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Rechtsextreme Strukturen Clown Ferdinand und die NPD

Die Absage des NPD-Kinderfestes in Anklam von Seiten der Stadt führte zu einem Demonstrationsaufruf der NPD am 31. Juli 2010. Kinder und Familien sind zentrale Themen der rechtsextremen Ideologie mit welchen sie seit Jahren versuchen sich möglichst bürgerlich zu präsentieren.

 
Foto: zoomar, via flickr, cc

„Obwohl das Kinderfest aufgrund des einsetzenden Regens erst mit einer Stunde Verspätung beginnen konnte, fanden später bei herrlichem Sonnenschein nicht weniger als 300 Besucher den Weg in den Ueckerpark. […] Clown Ferdinand, in diesem Jahr wieder mit von der Partie, brachte nicht nur die Kinderherzen zum lachen.“ So beschreibt der Landesverband der NPD Mecklenburg-Vorpommern das Ueckermünder Kinderfest. Mit Hüpfburg, Bastelstraße, Glücksrad und Kaffee und Kuchen wirbt die NPD auf ihrer Homepage. Ob in Grevesmühlen, Anklam, Ueckermünde oder Stralsund, die NPD veranstaltet Kinderfeste an verschiedenen Orten um sich möglichst bürgernah und familienfreundlich zu geben. Die bereits stattgefunden Kinderfeste werden von Seiten der NPD als große Erfolge gewertet.

NPD-Kinderfest?!

Auch wenn Büchsenwerfen, Hüpfburg und Kinderschminken sich zunächst recht harmlos anhören, hinter den von der NPD organisierten Familienfesten steht ein rassistisches Gedankengut. Denn was passiert wenn die Kinder mal als Indianer geschminkt werden wollen? Längst nicht alle Familien sind gleichermaßen willkommen, Kinder oder Familien mit Migrationshintergrund sind auf diesen Festen mehr als unerwünscht. „In der rechtsextremen Ideologie spielt die Familie eine zentrale Rolle“, so Simone Rafael von netz-gegen-nazis. „Die Familie gilt als kleinste Einheit des völkischen Denkens und ist verbunden mit einem unverhohlenen Rassismus. Forderungen der NPD sind zum Beispiel Auszahlung des Kindergeldes nur an „deutsche“ Familien oder getrennte Schulklassen für „deutsche“ Kinder und Kinder mit Migrationshintergrund, aber lediglich bis zu deren Abschiebung.“

Speziell mit dem Thema Familie versucht sich die NPD in der Mitte der Gesellschaft zu etablieren. Mit Aktionen wie den Kinderfesten will sie sich möglichst bürgerlich geben. „Die Kinderfeste sind als ein Versuch der NPD zu werten, sich als eine Partei wie jede andere darzustellen, um so breitere Zustimmung zu erlangen“, erklärte der Politologe Dr. Dierk Borstel vom Institut für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeldt. „Mit dieser Strategie konnten sie auch schon einige Erfolge verzeichnen.“

Demonstration der Macht

Für den 31. Juli wollte der Landesverband der NPD nun eine öffentliche Festwiese in Anklam für eines ihrer Kinderfeste mieten. Diesen Antrag lehnte jedoch die Stadtversammlung ab. Die Begründung: Das Gelände ist über Sommer an das Diakonische Werk verpachtet. Am besagten Tag findet dort eine schon lange geplante Jungbürgerversammlung statt, bei der Jugendliche mit den lokalen Politikern und der Stadtverwaltung ins Gespräch kommen sollen. Auf die Ablehnung ihres Antrags reagierte die NPD mit sprachlicher Umkehr der Realität: Die Absage wird als kinderfeindlich bezeichnet und mit einem Aufruf zur Demonstration und einer Klage beim Verwaltungsgericht beantwortet. Die Klage wurde bereits vom Greifswalder Verwaltungsgericht abgelehnt. Der Aufruf zur Demonstration steht weiterhin. Unter dem Motto „Gegen kinderfeindliche Bonzen – für eine lebenswerte Zukunft in unserer Heimat – Freiheit statt BRD“, will die NPD am 31. Juli in Anklam demonstrieren. Ein Bündnis aus antifaschistischen Gruppen aus Mecklenburg-Vorpommern hat eine Gegendemonstration angekündigt.

Reaktionen

„Die übertriebene Reaktion der NPD auf eine rechtmäßige Absage einer Veranstaltung von Seiten der Stadtversammlung zeigt, dass sie mit diesem Aufruf lediglich ihre Macht in Anklam demonstrieren will“, erklärte Michael Galander, der Bürgermeister der Stadt Anklam. Die Jungbürgerversammlung wird jedoch in jedem Fall durchgeführt, um nicht vor der NPD zu weichen. Zu der Versammlung sind alle Anklamer im Alter von 14 bis 21 Jahre eingeladen. Dabei haben die Jugendlichen die Möglichkeit den Politikern Fragen zu stellen, ihre Anliegen vorzubringen und Kritik zu äußern. Die Demonstration der NPD sowie die verstärkte Polizeipräsenz wird wohl ein etwas mulmiges Gefühl bei den Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Veranstaltung hinterlassen. Dennoch soll die Veranstaltung ohne Störungen durchgeführt werden. Auch wird die rechtsextreme Szene, mit der Anklam seit Jahren zu kämpfen hat, sicherlich ein Thema bei der Versammlung sein.

Die Stimmung in Anklam

Veranstaltungen wie die Jungbürgerversammlung sind gerade in Anklam sehr wichtig. Mitte Mai stellte Dierk Borstel die Ergebnisse einer Studie des Institut für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld zur Engagementbereitschaft und Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit der Anklamer Bürger*innen vor. Dabei kamen teilweise sehr alarmierende Ergebnisse zu Tage. Rund 18 Prozent der Anklamer stimmten der Aussage zu, die NPD helfe vor Ort Probleme zu lösen. Mehr als jeder Dritte hält die NPD für eine Partei wie jede andere auch. Zudem meinte etwas weniger als die Hälfte aller Bürger*innen, die Stadt Anklam müsse vor Überfremdung geschützt werden. Dabei liegt der aktuelle Ausländeranteil der Stadt gerade einmal bei 1,6 Prozent. Es zeigen sich deutliche Tendenzen zu Rassismus und ein Phänomen das häufiger beobachtet werden kann: Gerade in Gebieten in denen der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund besonders gering ist zeigt die Bevölkerung oft starke Ängste vor Überfremdung ihrer Stadt. Dies ist ein perfekter Nährboden für die NPD, die Ängste wie diese aufgreift.

Trotz allem gibt die Studie auch Hoffnung, da in Anklam deutlich über die Hälfte der Bürger*innen bereit wären, sich gegen Rechtsextremismus in ihrer Stadt zu engagieren. Diese Bereitschaft muss nun von der Politik und den ortsansässigen Vereinen aufgenommen werde. Pläne für eine Stärkung der demokratischen Strukturen und eine vermehrte Einbindung der Bürger existierten schon, wie Heiko Pult von der RAA Mecklenburg-Vorpommern sowie Herr Galander bestätigen. „Wir nehmen die Ergebnisse der Studie ernst und wollen in Zukunft mehr mit den Bürger*innen der Stadt ins Gespräch kommen. Vor allem wollen wir die Bürgerbeteiligung stärken!“ so Galander im Interview. Auch Dierk Borstel beurteilt die Entwicklung der Stadt in den letzten Monaten als sehr positiv. In Anklam scheint sich etwas zu bewegen!

Ein Bündnis antifaschistischer Gruppen aus Mecklenburg-Vorpommern ruft nun unter dem Motto „Enough is Enough – Wider den Anklamer Zuständen!“ zu einer Gegendemonstration am 31. Juli auf. Noch ist unklar ob und wo die Demonstrationen stattfinden werden. Auf ihrer Internetseite macht die NPD schon einmal Stimmung gegen das antifaschistische Bündnis. Es bleibt zu hoffen, dass die Anklamer Bürger*innen an diesem Tag präsent sind und den Rechten deutlich zeigen, dass sie unerwünscht sind!

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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