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Kulturhauptstadt 2025 IB-Kader im Kultur-Aufsichtsrat Chemnitz

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(Quelle: Kira Ayyadi)

Die sächsische Metropole Chemnitz wurde Mitte Januar 2021 zur europäischen Kulturhauptstadt 2025 ernannt. „C the Unseen!“, ist das Motto. Eine große Chance für die Stadt, die mit großem Jubel und Euphorie aufgegriffen wurde. 

850 Veranstaltungen mit circa 550.000 Besucher*innen finden in Chemnitz jährlich in den Locations der C³ Chemnitzer Veranstaltungszentren GmbH statt. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der Stadt Chemnitz. Im Aufsichtsrat der Firma sitzt neuerdings Vincenzo Richter. Er ist Leiter der extrem rechten „Identitären Bewegung“ (IB) in Chemnitz. Den Weg in das Kultur-Gremium hat ihm, die rechtsextreme Wählervereinigung „Pro Chemnitz/ Freie Sachsen“ geebnet, berichtet die Freie Presse. Somit beaufsichtigt ein rechtsextremer Aktivist künftig Entscheidungen und Geschäfte der Kultur GmbH. Ein Teil des Gremiums gruselt sich und ein anderer meint, dass sich Richters Ernennung zum Aufsichtsrat nicht juristisch hätte abwenden lassen, so die FP. Der IB-Sprössling ist nicht der einzige rechts außen Aufsichtsrat. Auch AfD Stadtrat Nico Köhler, ein Chemnitzer Unternehmer, hat einen Platz im Gremium.

Zum Hintergrund von Richter: Seine Mutter ist Gesellschafterin und seinem Vater gehört eine Firma. Seine Eltern würden seine rechtsextremen Umtriebe unterstützen und begleiten ihn unter anderem auf Demonstrationen, heißt es in einer Veröffentlichung von ehemaligen IBlern. Auch den Unternehmergeist scheint Vincenzo Richter sich von seinen Eltern abgeschaut zu haben. Im Oktober 2022 hat er zusammen mit einem weiteren IB-Kader, Philip Thaler, eine Chemnitzer Immobilienfirma gegründet. Ansonsten war er vor allem dafür bekannt, mit seinen IB-Kollegen in Chemnitz die Montagsdemonstrationen anzuführen. Ein Sammelbecken für die rechtsextreme Szene.

Feldzug der extremen Rechten gegen die Kulturhauptstadt?

Dass Richter, als führender Aktivist der IB nun Teil eines Gremiums ist, das über Kulturelles in Chemnitz mitentscheidet, ist mit Hinblick auf das Monieren der rechtsextremen Szene über das anstehende Kulturhauptstadtjahr nicht verwunderlich.  Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt sollte eine Ansage an die rechtsextreme Szene in Chemnitz sein. Das zeigt das Bid-Book (Bewerbungsbuch), das als Reaktion auf die rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz 2018 gelesen werden kann. Die „Freien Sachsen“ kündigten bereits im Jahr 2021 an, das Kulturhauptstadtjahr zu einem zweiten „2018“ machen zu wollen. Der extrem rechte Stadtrat Robert Andres relativierte die Aussage zwar später, betonte dabei jedoch, dass eigene Aktionen in Planung wären.  

Johannes Grunert, freier Journalist aus Chemnitz, der sich mit der extremen Rechten in Sachsen beschäftigt, betont: „Der erste dieser Coups zur Kulturhauptstadt ist die Entsendung Richters in den Aufsichtsrat“.  Einen IB-Kader einzusetzen, sei vor allem ein „Signal“. „Das erzürnt die Leute – anders als bei bekannten Gesichtern aus der Stadtratsfraktion von Pro Chemnitz“, sagt Grunert im Gespräch mit Belltower.News.

Sophie Spitzner von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Mitte-Süd betont die Normalisierungs-Gewinne der extremen Rechten in Chemnitz. Die würden sich in vielen Bereichen zeigen – dem Stadtrat, dem Zugriff auf Immobilien und eben einem IB-Kader im Aufsichtsrat. Spitzner warnt vor einer Vereinnahmung der Kulturhauptstadt durch die Strategien der rechtsextremen Szene. Gleichzeitig „besteht die Gefahr, dass Prozesse, die im Rahmen der Kulturhauptstadt 2025 stattfinden, eher ohne politische Positionierung erfolgen, weil die Auseinandersetzungen gescheut werden.“ Die Konsequenz sei, dass das „wofür Chemnitz u.a. angetreten ist“, also die Auseinandersetzung mit extrem rechten Strukturen in der Stadt, verhindert werde.  

Als im März dieses Jahres eine Gruppe Kulturschaffender von mutmaßlich Rechtsextremen angegriffen wurde, fielen die Reaktionen eher verhalten aus. Einer der Betroffenen muss nach dem Angriff auf der Intensivstation behandelt werden. Zudem reichte es scheinbar aus, dass die Reisegruppe Englisch sprach, um zur Zielscheibe des siebenköpfigen Schlägertrupps zu werden. Nach dem rechtsextremen Übergriff folgte Schweigen. Die Ermittlungsbehörden schwiegen zunächst zum Tatmotiv. Die Stadtverwaltung Chemnitz äußerte sich nicht zum Vorfall. . Nachdem öffentlich wurde, dass der Staatsschutz wegen eines mutmaßlich rechtsextremen Motiv ermittelte, veranstaltete die Kulturhauptstadt GmbH und das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus Chemnitz“ eine Podiumsdiskussion zur Aktualität rechter Gewalt in Chemnitz. Auch drei namhafte Rechtsextreme versuchten sich Zutritt zu verschaffen. Der Grundton der Veranstaltung war– viele Menschen sorgen sich um die Sicherheit der Besucher*innen, die 2025 erwartet werden. Gerade nach dem brutalen Angriff.  

 

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