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Warum ich das nicht mehr hören will „Fidschi“

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Netz gegen Nazis hat zu diesem Thema eine Serie erstellt: ?Warum ich das nicht mehr hören will!? Hier geht es nicht darum, Schimpfwörter zur Diskussion zu stellen, sondern Menschen, die nicht darüber hinweg hören wollen, die Gelegenheit zu geben, zu erklären warum. Denn wie der deutsche Schriftsteller Victor Klemperer in seinen ?Notizen eines Philologen? schrieb: ?Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.?

Hong Nga Nguyen Vu ist Kommunikationswissenschaftlerin am Medienforschungsinstitut der Universität Zürich. Sie ist in Vietnam geboren und hat in der DDR gelebt.

„Das Wort „Fidschi“ ist als Schimpfwort gedacht, das ich nicht hören möchte. Es wurde zuerst gebraucht, um vietnamesische und überhaupt asiatische Facharbeiter in der ehemaligen DDR zu diskriminieren. Aufgekommen ist es, als viele Menschen aus diesen Ländern in den 1970er, 1980er Jahren angeworben wurden und in die DDR kamen. Es ist ja eigentlich gar kein Schimpfwort, sondern bezieht sich auf Menschen aus einer bestimmten geographischen Region, den Fidschi-Inseln. Dennoch wurde und wird es aus Unwissenheit oder Ignoranz generell als Bezeichnung für asiatisch aussehende Menschen gebraucht.

Meine Eltern kommen aus Vietnam. Mein Vater hat in der DDR studiert und später dort gearbeitet. Ich bin erst später mit meiner Mutter nachgezogen und habe eigentlich nur ein halbes Jahr vor der Wende dort gelebt. Ich habe es auch schon auf der Straße erlebt, dass mir rechtsextreme Skins das nachgerufen haben, um mich zu beschimpfen. Als Kind fragt man sich natürlich was das soll, ich habe damals ja noch nicht so gut Deutsch gesprochen und nicht verstanden, was die damit meinten. Aber es war klar, dass es abwertend gemeint war.

Ich lebe jetzt in Zürich, das eine sehr internationale Stadt ist, sehr multikulturell und hier habe ich das noch nicht erlebt. Davor habe ich in London gelebt, das ist noch ganz anders, weil es dort so viele unterschiedliche Ethnien gibt, dass dir sowieso nicht auffällt, wer Ausländer ist. Jeder kommt irgendwo her und dadurch relativiert sich die Herkunft. Das ist in Deutschland ja eher nicht so. Dort erlebe ich es oft, wenn ich irgendwo hinkomme, dass mir die Leute sagen: „Du sprichst ja so gut Deutsch.“ Und ich sage dann: „Entschuldigung, ich bin Deutsche.“ Viele haben hier einfach die Wahrnehmung, wenn jemand ausländisch aussieht, ist er auch ein Ausländer, das ist in London nicht so. Da wird kein Unterschied nach dem Aussehen gemacht und in der Schweiz ist das auch weniger. Also Deutschland hat in dieser Hinsicht noch Nachholbedarf.“

Hintergrund: Wo kommt das Wort eigentlich her?

„Fidschi“ bezeichnet eine Inselgruppe im Südwestpazifik beziehungsweise die Einwohner dieses Inselstaates und deren Sprache. Die Bezeichnung wird aber auch als Schimpfwort für asiatisch aussehende Menschen benutzt. Der Duden führt es euphemistisch auf als „salopp abwertende“ Bezeichnung von jemand, „der aus Indochina stammt, besonders Vietnamese“.

Obwohl es seitens der DDR-Regierung keine Ausländerfeindlichkeit geben durfte, avancierte das Wort „Fidschi“ dort zu einem Schimpfwort, nachdem die ersten Vertragsarbeiter vor allem aus Vietnam 1980 in die DDR kamen. Sie wohnten meist isoliert in Arbeiterwohnheimen, denn eine Integration in die DDR-Gesellschaft war ausdrücklich nicht erwünscht. So war der Arbeitsaufenthalt auch nur für drei bis fünf Jahre vorgesehen ? doch viele blieben auch noch bis nach 1990. Dort mussten sie erleben, wie sich der aufgestaute Ausländerhass in pogromartigen Ausschreitungen eines rassistischen Mobs entluden: Im August 1992 steckte eine Gruppe Neonazis unter dem Applaus hunderter Schaulustiger ein Wohnhaus, in dem überwiegend Vietnamesen lebten, in Rostock-Lichtenhagen in Brand.

Als diskriminierendes Schimpfwort hat es bis heute eine traurige Aktualität behalten und wird auch inzwischen als diskriminierende Beleidigung asiatisch aussehender Menschen überhaupt gebraucht ? vor allem vor dem Hintergrund gewalttätiger Übergriffe hat es eine erschreckende Präsenz:

Im August 1999 traten in Eggesin (Mecklenburg-Vorpommern) sieben Neonazis zwei Vietnamesen fast tot. Dabei skandierten sie den Refrain eines Liedes der rechtsextremen Band Landser „Fidschi, Fidschi, Gute Reise“. Die Bundesanwaltschaft leitete damals auch die Ermittlungen ein gegen die Neonaziband, die sich auch selbst gern als „Terroristen mit E-Gitarre“ bezeichnet.

Am 6. August 2008 wurde ein vietnamesischer Zigarettenhändler in Berlin-Marzahn ermordet: Ein deutscher Rassist hatte ihn zunächst festgehalten und dann die Polizei angerufen mit der Frage : „Regelt ihr das oder muss ich das selbst erledigen?“ Noch bevor die Polizei eintraf, stach der Täter mit einem Messer auf den jungen Mann ein. Dieser starb wenige Stunden später an seinen Verletzungen im Krankenhaus. Der Täter hatte bereits vor diesem Mord gegen die „Fidschis“ gehetzt. Trotzdem spekulierten die Nachrichtenagenturen zuerst über Revierkämpfe in der Zigaretten-Mafia. Polizei und Medien versuchten diesen rassistischen Mord als Tat eines psychisch Kranken herunterzuspielen.

Aufgezeichnet und erstellt von Pamo Roth.

| Teil 1 Warum ich das nicht mehr hören will!
Petra Rosenberg zu „Zigeuner“

| Teil 2 Warum ich das nicht mehr hören will!
Abini Zöllner zu „Neger“

| Teil 3 Warum ich das nicht mehr hören will!
Mark Terkessidis, Erfinder der Wortschöpfung ?rassistisches Wissen? zu „Kanake“

Zum Thema:

| Heike Kleffner. „Landser, Landser, gute Reise“

| Ausstellung über die Schicksale der ehemaligen Vertragsarbeiter in der DDR:

| Lars Hartfelder: „Ausländerfeindlichkeit in der DDR“

Weiterlesen

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Wie Nadelstiche Rassismus im Alltag

„Du läufst durch die Straße, Schnee überall, alles ist wunderschön, alle sind draußen. Du siehst nur lächelnde Gesichter, und dann läuft ein Mann hinter uns und sagt: ‚Guck mal, die Kanaken.‘“

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