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Sturm 18 – Knast-Kameradschaft mit Vereinsstatus

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Im Internet gibt sich die "Weltnetzseite" "Sturm 18 Netzwerk" verschlossen. (Quelle: Screenshot)

Dies ist eine komplizierte Geschichte, weil der Hauptakteur, der Neonazi Bernd Tödter, ein „notorischer Gruppengründer“ und Selbstdarsteller ist und es deshalb zahllose mehr oder weniger reale Nazi-Vereinigungen gab und gibt, in denen er die Strippen zieht, zog oder zumindest vorgibt, es zu tun. Eine seiner Gruppen sorgte im Frühjahr 2013 für Schlagzeilen: Die „AD Jail Crew (14er)“ sollte ein Gefängnis-Netzwerk für Neonazis und Rocker werden, dass Tödter aus der Haft quasi unter den Augen der Sicherheitsbehörden ins Leben rief. Die Aufdeckung des Neonazi-Knastnetzwerks „AD Jail Crew“  wurde als Fahndungserfolg der hessischen Polizei gefeiert. Dabei sind das Netzwerk und seine Protagonisten schon langjährig aktiv – und das sehr offen.

Unglaublich aber: Ende Juni bekam die dahinter stehende Nazikameradschaft als „Sturm 18 e.V.“ trotz aller Ermittlungen – und Vorstrafen ihres Gründers – am 27.06.2014 offiziell einen Vereinsstatus, obwohl die Vereinigung mit ihrer neonazistischen Intention kaum hinterm Berg hält (Registernummer VR 5129). Offenbar reichte es, dass Gründer Bernd Tödter, der sich nun „Präsident“ nennen darf, als Vereinszweck (diesmal) nicht angab „militantes Neonazi-Gefängisnetzwerk mit Verbindungen zur Rockerszene für Gewalttaten und Erhaltung der Nazi-Ideologie“, sondern etwas unauffälliger „Erhaltung der deutschen Schrift, Sprache und Kultur, die Schaffung von Freizeittreffs, die Bildung von Sportclubs, die Familien- und Gefangenenhilfe sowie die Förderung von benachteiligten Personen und Personengruppen im In- und Ausland“ (Frankfurter Rundschau). 

Auf Facebook bezeichnet sich der Verein mit einem weiteren Namen, heißt dort  „Sahn e.V.“ und beschreibt sich als „Kultur-, Sport-, Familien-, Gefangenenhilfe- und Förderverein“ . Es gibt auch noch die eine auf Bernd Tödter angemeldeten Webseite namens „sturm18.de“ – ein Forum für Neonazis, das zwar geschützt ist, allerdings ist seine Tag-Cloud (Such- und Diskussionsbegriffe) zu sehen und lässt keine Zweifel an den dort gern diskutierten Themen:

In Paragraf 14 der Vereinssatzung von „Sturm 18 e.V.“ steht, das Symbol des Vereins sei der „Reichsadler von 1935-1945 in modifizierter Version mit der Zahl ‚18‘ im Eichenlaubkranz“. Die Ziffern ersetzen das verbotene Hakenkreuz – bei Neonazis stehen sie für AH, die Initialen Adolf Hitlers. Und so sah auch schon das Logo der wegen ihrer Gewaltbereitschaft berüchtigten Kameradschaft Sturm 18 aus, ebenso das Symbol der „AD Jail Crew“. Die Gemeinnützigkeit haben die Nazis für ihren Verein nun ebenfalls beantragt (ist aber noch nicht bewilligt). Das Innenminsterium prüft nun ein Vereinsverbot (Frankfurter Rundschau).

Ein „notorischer Gruppengründer“ – und neonazistischer Mörder

Eindeutig neonazistisch allerdings ist die Vita von Vereinsgründer Bernd Tödter. Der ist nämlich nicht nur seit den 1990er Jahren überzeugter Neonazi, sondern auch ein „notorischer Gruppengründer“ (NSU-Watch).

Tödter stammt aus Bad Segeberg in Schleswig-Holstein und ist seit den 1990er jahren als Neonazi aktiv, zunächst in der „Kameradschaft Nordmark“ und im „Freundeskreis nationaler Aktivisten“ (FNA).

1993 tötete er in Bad Segeberg einen Obdachlosen aus neonazistischer Gesinnung, saß dafür eine dreieinhalbjährige Jugendstrafe ab.

2001 zog er nach Kassel und gründete das „Bündnis rechts für Hessen„, nannte sich darin „Leiter der Landesgeschäftsstelle“. Auch das Label „Freundeskreis nationaler Aktivisten“ (FNA) nahm er mit nach Hessen, darunter sammeln sich – gerade in Sozialen Netzwerken –  Neonazis aus ganz Deutschland.

Ab 2002 übernahm Tödter die Neonazigruppe „Sturm 18 Cassel„, die die Neonazis Michel F. und Stanley R. aufgebaut hatten. Tödter übernahm schnell die Führungsrolle. In Selbstdarstellungen gab er darüber hinaus an, die „Kameradschaft Nordhessen“ zu führen.

2003 gründete er mit „Kameraden“ einen Fanclub des Hamburger Sportvereins, die HSV Pit Bull’s, die seit 2006 auch eingetragener Dartsport-Verein im Ligabetrieb sind. Seine damalige Lebensgefährtin und sein Bruder traten als Vorsitzende eines „Dartsportbundes Deutschland“ auf. Neonazis aus dem Kreis der HSV Pit Bull’s waren es auch, die 2004 im nordhessischen Wethen über Wochen hinweg eine kurdische Familie terrorisierten, bis diese schließlich das Dorf verließ.

2004 war Bernd Tödter an Übergriffen auf eine kurdische Familie beteiligt, wegen denen er 2006 zu 18 Monaten Haft verurteilt wurde (hiergeblieben.de, Infoarchiv-Norderstedt.de).

2010 gibt Tödter an, Chef der „NSO Deutschland“ sowie 1. Vorsitzender des Vereins „Kultur-, Sport- und Förderverein Deutschland e.V.“ zu sein. 

2010 tauchte Tödter erneut in den Schlagzeilen auf: Nachdem seine Freundin ihn (und „Sturm 18 Cassel“) verlassen hatte, suchte er sie über eine „Fahndung“ über Soziale Netzwerke. Wenn er sie an einem Ort vermutete, kam er auch mit „Kameraden“ vorbei und löste damit verschiedene Polizeieinsätze aus.  

2010 wurde Bernd Tödter wegen Vergewaltigung eines 17-jährigen Mädchens angeklagt. In dieser Zeit übernahm Dirk Wilbertz (Ex-FAP, Nähe zum militanten Untergrund der „Combat 18“-Strukturen des „Blood & Honour“-Netzwerks) das Ruder bei „Sturm 18“ in Kassel. Im Juli 2011 verletzte er einen Obdachlosen durch Fußtritte ins Gesicht schwer und wurde dafür – und für zwei Einbrüche – im Sommer 2012 zu vier Jahren Haft verurteilt. Seine Straftaten erklärte er unter anderem mit dem Satz: “Ich habe eine Borderline-Störung mit Kontrollverlusten.”

Tödter selbst stellte stets die Militanz seines „Sturms 18 Cassel“ zur Schau, posierte mit Sturmgewehren in Sozialen Netzwerken, präsentierte „Sturm 18“ als führende Struktur eines internationalen Untergrund-Netzwerks mit Ablegern in Leipzig und im Raum Lübeck – in Form von einzelnen Bekannten von Tödter. 2011 verkündete Tödter, „Sturm 18“ habe sich mit der russischen Neonaziorganisation NSO („Nationalsozialistische Gesellschaft„), der „Arischen Bruderschaft“ des NPD-Funktionärs Thorsten Heise und der Gruppe „Combat 18“ zusammengeschlossen. Belege für Aktivitäten gab es nie. Tödters Netzwerk wird neben der Naziideologie vor allem von der Lust am exzessiven Alkoholgenuss und an der Gewalt zusammen gehalten – manchmal gegen Frauen, auch aus der Gruppe, meist gegen Andersdenkende, Obdachlose, als „fremd“ Empfundene.

2006 will Bernd Tödter in Kassel Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) getroffen haben. 2006 wurde in Kassel als letzte Tat der Ceska-Mordseire Halit Yozgat ermordet. Bisher nehmen die Behörden seine Andeutungen einer Beteiligung allerdings nicht ernst.

2012 gründet Bernd Tödter die „AD Jail Crew (14er)„, die sich im Oktober 2012 in der Rockerzeitschrift „Biker News“ vorstellte (AD = Aryan Defense). Nach dem Verbot der „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG)“ 2011 (immerhin 600 Mitglieder) lag die „Gefangenenhilfe“ der Neonazis brach. Die „AD Jail Crew“ versuchte offenbar, in deren Fußstapfen zu treten und Kontakt zu inhaftierten Neonazis und Rockern aufzunehmen. Offenbar war auch NSU-Helfer Ralf Wohlleben unter den Angesprochenen (Frankfurter Rundschau). Die Gruppe besaß ein eigenes Emblem, eine Satzung und eine Uniform. Allerdings agierte sie niemals geheim, sondern – passend zu Tödters bisherigem Auftreten – eher offen. Doch es gibt keine Fakten, die belegen, dass die AD Jail Crew mehr war als ein früh gescheitertes Planspiel eines profilierungssüchtigen Neonazis. Es gibt allerdings auch keinerlei Gewissheit, dass Bernd Tödter mit seinem angedeuteten Wissen über Kasseler NSU-Verbindungen der Polizei tatsächlich nur eine “wilde Geschichte” (Süddeutsche Zeitung) auftischte, schreibt NSU-Watch.

Bis Februar 2014 saß Tödter in der Justizvollzugsanstalt im hessischen Butzbach wegen verschiedener Straftaten eine zweijährige Haftstrafe ab.

Im Juli 2014 wird er wieder in Untersuchungshaft genommen: Vorwurf der Vergewaltigung einer 16-Jähringen Anfang Juli und zweifache gefährliche Körperverletzung: An der 16-Jährigen, um zu verhindern, dass sie die Tat anzeigt, und an seiner 21 Jahre laten Mitbewohnerin, die er getreten und geschlagen haben soll (Frankfurter Rundschau).

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