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Heimliche Sympathisanten der NPD in Sachsen

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Fast alle neu gewählten Abgeordneten waren in Torgau im Schloss Hartenfels zu der Premierensitzung des nordsächsischen Kreistags am 27. August gekommen. Nur sieben von 80 Kreisräten fehlten an diesem Mittwoch. Unter den nicht anwesenden Mandatsträgern war auch ein NPD-Abgeordneter. Bei der Kommunalwahl im Juni 2008 war in Nordsachen den NPD-Vertretern Steffen Heller, Jens Gatter, Andreas Siegel und Bernd Güntner der Einzug in den Kreistag gelungen. Landesweit kamen 44 NPD-Kandidaten in alle Kreistage. „Seit dem 8. Juni 2008 ist in Sachsen nichts mehr, wie es war“, frohlockte damals Hartmut Krien von der „Kommunalpolitischen Vereinigung“ der NPD Sachsen.

Mehrere Abstimmungen waren im Kreistag von Nordsachen ohne Auffälligkeiten schon gelaufen. Doch nach vier Stunden zog der wieder gewählte Landrat Michael Czuppala (CDU) die Notbremse. Mit mehr Stimmen als Mandatsträgern gelangten mehrere NPD-Abgeordnete in Kreisausschüsse. Die Fremdstimmen bewogen Landrat Czuppala dann zur Unterbrechung der konstituierende Sitzung. Ein Eklat, der in dem sächsischen Kommunalparlament vielleicht zu erwarten war.

Überraschungscoup der NPD

Die NPD hatte offensichtlich die anderen Parteien überrascht. Zu Beginn des Wahlprozederes für die Besetzung der Ausschüsse hatten die NPD-Herren geheime Wahlen gefordert. Mit Erfolg erwirkten sie auch, dass ihre Namen mit zur Abstimmung auf eine zweite Liste kamen. Rechtlich waren diese NPD-Anträge nicht zu beanstanden, erklärt die grüne Kreistagsabgeordnete Gabriele Schneider. Und betont: „Das war alles blauäugig. Das Landratsamt hätte alle Möglichkeiten durchspielen, sich juristisch Beistand holen müssen.“

In geheimer Wahl zog prompt NPD-Vertreter Jens Gatter mit fünf Stimmen in den Kreisausschuss ein, ein Selbstverwaltungsorgan des Kreises. NPD-Kader Steffen Heller wurde – ebenfalls mit zwei Fremdstimmen – in den Gesundheits- und Sozialausschuss gewählt. Kandidaten der Freien Wähler fielen durch. Ein Raunen soll nach Bekanntgabe der Wahl durch den Saal gegangen sein. Gleich mehrere Fraktionen beantragten eine Unterbrechung der Sitzung.

Nach gut zwanzig Minuten erklärte Czupalla im Schloss: „Ich kann es nicht zulassen, dass eine Fraktion nicht in den Ausschüssen berücksichtigt wird.“ Die Sitzung vertagte er. Am 16. September wird voraussichtlich die Kreistagssondersitzung stattfinden, sagt Raijk Bergner, Pressesprecher des Landrats. Er betont zudem, der Landrat werde gegen die beiden Wahlvorgänge Widerspruch einlegen.

„Der Landrat musste die schmerzliche Erfahrung machen, dass freie und geheime Wahlen ihre Tücken haben“, verkündet erfreut NPD-Mann Heller. Eine „geschlossene Anti-Rechts-Front“ gäbe im Kreistag nicht, hebt er hervor. Schon die Äußerungen des CDU-Abgeordneten Roland Märtz, NPD-Anträge künftig nicht mehr prinzipiell abzulehnen, hätten vorab offenbart, dass die „Ausgrenzungshysterie auch in den etablierten Parteien nicht nur Freunde hat“, sagte Heller weiter.

Streit in der CDU

Vor der Konstituierung hatte der stellvertretende CDU-Fraktionschef Märtz gegenüber der taz (tageszeitung) betont: „Wenn die NPD Vorschläge hat, die für den Kreis gut sind, gibt es keinen Grund, sie abzulehnen“ und versicherte: „Nein, Anträge der NPD werde ich nicht einfach ablehnen, nur weil sie die NPD stellt“. Er wolle jeden Antrag, ob von der rechten oder linken Seite, unter dieser Überlegung des Gemeinwohls bewerten und entsprechend abstimmen. „Da mache ich keine Unterschiede“, sagte er. Bereits Anfang August führte er in der Torgauer Zeitung aus: Ein grundsätzliches Nein gebe es nicht: seien die Anträge der NPD für den Kreis hilfreich, gebe es keinen Grund gegen sie zu stimmen. Gegenüber „Spiegel online“ wiederholte er, was er gegenüber der tageszeitung schon gesagt hatte: er wolle nicht ausschließen, sachlichen NPD-Anträgen zustimmen zu können.

Nachfragen der tageszeitung, ob er nicht befürchte, damit der NPD-Verbürgerlichungsstrategie zuzuarbeiten, lässt Märtz unbeantwortet. Stattdessen betont er, dabei handele es sich bloß um seine eigene Meinung.
Der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer reagierte auf die Äußerungen von Märtz mit einem innerparteilichen Machtwort: „Nie wird ein CDU-Politiker in Sachsen mit der NPD stimmen“, so Kretschmer in einem Interview mit der tageszeitung. Allerdings werfen weitere Abstimmungen in anderen Kreistagen die Frage auf, inwieweit die CDU-Basis ihrem Generalsekretär folgt.

Nordsachsen ist kein Einzelfall

Auch im Landkreis Zwickau erhielten bei Kreistagsabstimmungen NPD-Abgeordnete mehr Stimmen als die Partei an Mandatsträgern aufzubieten hat. Zwei NPD-Kreisräte bekamen bei der Vertrauensleutewahl für Wahlausschüsse an Amtsgerichten einmal drei, und einmal sogar sechs Stimmen zusätzlich. Im Landkreis Meißen konnte der NPD-Kreisrat Peter Schreiber bei der Wahl für den Verwaltungsrat der Sparkasse vier Stimmen mehr einsammeln. Gleich fünf Stimmen zusätzlich fuhr sein NPD-Ratskollege Mirco Beier bei der Bestimmung für den Stiftungsrat für die Sportstiftung des Kreises ein. Drei Stimme mehr erlangte auch der sächsische Landtagsfraktionschef der NPD, Holger Apfel, bei der Wahl für den Beirat einer Arbeitsgemeinschaft, die Hartz-IV-Empfängern betreut. Im Vogtland war es „nur“ eine Stimme mehr für einen NPD-Kandidaten für den Kreisausschuss.

NPD-Anträge dechiffrieren

Wie umgehen mit der NPD, wenn ihre Vertreter demokratisch gewählt in die Kommunalparlamente ziehen? Pauschale Antworten möchten die Sozialwissenschaftler Benno Hafeneger und Sven Schönfeld auf diese Frage nicht geben. In ihre Studie „Politische Strategien gegen die extreme Rechte in Parlamenten ? Folgen für die kommunale Politik und lokale Demokratie“ betonen sie aber „im klugen Abwägen die extreme Rechte zugleich zu ignorieren und ihre Anträge, Beiträge, Rhetorik mit Blick in die kommunale Öffentlichkeit zu dechiffrieren“. Kurz: eine kritische inhaltliche Auseinandersetzung sollte gesucht werden. Sie mahnen zudem dringend, „die Anträge der extremen Rechten konsequent abzulehnen, damit ihnen kein politischer Gestaltungsspielraum eingeräumt wird“. Auch der sächsische SPD-Generalsekretär Dirk Panter betont: „Die NPD ist keine normale Partei“.

Orientierungslosigkeit bei Lokalmedien

Auch bei den kommunalen Medien tut man sich manchmal im Umgang mit der Neonazi-Partei schwer. So druckte die Torgauer Zeitung vor wenigen Tagen kommentarlos eine Pressemitteilung der NPD ab. ?Die Wähler, nicht wir haben der NPD ein Mikrofon in die Hand gegeben?, rechtfertigte Chefredakteur Thomas Stöber im Nachhinein die Veröffentlichung. Er sei einer ?fairen Berichterstattung? verpflichtet und ?die Leser fühlen sich veralbert, wenn wir die NPD ausschließen“. Als Journalisten anderer Medien daraufhin bei der Torgauer Zeitung nachfragten, wurde der Beitrag der NPD über eine vermeintliche „Selbstalimentierung“ aber aus dem Onlineangebot gelöscht. Der tageszeitung erklärte Stöber: „Wir wollen der Sache keine überproportionale Aufmerksamkeit verschaffen“ und räumte ein, es sei falsch gewesen, keinen eigenen journalistischen Text zu bringen.

„Einen Dammbruch“, nennt die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Die Linke) diese NPD-Erfolge. Und SPD-Generalsekretär Panter hebt hervor: „Die demokratischen Parteien dürfen sich von den Tricks der populistischen und demagogischen NPD nicht unter Druck setzen lassen.? Es sei wichtig, dass sich alle demokratischen Fraktionen mit den Problemen, die die NPD vorträgt, auch auseinandersetzen und dabei die Positionen der Rechtsextremen bloß stellen. Nur so, das glaubt auch Kerstin Köditz, könne dem Trend zur schleichenden Normalisierung der NPD entgegen gewirkt werden.

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