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Bodo Pfalzgraf Polizeigewerkschaftsfunktionär mit rechtsradikaler Geschichte

Bodo Pfalzgraf ist Landesvorsitzender der „Deutschen Polizei Gewerkschaft (DPolG)“ für Berlin. Und war Mitglied bei der rechtsradikalen Partei „Die Republikaner“ sowie dem rechtsextremen „Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk“. Hierin waren sogar Funktionäre mit Kontakt zum NSU aktiv. Dass er wegen „Radikalisierungstendenzen“ ausgetreten sei, überzeugt nur bedingt, waren die Republikaner bereits vorher offen rechtsradikal. Die vom Bundesvorsitzenden Rainer Wendt genannte Erklärung „er habe sich da mal kurz verlaufen“, wirkt ebenso wenig wie eine ehrliche Reflektion des Ganzen.

 
Die Mitgliedsliste des rechtsextremen "Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk" vom 17. März 1992. Mitglied Nummer 11: Bodo Pfalzgraf. (Quelle: Wikimedia Commons)

Mit ca. 100.000 Mitgliedern vertritt die „Deutsche Polizei Gewerkschaft (DPolG)“ ca. ein Drittel aller Polizeibeamt*innen. Bekannt ist sie gesellschaftlich abseits der Polizei aber vor allem für ihren Vorsitzenden Rainer Wendt, der in Talkshows – kürzlich beispielsweise beim rechtspopulistischen „ServusTV“ – und Stellungnahmen gerne von rechts provoziert. Berlin hat mit seinem Vorsitzenden Bodo Pfalzgraf ein passendes Pendant, der sich etwa auf Twitter gern als Verfechter von Law & Order zeigt – insbesondere gegen Linke (vgl. „taz”).

Aber Bodo Pfalzgraf war zumindest in seiner Vergangenheit weit mehr als nur Vertreter eines ‚starken Staates‘. So stand er 1990 für die Partei „Die Republikaner“ auf einem Listenplatz zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses. Nach eigenen Angaben habe sein Engagement 20 Monate gedauert, wovon er die Hälfte sogar Landesgeschäftsführer war. In dieser Zeit lud er zu mindestens zwei Veranstaltungen der Partei ein.

„Die Republikaner“: Nicht erst seit den Neunzigern rechtsradikal

Im Oktober 1991 hätten ihn dann „Radikalisierungstendenzen“ zum Austritt bewogen. Eine Darstellung, die zumindest verwundert, war doch die deutliche Radikalisierung der von ehemaligen CSU-Mitgliedern gegründeten Partei bereits mit ihrem zweiten Vorsitzenden Franz Schönhuber vonstattengegangen. Dieser wurde schon 1985 gewählt und wartete nicht mit seinem Plan, die Partei nach Vorbild des „Front National“ weit nach rechts zu rücken. Forderungen wie zum Beispiel die Abschaffung des Asylrechts und die Aufhebung der Strafbarkeit von Volksverhetzung, sowie der Austausch mit rechtsextremen Gruppierungen wie der „Bürgerinitiative für Demokratie und Identität“ lassen die deutlich völkisch-nationalistisch und rassistische Ausrichtung erkennen. Genug, dass sogar die 1989 nicht zur Wahl zugelassene NPD in Berlin zur Stimmabgabe für „Die Republikaner“ aufrief. Kurz nach Pfalzgrafs Austritt begann dann sogar der Verfassungsschutz, die Partei als Verdachtsfall zu beobachten.

Mitgründung des „Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk“

Aber dabei bleibt Bodo Pfalzgrafs problematisches Engagement nicht. Auch taucht sein Name als eines der ersten Mitglieder des „Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk“ auf, wie bereits 2015 eine Recherche des „Antifaschistischen Infoblatts“ ergab (vgl. „Antifa-Infoblatt“). Ursprünglich als parteinahe Stiftung der Republikaner geplant, wurde es zum Bildungswerk umbenannt, als die Bedingungen nicht gegeben waren, um als Stiftung anerkannt zu werden. An der „Satzungssitzung“ der Mitglieder am 5. September 1991 nahm Pfalzgraf teil. Beim Amtsgericht Charlottenburg registriert wurde der Verein dann im März 1992. Ziel sollte die Schulung junger Kader für die mittlere Führungsebene der neonazistischen Szene sei, auch sollte er eine Brücke zwischen diesen und sich als gemäßigt verstehenden Rechten bilden. Damit gewann der Verein in Berlin durchaus an Bedeutung, wie das „Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin“ feststellte (vgl. Apabiz). Hauptsächlich wurden Vortragsveranstaltungen organisiert, unter anderem mit Pierre Krebs vom „Thule Seminar“ und dem Holocaustleugner und ehemaligen NPD-Vorsitzenden Günter Deckert. Auch der Verfassungsschutz Berlin sieht ein Spektrum vom rechten Rand der CSU bis zur neonazistischen Szene und kommt zu dem deutlichen Schluss, dass das „Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk“ „wegen seiner Zusammensetzung und dem Ziel seiner Zusammenarbeit mit anderen rechtsextremistischen Organisationen als Tarnorganisation für Veranstaltungen von Rechtsextremisten und Nationalsozialisten fungiert“.

Die Mitgliedsliste des „Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk“ vom 17. März 1992. Darauf mehrere bekannte Rechtsextreme, beispielsweise Frank Schwerdt (s.u.). (Quelle: Wikimedia Commons)

Enge Verbindungen zu rechtsextremen Gruppierungen…

Das unterstreicht auch die – selbstauferlegt auf 20 begrenzte – Mitgliederliste des Vereins. Als Vorsitzender begann Rudolf Kendzia, der bereits über eine beachtliche Biografie rechtsextremer Aktivität verfügte: So war er Mitglied der „Deutschen Partei“, der „Deutschen Reichspartei“ sowie in der relevantesten Zeit Ende der Sechziger Landesvorsitzender Berlin für die NPD. 1989 dann kam er für die „Republikaner“ ins Abgeordnetenhaus. 1991 gründete er sowohl die rechtsextreme „Deutsche Liga für Volk und Heimat“, als auch die ins Neonazistische reichenden „Die Nationalen“ mit.

Ein Großteil der Mitglieder des „Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk“ waren ebenfalls in einem oder beiden Verein aktiv, sowie davor oder danach auch in der NPD. So beispielsweise Karl-Heinz Panteleit und Richard Miosga, die beide auch auf derselben Liste für die Republikaner wie Bodo Pfalzgraf standen. „Die Nationalen“ und das „Bildungswerk“ waren zeitweise unter der gleichen Postadresse erreichbar, besagtes Postfach teilten sie zudem mit der Brandenburger Sektion der international militant aktiven „Hammerskins“. Mindestens eins der „Bildungswerk“-Mitglieder hat nun eine neue Heimat bei der AfD gefunden, so die weiterführende Recherche der Gruppe „Gegen die Alternative für Deutschland“ (vgl. „Gegen die AfD“).

…und über den Neonazi Frank Schwerdt sogar zum NSU

Maßgeblich am Aufbau des „Hoffmann von Fallersleben Bildungswerkes“ beteiligt, war außerdem Frank Schwerdt. Beginnend bei der NPD, war er danach lange Mitglied der CDU bis er ebenfalls zu den „Republikanern“ wechselte. Dort von 1989 bis 1991 auch im Landesvorstand Berlin aktiv, wechselte er dann zur „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ und übernahm 1993 den Vorsitz von „Die Nationalen“. Letztere lösten sich 1997 auf, um einem Verbot zuvorzukommen. Schwerdt trat wieder in die NPD ein und schaffte  es dort schnell in den Bundesvorstand. 2001 wurde er dann Landesvorsitzender von Thüringen, sein Stellvertreter war hier für längere Zeit der NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben. Und das ist nicht Schwerdts einziger Kontakt ins NSU-Umfeld. So hatte er Ende der Neunziger guten Kontakt zum „Thüringer Heimatschutz“, aus dessen Umfeld auch das NSU-Trio entsprang. Auch direkter Kontakt ist nachgewiesen. Uwe Mundlos war beispielsweise als Fahrer für Schwerdt tätig, gemeinsam mit Beate Zschäpe ist er kurz vor dem Untertauchen der Drei auf einem NPD-Aufmarsch in Erfurt zu sehen. Auch im NSU-Prozess sind die Verbindungen des NSU zu Frank Schwerdt Thema: André Kapke, auch Aktivist des „Thüringer Heimatschutzes“ gibt an, ihn 1998 um Unterstützung des nun bereits untergetauchten NSU-Trios gebeten zu haben. Schwerdt bestätigt das Gespräch, behauptet aber, abgelehnt zu haben.

Rainer Wendt: „Kurz verlaufen“

Angesichts dieses – wenn auch zeitlich begrenzten – Kontakts Pfalzgrafs zu ausgewiesenen Rechtsextremen scheint eine erklärende Stellungnahme eigentlich unausweichlich. Aber auch Pfalzgrafs Vorgesetzter Rainer Wendt äußerte sich nach Bekanntwerden 2015 maximal beschwichtigend: Er wüsste das „schon seit 15 Jahren“, so Wendt, „das war direkt nach der Wende, da hat er sich mal kurz verlaufen“. Ein Engagement von 20 Monaten und die Mitgründung eines „Bildungswerks“ begrenzt auf 20 Mitglieder deuten allerdings weniger auf ein „kurzes Verlaufen” hin. Bezüglich Pfalzgrafs Mitgliedschaft im „Hoffmann von Fallersleben Bildungswerk” fällt der Kommentar des Bundesvorsitzenden der DPolG noch bezeichnender aus. Davon sei ihm nichts bekannt, weiter zitiert ihn der Tagesspiegel „Ich weiß aber, dass eine Antifa-Gruppe das jetzt skandalisieren will. Das gefällt mir nicht, aber das können sie natürlich machen“. Als sei die Mitgründung einer so vom Verfassungsschutz benannten „Tarnorganisation für Veranstaltungen von Rechtsextremisten und Nationalsozialisten“ durch einen Polizisten und nun Gewerkschaftsfunktionär nicht von alleine schon Skandal genug.

Besonders an diesem Tweet der „Deutschen Polizeigewerkschaft“ Berlin zur BlackLivesMatter-Demonstration Anfang Juni 2020 entzündete sich viel Kritik. (Quelle: Screenshot Twitter)

Der Berliner Senat verurteilt nun einen der vom Profil der DPolG Berlin im Vorfeld der BLM-Demonstration abgesetzten Tweet. Er könne „durchaus Anhaltspunkt für Zweifel an der Einhaltung der allen Beamtinnen und Beamten obliegenden Grundpflichten wie der Verfassungstreue- oder der Wohlverhaltenspflicht sein“, wie in Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Grünen June Tomiak formuliert wird. Zu Konsequenzen will die zuständige Innenverwaltung aber nichts sagen. Bodo Pfalzgraf erklärt in einer Antwort an die „taz“, dass der Tweet anders gemeint gewesen sei: Das Motto #Jedeslebenzählt sei seit Jahren Leitbild der Polizei, die Gleichsetzung mit #Alllivesmatter sei auch ihm vorher nicht bekannt gewesen. Zudem bezöge der Tweet sich auch auf Randale in Neukölln in der Nacht vor der Demo. Alle Tweets sind weiterhin online, auch das spricht nicht sonderlich für eine glaubwürdige Reflektion.

 

Mit freundlicher Unterstützung des Rechercheteam „GdAfD“.

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