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Landtagswahl im Saarland AfD versinkt im Chaos

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Die AfD bei der Landtagswahl vom 27. März. Statt Sozialexperiment gibt es hier Versuche mit politischer Unfähigkeit.
Die AfD bei der Landtagswahl vom 27. März. Statt Sozialexperiment gibt es hier Versuche mit politischer Unfähigkeit. (Quelle: Screenshot Twitter)

Die Landtagswahl 2022 im Saarland hat mit der SPD eine klare Gewinnerin. Bei den anderen Parteien macht sich demgegenüber Enttäuschung breit. „Die Linke“ und die CDU fahren zweistellige Verluste ein (-10,2 % für „Die Linke“; -12.2 % für die CDU). Damit sitzt „Die Linke“ nicht mehr im Landtag, die CDU ist zweitstärkste Kraft. Auch Grüne und FDP verpassen um Haaresbreite den Einzug ins Landesparlament. Nur eine Partei kann ihr Standing wahren: die rechtsradikale AfD.  Sie hält mit 5,7 % der Stimmen an ihrem Wahlergebnis (6,2 % bei der Wahl 2017) und ihren drei Sitzen fest. Der saarländische AfD-Chef Christian Wirth beurteilt den Wahlausgang dennoch „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“ (vgl. ZDF). Schließlich hängt der Haussegen in seinem Landesverband gehörig schief.

Ein Notvorstand führt im Saarland die Partei, ohne Landesliste trat sie zur Wahl an. Zwei von drei gewählten Landtagsabgeordneten sind de facto aus der Bundespartei ausgeschlossen und auch untereinander gibt es Feindseligkeit. Um eine Fraktion zu sein und die damit verbundenen Rechte im Parlament wahrnehmen zu können, müssen die drei sich indes einig werden. Denn eine Fraktion braucht mindestens drei Mitglieder.

Die Causa Josef Dörr

Im Zentrum all dieser Querelen steht der am 27. März 2022 wiedergewählte Landtagsabgeordnete Josef Dörr. Zwischen 2015 und 2020 hatte der einstige Schulleiter im Saarland den Parteivorsitz, in der letzten Legislaturperiode war der 83-Jährige zudem Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag. Doch Dörrs Kontakte zum rechtsextremen Rand waren selbst für Teile der AfD zu viel. 2015 sprach er auf einer Veranstaltung der rechtsextremen Kleinstpartei Freie Bürger-Union (FBU), die sich auch aus ehemaligen NPD-Kadern rekrutiert. In der Folgezeit warb der damalige Landesvorsitzende bei der FBU um AfD-Mitglieder. Teil dieser Gespräche war auch das Angebot von vergünstigten Doppelmitgliedschaften. Solche Doppelmitgliedschaften sind von der AfD-Satzung unterdessen untersagt.

Zum 04. Februar 2022 beschloss ein Landesschiedsgericht nach einem langjährigen Verfahren deshalb das Ende von Dörrs AfD-Mitgliedschaft (vgl. SR). Der Ausschluss ist noch nicht rechtskräftig, Dörr kündigte Widerspruch beim Bundesschiedsgericht an. Etwaige Verbindungen zu Rechtsextremen wies er selbstverständlich von sich (vgl. taz, Saarbrücker Zeitung).

AfDler im Landtag künftig ohne Fraktion?

Dörrs Gegner:innen sitzen allerdings nicht nur im AfD-Bundesvorstand. Auch der saarländische Verband hat zum einstigen Vorsitzenden ein gespaltenes Verhältnis. Nach chaotischen Monaten und Koflikten rund um ungültige Vorstandswahlen und angefochtene Wahllisten übte ein Teil des Landesverbandes die offene Rebellion. Die Liste mit AfD-Kandidat:innen für die Landtagswahl zogen sie nur wenige Tage vor Fristende und in aller Heimlichkeit bei der Wahlleitung zurück. Da das saarländische Wahlrecht neben der Landesliste auch Kreiswahllisten kennt, war die AfD bei der Wahl auch ohne diese Landesliste in allen drei Wahlkreisen vertreten. Dennoch entbehrt die Meuterei mit Blick auf den neuen Landtag nicht einer gewissen Brisanz.

Das hängt sicherlich mit dem hier ausgetragenen, politischen Vater-Sohn-Konflikt zusammen. Schließlich war mit Michel Dörr ausgerechnet der Sohn von Josef Dörr bei der Rücknahme der Landesliste federführend. Neben Dörr Junior war jedoch auch Christoph Schaufert an der Aktion beteiligt, der am 27. März 2022 ebenfalls ein Landtagsmandat gewonnen hat. In seiner damaligen Position als stellvertretender Landesvorsitzender rechtfertigte Schaufert die Rücknahme in einem Schreiben an den Bundesvorstand der AfD. Die Scham über die Kandidatur von Dörr und anderen Spitzenkandidaten sei demnach die Triebfeder gewesen. „Lieber keine Landesliste als eine Landesliste mit Steigbügelhaltern für Josef Dörr! Lieber keinen Wiedereinzug in den Landtag als weitere 5 Jahre Fremdschämen,“ heißt es in dem Schreiben (vgl. Saarbrücker Zeitung).

Die AfD-Spitze in Berlin reagierte prompt auf diesen Bruch der Parteidisziplin. Schaufert, Dörr Junior und zwei weiteren Saarländern entzog sie vorläufig die Parteimitgliedschaft. Ausschlussverfahren nahmen ihren Lauf. Unklar bleibt dabei, ob es bei der Meuterei tatsächlich um politische Prinzipien ging oder nicht viel eher um Ämterkonkurrenz. Schließlich sorgte auch der Archäologe Schaufert jüngst für Aufsehen, als er sich in seinem Wahlkampf von einer überzeugten Verehrerin Adolf Hitlers unterstützen ließ.

Die Rücknahme der Landesliste hatte andererseits zur Folge, dass etwa Kai Melling, die Nummer eins der obsoleten Landesliste, bei der Wahl leer ausging. Die Mandate gingen stattdessen an die Spitzenkandidaten der AfD in den drei Wahlkreisen. Im Landtag in Saarbrücken sitzt neben Schaufert und Dörr künftig so auch Carsten Becker. Der hat zwar noch sein Parteibuch, unterschrieb aber ebenfalls das Schreiben gegen Dörr (vgl. Saarbrücker Zeitung).

Diese Ausgangsbedingungen lassen bei der anstehenden Fraktionsbildung auf einen schwierigen Prozess schließen. Können Dörr, Schaufert und Becker sich nicht einigen, verliert die AfD aber beispielsweise das Recht auf Antragsstellung. „Es sieht düster aus“, zitiert die Saarbrücker Zeitung deshalb den Landeschef Christian Wirth. Bei der saarländischen AfD gibt es zur Schadenfreude also reichlich Grund. Mit Blick auf die Wähler:innen zeigt sich allerdings, dass für sie offenbar selbst ein Konflikt, der die politische Unfähigkeit der wählbaren Kandidaten offen zutage bringt, kein Grund ist, die demokratiefeindliche Partei nicht zu wählen.

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