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Demobilanz Blockierter Weg, lückenhafte Friedenskette und Corona-leugnung 

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Gegendemo in Berlin. (Quelle: AAS)

99 Demonstrationen waren in Berlin allein für den Samstag angemeldet. Die Polizei stellte daher ein Großangebot mit 2700 Beamt*innen aus verschiedenen Bundesländern. Die meisten der Veranstaltungen liefen weitestgehend friedlich ab, allerdings kam es unter anderem bei den „coronakritischen“ Demonstrationen in Berlin Mitte mit etwa 300 Teilnehmenden zu Missachtungen der Infektionsschutzmaßnahmen, wie Mindestabstand oder das Tragen von Mund-Nase-Schutz.

Die rechtsextreme Kleinstpartei „Der III. Weg“ hatte zur Demonstration in Berlin Hohenschönhausen mobilisiert unter dem Motto: „Ein Volk will Zukunft! Heimat bewahren! Überfremdung stoppen! Kapitalismus zerschlagen!“ Um die 300 Rechtsextreme standen nach Zählungen der Polizei ungefähr 1500 Gegendemonstrant*innen gegenüber. Dem Polizeibericht zufolge wurden Beamt*innen von mehreren hundert vermummten Personen mit Pyrotechnik und Glasflaschen beworfen. Zudem wurde ein Polizist von einer Gruppe Rechtsextremer angegriffen. Die rechtsextreme Demonstration wurde durch mehrere Sitzblockaden blockiert. Dabei griff die Polizei teilweise gewaltsam durch, um den Rechtsextremen ihre Demonstrationsroute zu ermöglichen. Letztendlich einigten sich Polizei und Rechtsextreme auf eine verkürzte Alternativroute. Kurzzeitig kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Nazis und Polizei, aufgrund der Blockierung. Insgesamt kam es zu 150 Festnahmen. (vgl. rbb)

Auf der Kundgebung des „III. Wegs“ traten mehrere Redner*innen auf, die offen rechtsextremistisches Gedankengut äußerten. Der rechtsextreme Anwalt Wolfram Nahrath sagte in einer Rede: „Uns fehlen die Deutschen, so wird uns gesagt. Warum? Weil wir, weil ihr alle vergessen habt, sie zu gebären!“ Er verbreitet damit die völkische Verschwörungserzählung vom angeblichen „Volkstod“, die ein apokalyptisches Szenario als Drohkulisse inszeniert. Nahrath vertrat als Anwalt unter anderem die verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck und den Rechtsrocksänger Michael Regner.

„Friedenskette Bodensee“ und „Querdenken” in Konstanz

In Konstanz und Umgebung waren am Wochenende 29 Versammlungen angemeldet. Die Teilnehmerzahlen blieben bei allen Veranstaltungen hinter den Erwartungen zurück. Bei einer „Friedensmenschenkette“, die den Bodensee „umarmen“ sollte, hatten die Veranstalter*innen auf 250.000 Menschen gehofft. Am Ende kamen laut Polizei 11.000 Teilnehmende zusammen. Die Veranstalter*innen gehen von 60.000 bis 70.000 aus und sprechen von einem Erfolg.

Ziel der Kette sei es laut Mitorganisator Gerry Mayr gewesen, ein europäisches Signal gegen die Corona-Maßnahmen zu setzen und in einen Dialog mit der Regierung zu treten. Der Konstanzer Unternehmer hält Quarantäne für ein modernes Gefängnis und die Maskenpflicht für Unrecht.

Zur Kundgebung der Initiative „Querdenken“ am folgenden Tag in Konstanz kamen ca. tausend Teilnehmer*innen. Die Veranstalter*innen hatten 30.000 angemeldet. Das Programm bestand aus einem Gottesdienst, Musikbeiträgen und diversen Reden, unter anderem auch von „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg. Die Themen waren wie auf den vergangenen Veranstaltungen die Covid-19-Maßnahmen, aber auch in der Szene gängige Verschwörungsmythen, wie dass die Pandemie erfunden sei, um die Menschen zu versklaven. Nur wenige der Teilnehmenden trugen eine Mund-Nase-Schutz. Es mussten Ordner*innen ausgetauscht werden, da diese sich weigerten einen Mund-Schutz zu tragen, wozu sie nach Demoauflage verpflichtet waren. Teil der Auflage war zudem das Verbot von „Reichsflaggen, Kaiserreichsflaggen und Zeichen, die einen deutlichen Bezug zur Zeit oder zu den Verbrechen des Nationalsozialismus herstellen und eine Verbindung zu der aktuellen Corona-Pandemie herstellen“. (vgl. Süddeutsche Zeitung

Michael Ballweg selbst sagte in seiner Rede, er distanziere sich nun vom Distanzieren. Die „Systemmedien“ würden es ignorieren, dass „Querdenken“ nicht von rechts unterwandert würde. Und weil er und seine Mitstreiter Demokraten seien, müssten sie sich auch nicht distanzieren. Dieser Einladung für extreme Meinungen folgte eine Leugnung des aktuellen Anstiegs der Covid-19-Neuinfektionen. Ballweg zitiert aus einem Einspieler, in dem eine Person sagt: „Das Infektionsgeschehen ist diffus und schwierig festzustellen.“ Darauf sagt Ballweg der zitierten Person antwortend: „Ja, es gibt nämlich keines.“ Dafür erntete er Applaus und schallendes Gelächter aus dem Publikum. 

 

 

 

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