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Kinderfeste, Heimatabende und Ferienfreizeiten

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Musik als Einstieg

Im „Kampf um die Schulen“ und „Kampf um die Intellektualisierung der Jugend“ setzen NPD und „Freie Kameradschaften“ seit den frühen 1990er Jahren auf Musik. „Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen, besser als dies in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit die Ideologie transportiert werden,“ beschrieb Ian Stuart Donaldson, verstorbener Sänger der britischen Neonazikultband „Skrewdriver“ und Gründer des Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“ die zentrale Säule der Neonaziszene bei der Jugendarbeit. Mittlerweile lassen sich rechtsextreme Tendenzen in beinahe jeder Musikszene und ?stilrichtung finden: sei es mit „Hatecore“ im Hardcore-Bereich, sei es im Folk-Segment mit „nationalen Liedermachern“. Auch in Musikstilen, die aus interkulturellen Subkulturen entstanden sind wie beispielsweise Hip Hop gibt es vereinzelte Bands, die explizit rassistische und antisemitische Botschaften verbreiten und sich politisch rechtsextrem verorten.

Mit den so genannten Schulhof CDs und einem parteieigenen Musik-Versand wendet sich die NPD explizit mit eigenen rechtsextremen Musikangeboten an Jugendliche und junge Erwachsene. Zudem propagiert die NPD „Schülerhilfen“ in Form von Nachhilfeangeboten sowie „Jugendhilfen“ ? beispielsweise Drogenberatung oder Hilfe bei der Suche nach Lehrstellen ? durch ihre Mandatsträger und deren Büros. Inwieweit es sich hierbei vor allem um eine medienwirksame Aktion handelt, um der NPD mehr Berichterstattung einzubringen, oder ob vor Ort entsprechend reale Angebote existieren, ist umstritten.

Neonazis besetzen Lücken

In ländlichen Regionen in alten und neuen Bundesländern, in denen Kommunen oder Gemeinden Jugendarbeit aus finanziellen Gründen nicht mehr leisten können oder auf ein Minimum reduziert haben, drängen die „Freien Kameradschaften“ sowie NPD und ihre Jugendorganisationen in die Lücken. Sie übernehmen beispielsweise in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern gezielt kommunale Jugendräume, in denen es keine oder wenig Aufsicht durch Pädagogen oder Sozialarbeiter gibt. In Niederbayern hingegen sind informelle Jugendtreffs wie Bauwägen, in denen sich Jugendcliquen treffen, Orte rechtsextremer Anwerbe- und Dominanzversuche.

Andernorts stellen Neonazis eigene Räume zur Verfügung, in denen sich Jugendliche treffen können. Das rechtsextreme Angebot an Jugendliche ist dabei breit ausgefächert und orientiert sich an unterschiedlichen Jugendkulturen: Es beginnt bei „nationalen Kinderfesten“, mit denen insbesondere sozial benachteiligte Eltern und Kinder gleichermaßen angesprochen werden sollen. Ebenfalls im Angebot: Gemeinsamen „Fahrten“ zu nationalsozialistischen Wallfahrtsorten wie beispielsweise der ehemaligen SS-Schulungsstätte Wewelsburg in Nordrhein-Westfalen; so genannte „Wehrmärsche“ ? mehrtägige Wanderungen mit paramilitärischen Elementen; Wehrsportübungen; der gemeinsame Besuche von Aufmärschen und rechtsextremen Konzerten oder Liederabenden sowie „nationale Fußballturniere“. Explizit an Schüler richtete sich die Aktion „Schulfrei“ mehrerer JN-Stützpunkte mit dem Angebot eines Ferienprogramms mit „Wanderungen, Zeltlagern, Fußballturnieren und Liederabenden“. Im Spektrum der „Freien Kameradschaften“ ist es beispielsweise der Kameradschaft „Odins Legion“ mit einem eigenen Verein namens „Jugendclub Glossen e.V.“ (Sachsen) über Jahre gelungen, einen rechtsextremen Jugendclub mit kommunaler Duldung offen zu halten. Und in der brandenburgischen Kommune Lübben konnten im „Bunker 88“ bis Anfang 2008 regelmässig illegale Neonazikonzerte veranstaltet werden.

Völkische Jugendarbeit

Extrem rechte völkische Jugendarbeit im gesamten Bundesgebiet betreibt insbesondere die „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ). Mit Zeltlagern, Sommersonnenwendfeiern und uniformähnlicher Kleidung organisiert sie den Nachwuchs für neonazistische Organisationen und Parteien In Mecklenburg-Vorpommern sind mit dem „Heimatbund Pommern“ und dem „Kulturkreis Pommern“ Zusammenschlüsse der extremen Rechten aktiv, die sich explizit an Kinder und Jugendliche wenden. So verteilt beispielsweise der „Heimatbund Pommern“ eine Sonderbeilage für Kinder mit Rätseln, Tipps bei Liebeskummer und Spielen, tritt bei Gemeindefesten auf und organisiert Fußballturniere. Erfolgreich sind HDJ und andere Neonazis in der Jugendarbeit immer dort, wo es an Alternativen und kommunalen Jugendangeboten fehlt.

Zum Thema

| Die neonazistische „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ)

| Rechtsrock – Musik als Einstiegsdroge

| Wie Neonazis Fußballvereine unterwandern

Literatur

| Das Buch Rechte Kids Eine Langzeitstudie über Auf- und Abbau rechtsextremistischer Orientierungen bei 13- bis 15jährigen von Kurt Möller (Hrsg) (Weinheim und München 2000)

| Das Buch Rechte Glatzen. Rechtsextreme Orientierungs- und Szenezusammenhänge – Einstiegs-, Verbleibs- und Ausstiegsprozesse von Skinheads von Kurt Möller und Nils Schumacher (Hg.) (Wiesbaden 2007)

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