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Über 1.500 Stimmen protestierten gegen die „Extremismusklausel“

Resüme: Über 1.500 Organisationen und Einzelpersonen haben sich mit Briefen, E-Mails und Pressemitteilungen sowie durch internet-basierte soziale Netzwerke wie Facebook am Protest gegen die ?Bespitzelungsklausel? des Bundesfamilienministeriums für die Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus beteiligt.

 

Alle Protestierenden forderten Familienministerin Schröder und Bundeskanzlerin Merkel auf, die Klausel aus den Förderbescheiden der Projekte ersatzlos zu streichen. Initiiert wurde der bundesweiten ?Aktionstag für Demokratie ? gegen Misstrauen und Bekenntniszwang? von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V., Kulturbüro Sachsen e.V., Opferperspektive Brandenburg e.V. und der Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. (VDK).

Besonders gefreut haben sich die Initiatoren über die Vielfalt und gesellschaftliche Breite der Proteste:

Neben den Bundestagsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE sowie zahlreichen Landtagsfraktionen der Opposition und den Gewerkschaften beteiligten sich viele zivilgesellschaftliche Initiativen, lokale Bündnisse gegen Rechts, Bildungsträger, Wissenschaftler/innen, Wohlfahrtsverbände und zahlreiche Einzelpersonen an den Protesten ? so u.a. die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, der Verein Gesicht zeigen!, der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V., die Julius-Rumpf-Stiftung aus Hessen, das Haus der Demokratie und Menschenrechte sowie der Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, Professor Wolfgang Benz.

Auf der Webseite aktionstaggegenbekenntniszwang.blogsport.de können einige der Erklärungen, die bei den Initiatoren des Aktionstags eingegangen sind, nachlesen werden. So schreibt beispielsweise die Rüsselsheimer Initiative gegen Rechtsextremismus, für Menschlichkeit und Toleranz an Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Engagierte Gegner von Rechtsextremismus und Rassismus sind aktive Verteidiger der Demokratie. Sie zu Misstrauen, Bespitzelung und Gesinnungsüberprüfung gegenüber allen Partnern, Beteiligten und Unterstützern zu verpflichten, arbeitet zivilgesellschaftlichem Engagement entgegen, schwächt die Abwehr von Rechtsextremismus und ist Demokratie schädigend“.

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. bemerkt: „Aus unserer eigenen Arbeit sowie aus vielen Berichten von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die Opfer rechtsextremistischer Gewalt gerichtlich oder außergerichtlich vertreten haben, wissen wir um die unschätzbare Arbeit dieser Initiativen für den Aufbau und die Stärkung zivilgesellschaftlicher Strukturen wie auch bei der konkreten Unterstützung von Betroffene“.

Und stellvertretend für die vielen Einzelpersonen möchten wir hier die Sozialpsychologin Dr. Jäckle aus Berlin zitieren, die an Angela Merkel u.a. schrieb: „Wir sollten aus unserer deutschen Geschichte so viel gelernt haben, dass antifaschistisches Engagement, gerade junger Menschen, das Gegenteil von Demokratiefeindlichkeit ist. Meines Erachtens sollte ein solches mutiges zivilgesellschaftliches Engagement ein Grund sein, stolz auf diese (jungen) Menschen zu sein, da sie sich für unsere Demokratie vor Ort einsetzen und sie lebendig und vielfältig erhalten“, sowie Frau Ehricht von Miphgash e.V., die anmerkt: „Insbesondere vor dem Hintergrund meiner eigenen Sozialisation als Christin in der DDR bin ich zutiefst irritiert und empört darüber, nun ausgerechnet im Namen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zur Bespitzelung und Protokollierung dieser Bespitzelungstätigkeiten aufgefordert zu werde“.

Auch der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann (SPD), forderte die Bundesregierung auf, die Klausel zurückzunehmen. Die geforderte ?Demokratieerklärung? schaffe Misstrauen. Außerdem sei der Einsatz der Verfassungsschutzbehörden für die Gesinnungsüberprüfungen fragwürdig, so Hövelmann. Er lehne es für den sachsen-anhaltischen Verfassungsschutz ab, derlei Auskünfte zu erteilen, die über die Verfassungsschutzberichte hinausgehen.

Wie geht es weiter?

Aus Sachsen ist bekannt, dass die sächsische Landesregierung den sachsen- und bundesweiten Aktionstag für Demokratie ? gegen Misstrauen und Bekenntniszwang sehr wohl wahrgenommen hat. Von der Bundeskanzlerin und der Familienministerin sind bislang keinerlei Reaktionen bekannt.

In der kommenden Woche soll am Donnerstag, den 10.02. im Bundestag der Antrag der drei Oppositionsparteien zur Rücknahme der Bespitzelungsklausel debattiert werden.

Die Dokumentation des bundesweiten Aktionstages findet sich unter:
| aktionstaggegenbekenntniszwang.blogsport.de

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