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Manipulierte Österreichs Außenminister eine Islam-Studie um gegen Muslime zu hetzen?

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Hat Sebastian Kurz eine Islam-Studie manipulieren lassen? (Quelle: picture alliance/APA/picturedesk.com)

 

Der 30-Jährige ÖVP-Chef Sebastian Kurz wird als Favorit für das Kanzleramt bei der Nationalratswahl am 15. Oktober gehandelt. Mit seinem harten Kurs bei den Themen Geflüchtete und Migration gräbt Kurz der rechtspopulistischen FPÖ das Wasser ab. Seine Kritik am Islam geht so weit, dass er alle öffentlich geförderten islamischen Kindergärten in Wien schließen lassen will. Schließlich würden in  islamischen Kindergärten zum Teil Parallelgesellschaften herangezüchtet und bereits kleinste Kinder radikalisiert – so besagt es auch eine Studie aus dem Jahr 2016. Dumm nur, dass diese Studie im Auftrag Kurz‘ manipuliert worden sein soll, um ihm im Wahlkampf zu dienen. Dass berichtete das Wiener Stadtmagazin „falter“ am Dienstag, den 4. Juli 2017 und beruft sich auf geleakte Dokumente.

 

Kurz will islamische Kindergärten in Wien schließen zu lassen

Ausgangspunkt all dessen sind die Wiener Islam-Kindergärten. Um eine von der EU vorgeschriebene Quote in der Kinderbetreuung zu erreichen, finanzierte das sozialdemokratische Wien konservative und extreme muslimische Vereine, die als Träger der Kindergärten fungierten, mit Millionen. Dieses emotional aufgeladene Thema – Kurz spricht von „salafistischen Vereinen“ die angeblich Kinder „radikalisieren“ – griff der Außenminister auf und machte es, kurz nach den Anschlägen von Paris, zu seinem Wahlkampf-Hit. Weil Kurz seine Behauptungen wissenschaftlich untermauern wollte, habe er eine Studie bei dem Forscher für islamische Religionspädagogik, Ednan Aslan, für 36.000 Euro in Auftrag gegeben, so der „falter“.

 

Im Dezember 2015 steckte Kurz der Presse, dass der Islam-Experte in Kürze eine Studie veröffentlichen würde, die „massive Fehlentwicklung“ in den Wiener Krippen und Koranschulen belege. Die Medien sprangen an, schließlich wurden in dem Thesenpapier einzelne Kindergärten als „salafistisch“ geoutet. Das Problem war nur: die Studie war noch gar nicht beendet.

 

Erst im Januar 2016 übergab der Islamwissenschaftler seine Originalversion der Studie in Form einer Word-Datei an das Ministerium. Kurz‘ Problem sei nun gewesen, dass die Studie nicht mehr zu seinen scharfen Aussagen aus dem Thesenpapier passten. Dann, so die Wiener Wochenzeitung, nahmen die Ministerialbeamten binnen sechs Tagen 903 Änderungen an dem Dokument vor.

 

Dem „falter“ wurde eben jenes Dokument aus „Wissenschaftskreisen“ zugespielt. Im Korrekturmodus zeige sich,  dass neben harmlosen Eingriffen auch massive inhaltliche Änderungen vorgenommen wurden. So seien Passagen, die Kurz‘ Ansichten konterkarieren verändert oder gelöscht worden.

 

Ein paar Beispiele, die der „falter“ anführt:   

Aslan schreibe von einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“.  In der Endfassung steht das Wort „Parallelgesellschaft“.

Im Originaltext stehe: „Sprache und Sprachförderung ist manchen Eltern das Allerwichtigste im Kindergarten“. Dieser Satz findet sich in der Endversion nicht mehr

Die Originalstudie attestiere, „die Mitarbeiterinnen der Stadt werden in der Regel als Kontrollmacht wahrgenommen“. Das passe nicht in das Klischee des sicherheits-unbewussten roten Wiens. Der Satz sei gestrichen worden.

Aslan zitiere in der Originalfassung das Interview mit einem Kindergartenbetreiber, der von den exzellenten Qualifikationen deutscher Kinderpädagoginnen berichte. Der Mann soll gesagt haben: „Also sie [die Pädagoginnen] kommen alle von Deutschland zu uns. Ich kann dir die Mappe zeigen. Es ist unglaublich, was für gutes Material es gibt von den Muslimen. Ich bin wirklich sehr positiv überrascht. Super Ausbildung mit super Wissen. Es gibt Muslime, die haben sich bewährt mit neun verschiedenen Fremdsprachen. Neun Sprachen perfekt. Sieben Sprachen perfekt. Und so weiter. Doktor der Philosophie und so weiter und so weiter. Super Ausbildung!“. Die Beamten sollen das gesamte Zitat gestrichen haben. Übrig bleibe ein Satz, der das Gegenteil des Zitates aussagt: „Aus Mangel an in Österreich ausgebildeten PädagogInnen werden häufig PädagogInnen aus den neuen EU-Staaten beschäftigt. In diesem Bereich klagen z.B. Eltern, dass dieses Personal die deutsche Sprache nicht gut beherrscht.“

In der ersten Version: „Die hier präsentierten Aussagen verdeutlichen, dass die Beteiligten darauf Wert legen, dass sich der Kindergarten im Bildungsangebot, im Setzen der pädagogischen Schwerpunkte und in der Wertevermittlung nicht von anderen Kindergärten unterscheidet.“ Kurz‘ Mitarbeiter sollen daraus folgende Aussage gemacht haben:  „Die hier präsentierten Ergebnisse (…) verdeutlichen, dass als unterscheidende Merkmale zu anderen Kindergärten die Bedeutung der religiösen Bildung/Erziehung (…) hervorgehoben wird.“

 

Kurz in Bedrängnis

Nach Medienberichten, sagte Kurz‘ Sprecher, dass das Außenministerium allenfalls kleine Korrekturen vorgenommen habe. Der Minister habe damit nichts zu tun. Ednan Aslan habe die Korrekturen „telefonisch durchgegeben“.

 

Wusste Ednan Aslan von den Änderungen an seiner Studie?

Per Twitter ließ der Islamwissenschaftler verlauten, er „stehe hinter jedem Punkt und Komma“ seiner Studie. In einem Interview vom Donnerstag, wies Aslan die Beschuldigungen zurück, dass die Studie nach den Wünschen von Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) ausgerichtet wurde.

Der „falter“ berichtet allerdings, dass Aslan selbst nichts von den Eingriffen gewusst habe. Auf die Änderungen angesprochen, soll er sich überrascht gezeigt haben. Später habe er aber behauptet, die Änderungen selbst in Auftrag gegeben zu haben.

 

Prüfung der Studie durch die Uni Wien

Im Zuge dieser Auseinandersetzung erklärte die Universität Wien, die Studie prüfen zu lassen, um festzustellen, inwieweit die Regeln wissenschaftlicher Arbeiten eingehalten wurden. Die Ergebnisse der Prüfung würden zeitnah erwartet.

 

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