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Keine Überraschung Neonazi-Chatgruppe bei Essener Polizei?

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(Quelle: JM)

Dieser Skandal reiht sich ein in eine bundesweite Kette von rechtsradikalen und neonazistischen Skandalen innerhalb der Polizei, mit Überschneidungen zum NSU-Komplex.

Steeler Jungs marschieren

Essen ist seit Jahren das Zentrum einer neonazistischen Mischszene. Sie nennen sich „Steeler Jungs“, marschieren seit nun drei Jahren wöchentlich mit 50 bis 200 Hooligans durch den Essener Stadtteil Steele und verbreiten vor allem Angst. Sie treten in uniformähnlicher, schwarzer Kleidung auf, darunter einige Frauen, und sie praktizieren faktisch die rechte Strategie der Raumeroberung.

Taktisch sind sie nicht ungeschickt: Sie brüllen keine politischen Parolen, behaupten sogar sie würden – wie die inzwischen aus Angst politisch weitgehend inaktive Kölner Gruppierung des „Begleitschutzes“ – Sicherheit gewähren, insbesondere gegenüber Flüchtlingen. Verstärkt werden sie regelmäßig durch die offen neonazistische Gruppierung von „Die Rechte“ in Dortmund, durch den Mönchengladbacher Hool Dominik Roeseler von den selbsternannten „Hooligans gegen Salafisten“ wie auch durch die Düsseldorfer Hooligans, die sich „Bruderschaft Deutschland“ nennen. Faktisch sind insbesondere die Düsseldorfer eine massiv aggressiv bedrohend auftretende Gruppierung, die regelmäßig in NRW und teils auch bundesweit sehr rechte, flüchtlingsfeindliche und neonazistische Demonstrationen „bewacht.“

Die Einzigartigkeit der „Steeler Jungs“ ist ihre feste Verankerung in Essen. 2019 lief die Truppe sogar in einem Essener Karnevalszug mit, mit offen nationalsozialistischen Symbolen.

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Essener Polizei: Von Gewalt noch nie gehört

Die Essener Polizei zeigt den „Steeler Jungs“ gegenüber seit Jahren ein erstaunliches Verständnis und Wohlwollen: Im ersten Jahr fanden die einschüchternden Märsche unbegleitet statt. Erst seit der lokale antifaschistische und bürgerliche Protest stärker wurde, lief die Polizei bei den – anfangs unangemeldeten – Kundgebungen mit. Jedoch nicht, wie in Essen bei antifaschistischen Kundgebungen üblich, in Kampfmontur, sondern durchgehend im Habitus von Dorfpolizisten: man kennt sich – und schätzt sich, so der optische Eindruck. Und so auch der Eindruck, der im Rechtsaußen-Milieu in Essen ankommt.

Als im Sommer 2019 Journalisten bei der Essener Polizei offiziell anfragten, ob für Pressevertreter*innen, die die Märsche der Hools begleiten, eine Gefährdung bzw. ein Schutz bestehe, teilte der Pressesprecher mit, dass ihm von Einschüchterung und von Gewalt durch die „Steeler Jungs“ nichts bekannt sei – eine Auskunft, die angesichts der massiven Übergriffe der vergangenen zwei Jahre mehr als überraschend wirken musste.

Die langjährige, feste Verankerung der Steeler Jungs in die neonazistische und gewaltbereite Szene ist von Bündnissen wie „Essen stellt sich quer“ minutiös dokumentiert worden:

Im Dezember 2019 kam es sogar zu einem Überfall gegen den damaligen Sprecher von „Essen stellt sich quer“ und bekannten Antifaschisten, Max Adelmann: Der seinerzeit 63-Jährige wurde vor dem Büro seines Bündnisses überfallen und mit einem Faustschlag niedergestreckt, er verlor kurzzeitig sogar das Bewusstsein. Dass er keinen dauerhaften Schaden erlitt war einzig seinem Glück zuzuschreiben.

Bereits in den Monaten zuvor war Adelmann auf Kundgebungen der Steeler Jungs regelmäßig von diesen beleidigt und bedroht wurden. Fotos von ihm wurden regelmäßig im Netz verbreitet, mit konkreten Drohungen.

Und bereits im März 2019 hatten mehrere Dutzend Essener Hooligans in Sprechchören, in Anwesenheit der Polizei, Adelmann verbal bedroht und beleidigt; die Szene wurde filmisch dokumentiert.

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Demodokumentarist*innen und Beobachter*innen wurden in Essen regelmäßig bedroht und eingeschüchtert, in Anwesenheit der Essener Polizei.

Vor einem knappen Jahr erließ die Essener Polizei sogar Fotografierverbot für Demos in Essen gegen Rechts, wie ein Betroffener filmisch und auf Twitter kommunizierte.

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Von zuständigen Politikern wurde hierauf nie reagiert.

Die unweit des Versammlungstreffpunkts der Steeler Jungs gelegene Sportbar „300“, ihre Stammkneipe, wird von Christian W. betrieben. Dort treffen sich seit Jahren regelmäßig szenebekannte Hools aus NRW. Dominik Roeseler führte dort zumindest zweimal Konzerte bzw. sog. „Balladenabende“ von Hoolbands wie „Kategorie C“ sowie von „Lunikoff“ durch, etwa am 12.11.2019. Christian W. soll führender Kopf bei der Hoolgruppe „Alte Garde Essen“ und Vorsitzender des Bottroper Chapters der „Bandidos“ sein.

Und acht Monate zuvor, in der Nacht zum 27. März, wurden zwei Schüsse mit einer scharfen Waffe auf den Wintergarten des gegenüber der „Sportbar 300“ gelegenen Bürgerzentrums Grend abgegeben. Das „Grend“ gilt auch als Treffpunkt von Nazigegnern. Nahezu zeitgleich posierten den Essener Hools gemeinsam mit Roeseler demonstrativ auf den Treppen der „Grend“ zum Fotoshooting.

Im September 2019 vermochte sich selbst der Verfassungsschutz NRW dem Offenkundigen und vielfältig Dokumentierten nicht mehr zu entziehen: Er konstatierte, dass die Essener Hools „rechtsextremistische Bezüge“ und Kontakte zur „rechtsextremen Szene“ hätten.

Geholfen hat dies offenkundig alles nichts: Als im September 2019 erstmals eine große linke Gegenkundgebung in Essen mit wohl 2000 Teilnehmern stattfand trat die Polizei in schwerer Montur auf. Der angemeldete Demonstrationszug sollte auch an der „Sportbar 300“ vorbei führen. Die Polizei änderte kurzfristig den genehmigten Kundgebungszug, weil sich auch die Hools rund um die Sportbar versammelt hatten.

Im Dezember 2019 wurden bei dem Steeler Marsch der Hools zwei linke Gegendemonstranten festgenommen.

Das Bild in Essen war seit Jahren eindeutig. Dass nun gleich 29 Essener Polizisten wegen rechtsextremer Mitteilungen vom Dienst suspendiert wurden kann von der Sache her wirklich nicht verwundern.

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