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AfD in Schleswig-Holstein Von rechts ohne Konkurrenz

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Die Webseite des AfD-Landesverbandes Schleswig-Holstein (Quelle: Screenshot)

Dem Landesverband der “Alternative für Deutschland“ (AfD) in Schleswig-Holstein haben die Führungsdebatten und der Streit um den Umgang mit Björn Höcke und dem rechtsnationalen Flügel innerhalb der Partei nicht gut getan. Lag die AfD in Schleswig-Holstein bei Umfragewerten Anfang April noch stabil bei sieben Prozent, zeigt der Trend seitdem nach unten. Mittlerweile muss der Landesverband um den Einzug in das Landesparlament in Kiel bangen. Derzeit stehen sie bei sechs Prozent (Stand 27.04.2017).

Externe Wahlhilfe von “parteiunabhängigem“ Verein

Doch die parteiinternen Streitereien sind nicht die einzigen Probleme, mit der die AfD im nördlichsten Bundesland zu kämpfen hat. Große Plakate in den Städten rufen zur Wahl der AfD auf. Farbe, Stil und Wortwahl, wie zum Beispiel “Mehr Sicherheit für unsere Frauen und Töchter!“ erwecken den Anschein eines offiziellen Parteiplakats. Sie stammen jedoch von einem parteiunabhängigen Unterstützer, dem “Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“.

Parteiunabhängig muss in diesem Sinne als juristische Definition verstanden werden, denn eine inhaltliche Nähe zur AfD lässt sich nur schwer abstreiten. (btn) Der Verein finanziert sich nach eigenen Angaben über Einzelspenden, aber auch Investitionen von mittelständischen Unternehmen oder aus der Industrie würden angenommen. Derselbe Verein warb auch schon vor Wahlen im Saarland, in Berlin, in Mecklenburg-Vorpommern für die AfD. Auch für die anstehende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen druckt der Verein eine kostenlose Zeitung, die unter dem Namen “Extrablatt“ verteilt wird.

Bei dem Verein soll es sich, nach Recherchen der FAZ, jedoch nicht um eine freiwillige Gruppe AfD-begeisterter Bürger_innen handeln, sondern um gut vernetze, europäische Rechstpopulisten, die große Summen in den Wahlkampf investieren. Allein für Schleswig-Holstein, mit 2,8 Millionen Einwohner_innen, wurden 375.000 Exemplare des “Extrablatts“ gedruckt und verteilt.

Auf Nachfrage des NDR distanziert sich der Schatzmeister des Landesverbands, Bernhard Noack, von der kostenlosen Wahlwerbung. Er weist darauf hin, keinen Kontakt zum Verein zu haben und eventuell juristisch gegen die Werbekampagne vorzugehen. Dennoch profitiert die Partei von der kostenlosen Unterstützung. Laut Gesetzgebung ist das nicht illegal. Solange der Partei keine direkte Verbindung zum Verein nachgewiesen werden kann, verstößt sie nicht gegen das Parteienfinanzierungsgesetz. Von einer Partei, die mit dem Slogan „Mut zur Wahrheit“ wirbt, könnte jedoch erwartet werden, dass sie an Transparenz und der Aufklärung der Herkunft des Geldes interessiert ist.

“Für unsere Art zu leben, für unser Land!“

Das Wahlkampfteam um den Spitzenkandidaten Jörg Nobis scheint die Unterstützung dringend gebrauchen zu können. In Umfragen steht die Partei derzeit zwischen fünf und sechs Prozent und kämpft um den Einzug ins Parlament. Auf Facebook versucht der Landesverband die Wähler_innen über Livestreams von Diskussionen und Bürgerdialogen auf dem Laufenden zu halten. In den zwei Wahlwerbespots äußern die Kandidat_innen Skepsis gegenüber Medien und Presse und werben für mehr Anerkennung für Familien. Innere Sicherheit spielt eine große Rolle in der Außendarstellung. Spitzenkandidat Jörg Nobis beendet den Wahlspot mit einem Aufruf: “Unsere Freiheit ist in Gefahr, unsere Demokratie unter Beschuss. Die Altparteien sind zu schwach sich dagegen zu wehren oder wollen es gar nicht. Wir wollen, dass Deutschland, Deutschland bleibt, so wie wir es kennen. Wir wollen in Schleswig-Holstein in Sicherheit und Freiheit leben. Deswegen holen Sie sich Ihr Land zurück.“

Doch die AfD in Schleswig-Holstein fühlt sich auch falsch verstanden: “Es ist natürlich eine Taktik, dass immer wieder die AfD in die rechte Ecke gestellt wird mit entsprechenden Begrifflichkeiten in Verbindung gebracht wird“, beschwert sich Katja Jung-Buhl, Mitglied im Landesvorstand, im Wahlwerbespot “Frauenpower in der AfD“. Auch Silke Hammer, die auf Platz 6 der Landesliste antritt, ist sich sicher: “Ich bin von Anfang an dabei gewesen und ich kenne die Mitglieder der AfD, ich kenne viele Mitglieder, ich war bei fast allen Parteitagen und daher weiß ich, dass die Medien ein völlig verzerrtes Bild der AfD zeichnen.“ Um das behaupten zu können, muss sie wohl zumindest Björn Höcke auf den Parteitagen gezielt aus dem Weg gegangen sein. Aber auch, wenn man sich das Wahlprogramm der AfD in Schleswig-Holstein ansieht, kommen Zweifel an der Unbeflecktheit der Partei auf.

 

Spitzenkandidat Jörg Nobis teilt eine Karikatur der neurechten Zeitung „Junge Freiheit“ auf Facebook (Screenshot 27.04.2017)

 

Ein Programm für die “Heimat der Einheimischen“

Schon in der Präambel des Wahlprogramms der AfD-Schleswig-Holstein deutet die Partei an, wen sie als potentielle Wähler betrachtet und für wen sie Politik machen will: Die Menschen, die hier seit Generationen leben. Doch der Frieden zwischen den Meeren sei bedroht – durch “die weiterschwelende Eurokrise, die misslungene ‘Energiewende’, die Einwanderungskrise aus dem islamischen Raum“. Die AfD Schleswig-Holstein fordert deswegen ein Ende der “Verherrlichung des Fremden“ und Grenzkontrollen.

Innere Sicherheit und direkte Demokratie

Innere Sicherheit und die Stärkung der Polizei nimmt im Wahlprogramm viel Platz ein. So wird ein “Vandalismus“-Paragraph gefordert, sowie mehr Projekte gegen Linksextremismus und Islamismus. Zudem fordert der Landesverband eine größere gesellschaftliche Anerkennung für Bundeswehr und Polizei: “Der Begriff des Bürgers in Uniform soll wieder gelebte Tradition werden.“ Zudem soll ein “Tag des Heimatschutzes“ für Soldat_innen, Feuerwehr und Technische Hilfswerke eingeführt werden, der zu mehr Nachwuchs führen soll.

Ansonsten fordert der Landesverband direkte Formen der Demokratie. Der AfD schwebt vor, dass für einen Gesetzesvorschlag fünf Prozent der Gesamtbevölkerung den Antrag unterstützen müssen, ähnlich wie zur Bildung von Fraktionen im Parlament.

Auf der Suche nach “altgermanische Wurzeln“

Deutschland soll bleiben, wie wir es kennen, sagt Jörg Nobis im Wahlwerbespot. Was das für die AfD in Schleswig-Holstein konkret bedeutet, lässt sich im Wahlprogramm genauer nachlesen. Die AfD will endlich aus dem “Schatten der Vergangenheit heraustreten“ und wirft den “Altparteien“  vor, sie verfolgten eine “knallharte Multikultildeologie [sic!], die zu Ende gedacht die kulturelle Selbstaufgabe bedeutet“. Die Geschichte Deutschlands werde auf “zwölf Unglücksjahre“ reduziert. Die Frage ist: Unglück für wen? Für die Opfer des Nationalsozialismus oder für die “Deutschen“, denen der Nationalsozialismus nicht in ihr romantisiertes Geschichtsbild passt? Die Formulierung “zwölf Unglücksjahre“ erweckt den Anschein, dass die Zeit des Nationalsozialismus als abgeschlossenes Fenster der Geschichte betrachtet wird, ohne nach der Vorgeschichte und den Nachwirkungen zu fragen. So scheint auch die Formulierung, dass “Grundwerte, die im Laufe der Geschichte gegen etliche Widerstände erkämpft und verteidigt wurden“. Anscheinend hat der Nationalsozialismus aus Sicht der AfD nichts mit deutscher Geschichte zu tun – oder war nur ein Ausrutscher. Ansonsten tauchen im Wahlprogramm sehr eigene Formulierungen auf. Zum Thema Kultur wirbt die AfD beispielsweise dafür “auch die altgermanischen Wurzeln unserer Kultur zu erforschen und zu würdigen […]“.

Wer ist das Volk?

Die Familie und “das Volk“ liegen der AfD in Schleswig-Holstein sehr am Herzen. Die “Masseneinwanderung“ gefährde jedoch den Status quo. Sie sei von “Grün-Rot ideologisch vorbereitet und von der CDU vorangetrieben“ worden. Der “gesellschaftliche Sprengstoff“, ergebe sich aus der “Umverteilung des Wohlstands innerhalb Europas und der ungezügelten Masseneinwanderung aus dem islamischen Raum.“

Hochsensibel ist die AfD bei der sogenannten “Frühsexualisierung“. Kandidatin Katja Jung-Buhl warnt: “Ich habe einen 9-jährigen Sohn und erlebe, dass er in einer DDR 2.0 aufwächst. Denn auch jetzt findet wieder eine Indoktrination der Kinder statt, sei es die Frühsexualisierung, sei es eine links-grüne Ideologie, die vermittelt wird in den Bildungseinrichtungen.“ Für die AfD besteht zwischen der Anerkennung vielfältiger Lebensentwürfe und deren Entstigmatisierung scheinbar eine direkte Verbindung zu Diktaturen. Wieso die Aufklärung über vielfältige Lebensentwürfe in der Schule zu einer Frühsexualisierung führt, wird im Wahlprogramm nicht weiter thematisiert. Sonst könnte noch die Frage aufkommen, ob Vater-Mutter-Kind-Spielen nicht auch eine Form von “Frühsexualisierung“ sein könnte. Gendermainstreaming wird als “ideologische Bevormundung“ abgelehnt. Sie führe zu “marktkonformen, gleichgeschalteten Konsumenten des Globalisierungszeitalters“.

Die “klassische“ Vater-Mutter-Kind-Familie muss laut Wahlprogramm stärker gefördert werden, denn “nur aus der Verbindung zwischen Mann und Frau entstehen Kinder als Nachkommen unserer Gesellschaft“. “Kulturfremde Zuwanderung“ ist für die AfD keine Alternative. Laut Wahlprogramm hat nämlich “der Schutz und die Förderung von Familien […] für die AfD höchste Priorität, weil wir unser Volk nicht aufgeben“.

Regional setzt sich die AfD in Schleswig-Holstein für die Erhaltung der Fischerei, den Artenschutz, die Landschaftserhaltung (gegen Windkraft) und vor allem für Jagdrechte ein.

Die AfD positioniert sich rechts

Die AfD möchte nicht in die rechte Ecke gestellt werden. In Wahrheit tut sie das mit ihrem Wahlprogramm selber. Wer Dystopien von “kultureller Selbstaufgabe“ entwirft, “Nachkommen unserer Gesellschaft“ gegen “kulturfremde Zuwanderung“ in Position bringt, und dann noch dazu auffordert, die “altgermanischen Wurzeln zu erforschen und zu würdigen“, darf sich nicht wundern, mit rechter Gesinnung in Verbindung gebracht zu werden. Da hilft auch die wiederholte These der “Ideologiefreiheit“ nicht weiter. Das Verständnis vom “Volk”, das sich im Familien- und Gesellschaftsbild widerspiegelt, macht es schwierig, andere Schlüsse zu ziehen.

Außerdem: Rechtsextreme Parteien treten nicht zur Wahl an

In Schleswig-Holstein treten bei dieser Wahl keine rechtsextremen Parteien an. Die NPD schrieb auf ihrer Webseite am 29. Oktober 2016, dass sie 2.000 Unterschriften benötige, um zur Wahl zugelassen zu werden. Seitdem war nichts mehr zu lesen oder zu hören. Im Februar 2017 wurde dann bekannt, dass die Partei nicht zur Wahl antritt. Die Parteiführung hat beschlossen, sich nur noch auf einzelne Landtagswahlen zu konzentrieren, in denen sich die Partei einen Wahlerfolg verspricht. In Schleswig-Holstein scheint es nahezu ausgeschlossen, dass die NPD die Ein-Prozent-Hürde überwinden kann. Dies wäre aber nötig, um staatliche Parteienfinanzierung zu erhalten. Auch die rechtsextremen Parteien “Die Rechte“ und “III. Weg“ treten nicht an.

— Am 25. Mai 2018 tritt die Datenschutzgrundverordnung (DSVGO) in Kraft. Die Rechtslage für Fotos ist unklar. Bis sich daran etwas ändert, machen wir Personen, die auf Fotos zu sehen sind, unkenntlich. —

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