehr gebangt wird, dass die Mensur verboten werden könnte und daher versucht wird, dass Fälle schwerer Verletzungen nicht öffentlich werden. Der Verband befürchtet, dass Krankenkassen Regress, also Rückzahlungen, für die medizinische Behandlung einfordern könnten.

Mensur als ideologischer Stützpfeiler

Die internen Sorgen des Coburger Convents um ein Verbot der Mensur zeigen, welche tragende Rolle das gefährliche Ritual für das Selbstbild der Korporierten darstellt.  Wo eine soldatische Männlichkeit als Ideal gilt, dient die Mensur dazu, die Tugenden eines imaginierten „soldatischen“, meist „deutschen“ Mannes zu erwerben. Vor allem geht es darum, keinen Schmerz zu zeigen und diesen auszuhalten. Dafür steht später der sogenannte „Schmiss“, eine Narbe, die sich schlagende Verbindungsstudenten gegenseitig zufügen und dann mit Stolz tragen.

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