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Sind die Jungen Nationaldemokraten die ‚revolutionäre Speerspitze‘ der NPD?

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Gegliedert ist die Organisation in einen Bundesverband, mehrere Landesverbände (LV) ? wobei sie derzeit nicht in allen Bundesländern präsent ist ? und regional oder lokal gegebenenfalls in Stützpunkte. Aktiv ist die JN momentan vor allem im Süd-Osten und Westen Deutschlands, während sie im Norden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum von Bedeutung ist. In Baden-Württemberg existieren zehn, in Sachsen sowie Sachsen-Anhalt je sieben, in Bayern sechs und in Thüringen vier Stützpunkte (Stand: 30.06.2007). Diese quantitativen Angaben sagen indes weniger etwas über die Qualität der Arbeit aus als vielmehr über die Aktivitäten der JN in jenen Bundesländern; der LV Sachsen wurde beispielsweise formal erst im Mai 2005 gegründet, der LV Sachsen-Anhalt im August 2005. Die meisten Stützpunkte sind erst innerhalb der vergangenen zwei Jahre gegründet worden, oft kommen diese Neuzugänge aus dem Spektrum der offen neonazistischen „Freien Kameradschaften“. 2006 wurde Norman Bordin zum bayrischen Landesvorsitzenden gewählt ? fünf Jahre zuvor hatte er noch die Kameradschaft Süd/Aktionsbüro Süddeutschland gegründet und war nach einer Haftstrafe Stützpunktleiter des Kampfbund Deutscher Sozialisten in München geworden. Im sächsischen Landesverband der JN ist Thomas Rackow stellvertretender Landesvorsitzender und Thomas Sattelberg leitet das Referat Politische Strategien. Beide gehörten in führender Position der 2001 verbotenen Gruppierung Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) an. Diese offenkundige systematische Öffnung spiegelt den Integrationskurs der Mutterpartei NPD wider, die seit Jahren versucht, die zumeist jungen und oftmals hoch motivierten Aktivisten der Freien Kameradschaften an sich zu binden.

Zum Auffangbecken wurde die JN aufgrund ihres radikal klingenden Auftretens und Selbstverständnisses. „Ein revolutionärer Geist! Eine sozialistische Idee! Eine aktivistische Jugend!“ lautet ihr Leitspruch. Doch geht es ihr nicht nur darum, Jugendliche als Mitglieder zu gewinnen, sondern sie auch im Sinne der JN zu formen. „Es liegt an uns, die Protesthaltung der Jugend in eine widerständige Haltung umzuwandeln“, sagte Stefan Rochow nach seiner Wahl zum JN-Bundesvorsitzenden im November 2002 im Interview mit der ‚Deutschen Stimme‘ und betonte: „Politische Arbeit […] verlangt ein hohes Maß an Disziplin und Entschlossenheit. Jeder Funktionär unserer Partei weiß, dass politischer Kampf immer auch ein Stück Unterordnung des eigenen Ichs unter die größere Notwendigkeit und des gemeinsamen Nutzens bedeutet.“

Entsprechend liegt mittlerweile ein Gewicht der Jugendarbeit der JN auf der Formung und Schulung der Mitglieder zwischen 14 bis 35 Jahren ? ob im Rahmen von Veranstaltungen und Vorträgen oder der Selbstschulung mittels eigener kleinerer Schriften sowie den Zeitschriften ‚Hier & Jetzt‘ der sächsischen JN und dem ? nach längerer Pause ? wieder aufgelegten ‚Aktivisten‘ des JN-Bundesverbandes. Dessen „Schriftleiter“ Sebastian Richter hat sein Handwerk als Führungskader bei den Freien Aktivisten Hoyerswerda sowie bei der Herausgabe der neonazistischen ‚Mitteldeutschen Jugendzeitung‘ gelernt, bevor er 2006 in den JN-Bundesvorstand gewählt wurde.

Aber die JN setzt auch auf Aktionen, sie organisiert kleinere Aufmärsche und ‚Mahnwachen‘, verteilt Flugblätter oder gestaltet Balladenabende und RechtsRock-Konzerte. In ihrer Selbstdarstellung kapriziert sich die JN als Jugendorganisation mit „revolutionärer Ausrichtung“, wie Hagen Brunner im ‚Aktivist‘ schreibt: „Revolution heißt für uns […] Angriff auf die bestehenden Verhältnisse“, betont er und hebt hervor: „Ein wirklicher Revolutionär […] steht keinesfalls loyal zur heutigen politischen Ordnung“ (Aktivist 1/2007: 4). Hinter diesen Phrasen von der ‚Revolution‘ verbirgt sich offensichtlich die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie und des Grundgesetzes mit seinen allgemeingültigen Menschenrechten.

Die ideologische Basis dafür bildet die Wiederaneignung nationalrevolutionärer Theorien durch die so genannte Neue Rechte in den 1970er Jahren in Verbindung mit ethnopluralistischen Ideen, einem vordergründigen Antiimperialismus und einem kleinbürgerlichen Antikapitalismus in der Tradition von Gregor Strasser, einst Reichsorganisationsleiter der NSDAP.

Der Nationalismus der JN baut ? dem Manifest ‚Die 25 Punkte zum Nationalismus‘ folgend ? auf der Annahme auf, dass alle Menschen ungleich sind und sich die Welt in „1000 Völker“ aufteile. Ihnen stünden der „Imperialismus der Großmächte und der multinationalen Konzerne“ entgegen ? gemeint sind die „Supermacht USA“ samt „ihren Hintermännern“, womit in der Regel eine vermeintliche jüdische Verschwörung angedeutet wird. Der Nationalismus hingegen, heißt es weiter in völliger Verkehrung sämtlich Lehren aus der Geschichte, „ist der größte und stärkste Feind des Imperialismus“. Und der Nationalismus erstrebe die „soziale Gerechtigkeit und nationale Solidarität“ und „bekämpft den Klassenkampf von ‚oben‘ und von ‚unten‘.“ Ideologisch bewegt sich die JN mit dieser Idee der ‚Volksgemeinschaft‘ dicht am Nationalsozialismus, für den sie wenig verklausuliert votiert: „In der von uns angestrebten Volksgemeinschaft werden die Widersprüche und Unzulänglichkeiten des bestehenden politischen und wirtschaftlichen Systems überwunden werden. Wir deutsche Nationalisten sind Sozialisten.“ Offensichtlich ist die JN ein Scharnier der NPD zur offen neonationalsozialistischen Szene in Deutschland.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch 88 Fragen und Antworten zur NPD von Fabian Virchow und Christian Dornbusch (Hrsg.) (Schwalbach 2008)

Wir bedanken uns beim Wochenschau-Verlag für die freundliche Genehmigung.

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