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Interview „Die AfD hatte die Klimadebatte während des Wahlkampfs dominiert“

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Symbolbild (Quelle: Unsplash)

Am 1. Dezember veröffentlichte das Institute for Strategic Dialogue (ISD) die Studie „Kalter Wind von Rechts: Wie rechte Parteien und Akteur:innen die Klimakrise zu ihren Gunsten missbrauchen“. Paula Matlach ist Analystin beim ISD und zusammen mit Lukasz Janulewicz Autorin der Studie.

Belltower.News: Sie haben in Ihrer Studie das Thema Klimaschutz im Rahmen der Bundestagswahl 2021 näher beleuchtet. Wie wichtig war das Thema im Wahlkampf, vor allem mit Hinblick auf die sozialen Medien?
Paula Matlach: Um diese Frage zu beantworten, haben wir die Inhalte der einzelnen Parteien auf Basis von Schlagwortlisten untersucht und klimabezogene Inhalte herausgefiltert. Wie zu erwarten, haben die Grünen mit Abstand am meisten über den Klimawandel geredet. Das waren im Durchschnitt 31 Prozent aller Beiträge. Danach steht die SPD, bei der sich ungefähr zwölf Prozent ihrer gesamten Inhalte mit dem Klimaschutz beschäftigt haben. Dahinter kamen Linke und FDP gleichauf und zuletzt CDU und AfD. Insgesamt würde ich schon sagen, dass der Klimaschutz eine große Rolle gespielt hat, wobei es große Unterschiede gab, je nachdem wie sehr sich die Parteien in ihrem Programm mit dem Klimawandel beschäftigt haben.

Würden Sie sagen, dass der Klimaschutz für die AfD eine untergeordnete Rolle gespielt hat, nachdem er deutlich weniger als bei anderen Parteien vorgekommen ist?
Ja und Nein. Wenn man sich die Ergebnisse anschaut, dann kann es erst einmal so wirken. Wir haben aber im Laufe der Analyse festgestellt, dass die AfD mit ihren klimabezogenen Inhalten wahnsinnig erfolgreich war. Klimabezogene Inhalte haben im Vergleich zu allen anderen Inhalten deutlich besser performt. Mit Performance meinen wir, dass sie mehr Shares als andere Inhalte erreicht haben. Die AfD hat mit Klima-Inhalten teilweise mehr als 200 Prozent mehr Shares erhalten als mit einem anderen durchschnittlichen Post, das ist natürlich sehr relevant. Ich glaube, dass die AfD sich dieser Wirkung durchaus bewusst ist.

Welche Strategie oder welches Narrativ steckt hinter dem Klimaschutz-Wahlkampf der AfD?
Eine Entwicklung, die wir beobachtet haben, ist die Entwicklung zum sogenannten „Kulturkampf“. Dabei geht es darum, dass der vermeintlich „deutsche Lebensstandard“ durch Klimaschutzmaßnahmen bedroht wird. Dieses emotionale Narrativ, bei dem ganz deutlich mit Existenzängsten von Menschen gespielt wird, haben wir in der Kommunikation der AfD sehr häufig beobachtet. Da ging es konkret um erhöhte Heizkosten oder aber auch um die CO²-Steuer, die dann wiederum eine Auswirkung auf den Benzinpreis hätte haben sollen. Dort wurden zum Beispiel Geschichten erzählt, was denn die Auswirkungen für deutsche Familien mit zwei Kindern pro Jahr wären. Das Ganze wurde also sehr persönlich dargestellt und die Zielgruppe der AfD sehr gezielt angesprochen. Das steht im Gegensatz zu der direkten Klimawandelleugnung, die wir jetzt weniger beobachtet haben. Anstatt „der Klimawandel existiert nicht“, sahen wir eher „Klimaschutzmaßnahmen sind schlecht für deutscher Bürger:innen“.

Welche Plattformen haben Sie sich dabei angeschaut und gab es erkennbare Unterschiede?
Da gab es sehr deutliche Unterschiede. Wir haben uns die großen Plattformen Twitter, Facebook und Instagram angeschaut. YouTube haben wir außen vor gelassen. Wir haben eine textbasierte quantitative Analyse durchgeführt. Das heißt, dass wir sehr wenige Instagram-Posts analysiert haben, da auf Instagram weniger Text veröffentlicht wird. Demnach beschränkt sich unsere Analyse hauptsächlich auf Facebook und Twitter. Dort haben wir in Bezug auf die Klimadebatte einen sehr deutlichen Unterschied festgestellt. Bei vielen der Themenbereiche ist uns aufgefallen, dass sich Nutzer:innen bei den meistgeteilten 25 Posts auf Facebook meist gegen Klimaschutz aussprachen und auf Twitter dafür. Zwar wird auch auf Twitter häufig Kritik geäußert, meist aber um mehr Klimaschutzmaßnahmen zu fordern. Über die Gründe für diesen Unterschied können wir nur spekulieren. Ich kann mir vorstellen, dass sich verstärkt Filterblasen auf den Plattformen bilden. Andererseits könnte es auch an den Plattform Policies und Community Guidelines liegen, dass auf Twitter problematische Inhalte besser abgefangen werden. Denn bei Facebook sehen wir schon, dass einige der Inhalte mit Desinformationen unglaublich weit verbreitet werden. Vermutlich spielen beide Überlegungen eine Rolle.

Welche Rolle spielte bezahlte Werbung auf sozialen Medien im Wahlkampf?
Werbung hat auf jeden Fall eine sehr große Rolle gespielt, die haben wir auch im Rahmen unserer internen Briefings untersucht. Allerdings ist es tatsächlich so, dass die Facebook-Ad-Library Forscher:innen einen sehr beschränkten Zugang bietet. Wir sind absolut der Meinung, dass dort ein besserer Zugang gewährleistet werden sollte, weil man viele Zahlen nur sehr schwer nachvollziehen kann. Das ist nicht wirklich systematisch und erlaubt deshalb auch keine systematische Untersuchung. Aus der qualitativen Perspektive können wir sagen, dass die AfD auch Desinformationen als Facebook-Werbung verbreitet hat. Das ist sehr problematisch.

Würden Sie insgesamt resümieren, dass der Wahlkampf der AfD im Bereich Klimaschutz erfolgreich war und wenn ja, was bedeutet das für zukünftige Wahlkampf?
Auf Basis unserer Daten sieht es so aus, als hätte die AfD die Klimadebatte während des Wahlkampfs dominiert im Vergleich zu den anderen Parteien. Aber das sind Strategien, die mit Emotionen spielen und faktische Argumente außer Acht lassen. Ich kann die Zukunft nicht voraussagen, aber ich hoffe, dass das Bewusstsein bis zur Bundestagswahl 2025 ein gänzlich anderes sein wird und sich diese Art von Stimmenfang in den Wahlergebnissen niederschlägt.

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