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„Juden-Presse“ Hooligans schlagen Jung-Journalisten in Dresden krankenhausreif

Am Sonntagnachmittag kam es nach dem Aufstiegsspiel von Dynamo Dresden unter „Juden-Presse“-Rufen zu Angriffen auf Journalist:innen. Ein noch minderjähriger Journalist wurde bei einem gezielten Angriff schwer verletzt. 

 
Fußballfans haben am Sonntag in Dresden Po­li­zis­t:in­nen und Journalist:innen angegriffen (Quelle: Xcitepress )

In Dresden ist es am Sonntag am Rande des Aufstiegsspiels von Dynamo Dresden in die zweite Fußballbundesliga zu Ausschreitungen gekommen. Mehrere Journalist:innen wurden verletzt. Ein 17-jähriger Journalist musste nach gezielten Schlägen aus einer Hooligan-Gruppe auf Kopf, Bauch und Kamera im Krankenhaus behandelt werden. 

Bis zum Anpfiff versammelten sich etwa 4.000 Fans im “Großen Garten” um gemeinsam das Dynamo-Spiel via Live-Ticker zu verfolgen. Ein 4:0 am gegen Türkgücü München reichte, um die Rückkehr der Dresdener in die Zweite Liga vorzeitig klarzumachen. Der Freudentaumel einiger Fans paarte sich jedoch schnell mit einer aggressiven Stimmung gegen Polizeibeamt:innen und Jounalist:innen. Noch während das Spiel lief wurden Journalist:innen auch körperlich angegriffen.  

„Das war ein richtiger Straßenkampf“

In der siebzigsten Spielminute setzte sich dann eine große Gruppe von etwa 2.000 Fans in Richtung Stadion in Bewegung. Die Polizei, die mit 1.100 Beamt:innen vor Ort war, musste sich kurzzeitig zurück ziehen. Es flogen Flaschen, Steine, Bengalos wurden gezündet. Schließlich ging ein Polizei-Trupp in die Menge hinein und setzte unter anderem Wasserwerfer ein. 

„Juden-Presse“-Rufen

„Das war ein richtiger Straßenkampf“, schildert ein anwesender Journalist gegenüber Belltower.News. Die aggressiven Fans bauten sich mit Holzlatten und Bauzäunen Barrikaden auf. Auch das junge Journalisten-Team Vue critique war vor Ort. Einer der beiden 17-Jährigen berichtet Belltower.News gegenüber, von „Juden-Presse“-Rufen. „Die Stimmung war extrem aggressiv“. Immer wieder wurden die beiden auch körperlich angegangen und an der Ausübung ihrer journalistischen Arbeit gehindert. 

Als ein Angreifer einem Journalisten einen Camcorder aus der Hand schlugen, fotografierte Vue critique die Situation. „Dann passierte alles ganz schnell“, so der Journalist von Vue critique. Plötzlich rannten zwei vermummte Männer auf die vue.critique Journalisten los, einer von ihnen war der Angreifer aus der vorigen Situation. 

Unter „Scheiß Antifa-Presse“-Rufen schlugen sie dem einen 17-Jährigen gezielt auf sein Equipment, auf seinen Kopf und in seinen Bauch. „Der ganze Angriff dauerte nur fünf bis zehn Sekunden“, erzählt das Vue critique-Mitglied, das  nur leichte Blessuren davon getragen hat. „Mein Kollege hat sich vor Schmerzen gekrümmt.“ Eine Notärztin, die den Angegriffenen noch vor Ort behandelte, bezeichnete den Zustand als „kritisch“. Immer wieder verlor der Angegriffene sein Bewusstsein. Im Krankenhaus wurde später ein Schädel Hirn-Trauma und Prellungen im Bauchbereich diagnostiziert. Er ist jedoch „auf dem Weg der Besserung“, sagte er am Montagmittag gegenüber Belltower.News.

Auch Stunden nach dem Abpfiff gingen die Ausschreitungen am Sonntag vor dem Stadion weiter. Dabei wurden elf Polizisten verletzt. Die Polizei leitete 17 Ermittlungsverfahren ein, unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs, Körperverletzung, Sachbeschädigung und dem Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz. 30 Personen wurden in Gewahrsam genommen. 

„Hier gibt es sehr viel aufzuarbeiten“

Viele Jahre lang hat Dresden nicht mehr solche Szenen erlebt. „Hier gibt es sehr viel aufzuarbeiten,“ schreibt etwa der offizielle Twitter-Account von Dynamo Dresden. In der Tat: Die Bilder und Szenen aus Dresden sind erschreckend. Obwohl gewaltbereite Fan-Szenen immer schon Teil der Fußball-Welt waren, gab es solche gewalttätigen Ausschreitungen schon lange nicht mehr in Deutschland. Warum die Fans sich in ihrem Jubel-Taumel am Sonntag eine derart aggressive Straßenschlacht mit der Polizei liefern konnten und unter antisemitischen Parolen auch Journalist:innen massiv angriffen, hat wohl auch was mit fehlenden Konsequenzen solch eskalierender Gewalt zu tun. 

Kaum Konsequenzen für rechte Hools?

Erst vergangene Woche hat das Landgericht Dresden in einem Prozess gegen drei frühere Mitglieder der rechtsextremen Hooligan-Gruppe „Faust des Ostens“ (FdO) ein mildes Urteil gesprochen. Das am 11. Mai gefällt Urteil ist der Abschluss eines Verfahrens, dessen Dauer viel Unverständnis und Unmut erzeugt hat. Schließlich stammte die Anklage bereits aus dem Jahr 2013. 

Zunehmende Gewalt gegen Journalist:innen

Besonders besorgniserregend an den Ereignissen von Sonntag in Dresden ist die Gewalt gegen Journalist:innen. Die Situation für Pressevertreter:innen hat sich in Deutschland im vergangenen Jahr massiv verschlechtert, wie Belltower.News berichtet hat. 281 Behinderungen der Pressearbeit zählt die Gewerkschaft „ver.di“ im Jahr 2020, davon 56 tätliche Angriffe auf Journalist:innen. Die Zahl der Übergriffe hat sich innerhalb des vergangenen Jahres fast verfünffacht. Es ist immens wichtig, dass Politik und Polizei Journalist:innen besonders auch auf rechten Veranstaltungen schützt. Denn in einer Demokratie kann man eine freie Presse schlicht nicht ersetzen. 

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